Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Kriegsende, Revolution, Frieden -

Seite 162

eisernes Kreuz

Die Seele des deutschen Volkes war durch den langen Krieg sehr krank geworden und die Hauptursache er Erkrankung war der Hunger. Als das Kriegsjahr 1917 zu Ende ging, wusste jeder Arzt in Deutschland, dass jeder weitere Monat der Blockade dem deutschen Volke furchtbare und dauernde gesundheitliche Schäden bringe. An Fetten und Ölen war ein derartiger Mangel, dass er kaum noch erträglich war. Entsetzlich litten vor allem die Kinder und die alten Leute. Die kleinen Kinder siechten in den Großstädten dahin und starben massenhaft. Zu der mangelnden Fetternährung gesellte sich noch ein großer Mangel an Lebensmitteln.

Im Winter 1917/18 stellten sich die Ernährungsverhältnisse in den Großstädten etwa so, dass wöchentlich auf den Kopf der Bevölkerung 3 bis 5 Pfund Brot, 3 bis 5 Pfund Kartoffeln, 100 bis 150 Gramm Fleisch, 50 bis 100 Gramm Fett oder Margarine, alle drei Wochen 1 Ei abgegeben wurde. Milch gab es nur in ganz seltenen Fällen. Nach der Feststellung deutscher Ärzte, die beauftragt waren, die Folgen der Hungerblockade statistisch niederzulegen, waren bis zum Abschlusse des Waffenstillstandes ungefähr 800 000 Menschen in Deutschland an Hunger gestorben. Zahlreiche andere hatten durch die Unterernährung dauernde Schäden an ihrer Gesundheit erlitten.

Hinzu kam noch die große Abnahme an Geburten. In Lobberich starben im Jahre 1918 allein 18 Personen an Grippe und 29 Personen an Lungenentzündung. Man muss das alles wissen und sehr wohl bedenken, wenn man verstehen will, warum Deutschland schließlich zusammenbrach, so elend und würdelos zusammenbrechen musste. Der Hunger macht den Menschen zum Tier, in jahrelang hungernden Völkern zerbrechen die Triebe mit Wucht alle Schranken der Gesetzlichkeit, Zucht und Ordnung. Kein Wunder, dass der Bolschewismus, der Russland zugrunde richtete, auch im deutschen Volke Anhänger fand. Es brachen hier und da Streiks aus; unreife Burschen zettelten Straßenunruhen an, kurz gesagt: Die Revolution stand vor der Türe. Die Regierung schaffte unter dem Drucke der Volksstimmung das alte preußische Wahlrecht ab, sie gab ein Kronrecht nach dem anderen preis. Währenddessen war die glänzend organisierte, mit überreichen Mitteln ausgestattete feindliche Propaganda an der Arbeit. In Millionenausgaben von Flugblättern, die durch feindliche Flieger über die deutschen Linien abgeworfen, wurden die deutschen Soldaten getäuscht über die innere und äußere Lage Deutschlands. So konnte es nicht ausbleiben, dass auch im deutschen Heere eine ernste Missstimmung aufkam. Im August 1918 kam diese Missstimmung zum erstenmale zum Ausbruch und zwar in der Kaiserlichen Marine.

Die inneren Zustände in Deutschland wurden immer verworrener. Die politischen Parteien bekämpften sich mit äußerster Bitterkeit. In den verschiedensten Teilen des deutschen Reiches brachen immer wieder neue Unruhen und Streits aus, worunter die Waffen- und Kriegsmittelerzeugung stark zu leiden hatte. Die Streiks nahmen schließlich politischen Charakter an.

Von Anfang Oktober 1918 ab wurde die Front des deutschen Heeres auf dem westlichen Kriegsschauplatz in Abschnitten allmählich zurückgezogen. Aber ein Durchbruch war den Herren des französischen Marschalls Foch trotz der ungeheuersten Anstrengungen, trotz ihrer Übermacht und fast täglicher Großangriffe doch nicht gelungen. Noch stand die deutsche Front lückenlos. Und wenn auch einzelne Regimenter Misserfolge hatten, so schlugen sich andere um so besser. Gerade jetzt wurde von vielen Truppenteilen, abgekämpft und übermüdet wie sie waren, ein wahres Heldentum im teuren Ausharren an den Tag gelegt. Dieses Heer war nicht kampfunfähig.

Am 3. November 1918 wurde der oberste Heeresleistung eine amerikanische Note überreicht, in der es hieß: „Der Präsident hat ein Memorandum erhalten, das die Anerkennung der verbündeten Regierungen enthält und folgendermaßen lautet:

"Die verbündeten Regierungen haben sich mit dem Notenwechsel, der zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und der deutschen Regierung erfolgt ist, beschäftigt, und sie erklären nach den ihnen gewordenen Mitteilungen ihre Bereitwilligkeit, mit der deutschen Regierung Frieden zu schließen auf Grund der Bedingungen, die der Präsident in seiner Ansprache an den Kongress vom 8. Januar 1918 dargelegt hat, und ebenso auf Grund der Prinzipien, die er in seinen folgenden Ansprachen zum Ausdruck gebracht hat.“

Daraufhin begannen am 7. November 1918 seitens der deutschen obersten Heeresleitung die Verhandlungen mit dem Marschall Foch. Dieser sah in Deutschland noch immer einen starken und gefährlichen Gegner, dem er zwar schwere, aber doch nicht unerträgliche Bedingungen auferlegen wollte. Aber der Ausbruch der Revolution in Deutschland veränderte die Lage von Grund auf.
Das sofortige Auftauchen von Arbeiter- und Soldatenräten in Kiel zeigte deutlich, woher die Aufruht seine geistige Nahrung erhielt, nämlich von Russland. Die Marinerevolution zerbrach die einzige Waffe, mit deren Hilfe Deutschland vielleicht noch einen erträglichen Frieden hätte erkämpfen können. Sie wirkte zugleich aber auch auf das deutsche Heer und auf die verhetzte Volksmasse. In allen Städten und Gemeinden wurden Arbeiter. und Soldatenräte eingesetzt, denen sich alle Bürger zu fügen hatten. Die in Deutschland weilenden Soldaten wurden entwaffnet und aus dem Militärdienst entlassen. Binnen weniger Tage stand ganz Deutschland in Flammen und in diesen Flammen versank das deutsche Kaisertum und mit ihm die bisherige Ordnung des deutschen Reiches.
So vollzog sich der Verlag beim Heere und in der Heimat. Der Kaiser wurde von der neuen Volksregierung zur Abdankung gezwungen. Aber bevor sich der Kaiser entschieden hatte, gab der damalige Reichskanzler, Prinz Max von Baden, am 9. November 1918, mittags, einen Erlass bekannt, der folgenden Wortlaut hatte:

„Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Thron zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch solange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen des deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlegung eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenze wünschen sollten, endgültig festzustellen."

Der Reichskanzler: Max, Prinz von Baden.

In Wirklichkeit aber hatte der Kaiser noch gar nicht abgedankt. Aber der Reichskanzler hatte geglaubt, dass der Kaiser auf alle Fälle abdanken müsse, um wenigstens die Königswürde in Preußen und die der anderen deutschen Bundesstaaten zu retten. Am selben Tage hatten nämlich sämtliche Arbeiter in Berlin die Arbeit niedergelegt, sich mit den Truppen verbündet und in Aufzügen und Demonstrationen die Republik gefordert. Die Waffen waren nicht mehr zu zügeln; die Mehrheitssozialisten schlossen sich ihnen an und die Revolution wurde geboren.

Die sozialdemokratischen Parteien beschlossen die Bildung einer sozialistischen Regierung. Am 9. November 1918, nachmittags 1 Uhr, rief der sozialdemokratische Abgeordnete Scheidemann von einem Fenster des Reichstagsgebäudes in Berlin die deutsche Republik aus und um 3 Uhr nachmittags übertrug Prinz Max von Baden dem Sozialistenführer Friedrich Ebert das Reichskanzleramt.

Bei den Truppen, die in den Etappen standen, löste sich sofort nach dem Bekanntwerden der Revolutionen fast überall Zucht und Ordnung auf. Die Offiziere wurden abgesetzt und verjagt; es wurden Soldatenräte gebildet. Das Heeresgut wurde verschleudert. Viele Soldaten verkauften ihre Gewehre, Pferde, Uniformstücke und nahmen aus den Heeresvorräten, was ihnen dienlich erschien. Was sie nicht mitnehmen konnten, überließ sie der der Zivilbevölkerung. Vieles verdarb, manches wurde sinnlos zerstört. Solches geschah nicht nur im Feindesland bei der Räumung, sondern auch auf deutschem Boden, Ungeheuere Werte gingen so dem Vaterlande verloren. Man schätzte den Geldeswert der verschleuderten Heeresvorräte auf fünf Milliarden Mark.

Das Heer, das an der Front gestanden und bis zum letzten Tage sich glänzend geschlagen hatte, war noch in der Gewalt seiner Offiziere, denen es gelang, die Waffen in guter Ordnung zurückzuführen. Es war dieser Rückzug die letzte Großtat des gewaltigen Führers Hindenburg.

Erst am 28. November 1918 verzichtete Kaiser Wilhelm II. auf die deutsche Kaiserkrone und auf die Krone Preußens. Der Kaiser wollte seinem Volke den Bürgerkrieg ersparen. Der Kronprinz tat am 1. Dezember 1918 dasselbe und Vater und Sohn zogen sich nach Holland zurück. Alle deutschen Bundesfürsten verzichteten auf ihre Herrschaft. Als Letzte legten der König von Württemberg und der Großherzog von Hessen ihre Kronen nieder.

Am 16. Dezember 1918 trat in Berlin der Zentralrat aller deutschen Arbeiter. Und Soldatenräte zusammen. Es wurde beschlossen, die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 vorzunehmen. Weil zu befürchten war, dass die Nationalversammlung in Berlin unter die Herrschaft der Straße geraten würde, wurde sie nach Weimar einberufen, wo sie am 6. Februar 1919 zum erstenmale zusammentrat. Sie wählte den bisherigen Reichskanzler Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten der deutschen Republik.

Waffenstillstand.

Von den 14 Punkten, die der Präsident der Vereinigten Staaten aufgestellt hatte, von den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Völkerversöhnung, war nach dem Ausbruch der Revolution nicht mehr die Rede. Es wurden der deutschen Republik Waffenstillstandsbedingungen auferlegt, wie sie noch nie einer Großmacht aufgelegt worden waren. Die wichtigsten und schwersten seinen hier mitgeteilt: Deutschland hatte binnen 15 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes das besetzte Gebiete in Belgien, Frankreich und Luxemburg zu räumen, ebenfalls Elsass- Lothringen.
Die deutschen Truppen, die nach Ablauf dieser Zeit die betreffenden Gebiet noch nicht verlassen hatten, sollten Kriegsgefangenen sein.  Deutschland sollte in guten Zustande abliefern 2500 schwere Geschütze,  2500 Feldgeschütze, 25000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer, und 1700 Jagd-und Bombenabwurfgeschütze.
Das linke Rheinufer sollten die deutschen Truppen räumen. Diese Gebiete sollten besetzt werden durch die Truppen der Verbündeten, dazu die Brückenköpfe bei den wichtigsten Rheinübergängen wie Mainz, Koblenz, Köln, von je 30 km. Durchmesser auf dem rechten Rheinufer. Dazu sollte eine neutrale Zone auf dem rechten Rheinufer geschaffen werden, die verlaufen sollte zwischen dem Rhein und seine Linie gezogen parallel den Brückenköpfen und dem Flusse in einer Breite von 10 km von der holländischen bis zur Schweizer Grenze. Alle militärischen Einrichtungen und Vorräte, die innerhalb eines Monats nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages nicht fortgeführt werden konnten, sollten zurückgelassen werden, ebenso die Lebensmitteldepot für die Zivilbevölkerung.
Deutschland sollte 5000 Lokomotive und 150000 Eisenbahnwagen in gutem Zustande sowie mit allen Ersatzteilen und den nötigen Gebrauchsgerät binnen 31 Tagen ausliefern und binnen 36 Tagen 5000 Lastkraftwagen und alle Elsass-lothringischen Eisenbahnen.
Alle Vorräte an Kohlen, Betriebsmaterial, Schienen usw. für den Eisenbahnbetrieb auf dem linken Rheinufer hatte Deutschland an Ort und Stelle zu belassen. In den zu besetzten Gebieten wurde den Verbündeten das Recht der Requisition eingeräumt.
Alle Kriegsgefangenen ohne Ausnahme hatte Deutschland ohne das Recht auf Gegenseitigkeit sofort auszuliefern. Die Zurückführung der deutschen Kriegsgefangenen sollte beim Anschluss des Präliminarfriedens geregelt werden.
Alle deutschen Truppen sollten sofort aus Österreich-Ungarn, Rumänien und der Türkei zurückgezogen werden, aus Russland erst dann, wenn die Verbündeten es für ratsam erachten würden.
Die Kriegsverträge von Brest- Litowsk und Bukarest sollten für nichtig erklärt und den Verbündeten freier Zuzug über Danzig und die Weichsel gewährt werden zu den von den Deutschen im Osten geräumten Gebieten.
Deutsch-Ostafrika wurde den Engländern übergeben.
Alle Zivilgefangenen und Geiseln hatten die deutschen ohne Recht auf Gegenseitigkeit binnen einem Monat auszuliefern. Deutschland sollte Schadensersatz leisten, und „jeder nachträgliche Verzicht und jede nachträgliche Forderung“ seitens der Verbündeten und der Vereinigten Staaten wurde vorbehalten.
Der Kassenbestand der Belgischen Nationalbank sollte sofort zurück erstattet werden, ebenso sämtliche Dokumente, alles Bargeld und alle Wertpapiere, die öffentliche und private Interessen in den besetzten Gebieten berührten. Das russische und rumänische Gold, das die Deutschen beschlagnahmt haben oder das ihnen ausgeliefert war, sollten sie den Verbündeten bis zur Unterzeichnung des Friedens in Verwahrung geben.
Bezüglich der deutschen Seemacht wurde bestimmt: Sofortige Einstellung aller Feindseligkeiten zur See, Rückgabe aller Kriegsgefangenen ohne Recht auf Gegenseitigkeit, Auslieferung von allen deutschen Unterseebooten, 6 Panzerkreuzern, 10 Linienschiffen, 8 kleinen Kreuzern, 50 Zerstörern neuesten Typs, aller Unterwasserkreuzer und Minenleger, Abrüstung aller übrigen deutschen Kriegsschiffe, Beseitigung aller Minen und Sperranlagen,  freie Einfahrt alle Schiffe der Verbündeten in die Ostsee, Beseitigung aller Forts, Küstenwerke, Batterien und Verteidigungsanlagen.
Alle Luftstreitkräfte sollten stillgelegt werden und in den von den Verbündeten zu bestimmenden Flughäfen zusammengezogen werden. Deutschland räumte alle Häfen des Schwarzen Meeres und liefert alle beschlagnahmten russischen Kriegsschiffe aus. Alle Handelsschiffe der verbündeten Mächte werden ohne das Recht auf Gegenseitigkeit zurückgegeben.
Die Blockade Deutschlands bleibt im gegenwärtigen Umfang bestehen.
Der Waffenstillstand wurde auf 36 Tage abgeschlossen. Wurden seine Bestimmungen nicht ausgeführt, so konnte er gekündigt werden. Die Kündigungsfrist betrug 48 Stunden. Um die Ausführung des vorliegenden Abkommens zu sichern, wurde eine ständige internationale Waffenstillstandskommission eingesetzt. Sie trat in Spaa zusammen. Der Waffenstillstand, der Deutschland wehrlos machte, wurde am 11. November 1918 im Wald von Compiègne von den deutschen Abgeordneten unterzeichnet. Am 13. Dezember 1918 verlängerte Marschall Foch in Trier den Waffenstillstand und am 14. Februar 1919 erfolgte eine weitere Verlängerung.

Frieden.

Im Juni 1919 legten die Verbündeten Deutschland einen Friedensvertrag vor, der an Härte und Grausamkeit selbst den übertraf, den eins nach dem zweiten punischen Kriege die Römer den Karthagern auferlegten. Er wurde am 22. Juni 1990 in Weimar von der Nationalversammlung ohne jeden Vorbehalt angenommen und am 28. Juni 1990 in der Versailles unterzeichnet.

Nachstehend die wichtigsten Bestimmungen der Friedensurkunde:
Elsass und Lothringen sind an Frankreich abzutreten. Deutschland verzichtet zu Gunsten Belgiens auf das ganze umstrittene Gebiet von Moresnet, sowie auf das westlich der Straße Lüttich- Aachen liegende preußisch- Moresnet, ferner vorläufig auf die Kreise Eupen und Malmedy. Doch haben die Einwohner dieser Kreise das Recht, binnen 6 Monaten nach Unterzeichnung des Friedensvertrags durch Abstimmung zu erklären, ob sie bei Deutschland bleiben wollen oder nicht.
Wie die deutsche Landesgrenze nach Norden verlaufen sollte, das wurde den Bewohnern Nordschleswigs selber überlassen. Eine Volksabstimmung sollte über die Zugehörigkeit der nördlichen Teile von Schleswig zu Dänemark oder zu Deutschland entstehen, wobei vorauszusehen war, dass mindestens der an Dänemark angrenzende Landstrich, in dem die dänische Sprache vorherrschte, sich von Deutschland trennen werde.
Im Osten wurde Memel den Verbündeten zur freien Verfügung gelassen, Danzig mit Umgebung für einen Freistaat erklärt und ein Streifen mitten durch das deutsche Land von Polen nach Danzig hin den Polen überlassen, damit diese einen „Korridor zum Meere“ erhielten. Verkehrsanlagen, Bahnen, Straßen, Wasserstraßen, Häfen usw, sollten den Polen zur Verfügung gestellt, die Stadt sollte auch in das polnische Zollgebiet aufgenommen werden.  Die deutsche Stadt Danzig wurde in Wahrheit eine polnische Stadt. Von Freiheit war gar nicht die Rede.
Stücke von Ost-und West Preußen und der größere Teil der Provinz Posen wurde von Deutschland abgetrennt und dem Polenreiche zugeteilt.
In einer Reihe von Kreisen wurde die zukünftige Staatsangehörigkeit von einer nach Friedensschluss vorzunehmenden Volksabstimmung abhängig gemacht.
Im ganzen wurden 6 bis 7 Millionen Einwohner von Deutschland abgetrennt und in fremde Staatsverbände überführt. Ein Teil von Schlesien kam an die Tscheche-Slowakei.
Auf dem linken Rheinufer durfte Deutschland keine Befestigung anlegen, keine Truppenmacht halten oder zusammenziehen und keine militärischen Übungen abhalten.
Die Kohlengruben des Saarbeckens wurden französische Staatseigentum. Das Saarbecken bleibt 15 Jahre lang von den Franzosen besetzt. Nach Ablauf dieser Frist entscheidet die Bevölkerung durch Abstimmung, ob sie deutsch bleiben oder französisch werden will. Doch sollte dann dem Völkerbunde das Recht zur Entscheidung, ob dem Wunsch der Bevölkerung Rechnung zu tragen sei, bleiben. Würde eher für Deutschland entscheiden, so habe Deutschland die Gruben von Frankreich zurückzukaufen. Außerhalb seiner Grenzen in Europa verzichtet Deutschland auf sämtliche Rechte, Ansprüche und Vorrechte, die ihm aus irgendwelchem Grunde den alliierten und assoziierten Mächten gegenüber bisher zustanden. Selbstverständlich hatte es auch auf seine sämtlichen Überseekolonien zu verzichten.
Es wurde fernerhin Deutschland auferlegt, alle Schäden wieder gutzumachen, die der Zivilbevölkerung der Entente durch kriegerische Maßnahmen zu Wasser und zu Lande und in der Luft zugefügt worden waren. Die Teile Belgiens und Nordfrankreichs, die durch den Krieg verwüstet waren, sollten in ihrem alten Zustand zurückgebracht werden, und dabei wurde keine Rücksicht darauf genommen, ob davor oder Städte durch deutsche oder französische oder englische Flieger zerstört worden waren. Die Kosten wurden auf 150 bis 200 Milliarden Mark geschätzt. Die Verbündeten behielten sich noch dazu das Recht vor, später, wenn es ihnen belieben würde, Deutschland auch zur Wiedergutmachung der auf russischem Boden angerichteten Schäden zu zwingen.
Zur Durchführung aller Verpflichtungen sollte ein Wiedergutmachungsausschuss eingesetzt werden, der die Ansprüche zu prüfen und der deutschen Regierung nach Billigkeit Gehör zu gewähren habe. Zunächst sollte Deutschland, gleichsam als Anzahlung, 20 Milliarden Mark Gold zahlen und zwar bis zum 1. Mai 1921. Die deutsche Regierung musste dem Ausschluss alle Auskünfte über Finanzlage und Finanzgeschäfte, Güter, Produktionskraft, Vorräte und laufende Erzeugung von Rohstoffen und gewerbliche Erzeugnisse Deutschlands und seiner Reichsangehörigen erteilen, deren er bedarf. Desgleichen musste sie jede Auskunft erteilen über militärische Operationen, deren Kenntnis für die Feststellung von Deutschlands Verpflichtungen, vor dem Ausschluss für nötig erachtet wurde.
Die deutsche Regierung räumte den Mitgliedern des Ausschusses und seinen anerkannten Vertretern alle Rechte und die Unverletzlichkeit ein, die die ordnungsgemäß beglaubigten diplomatischen Vertreter befreundeter Mächte in Deutschland genießen. In regelmäßiger Wiederkehr schätzte der Ausschluss die Zahlungsfähigkeit Deutschlands ab und prüfte das deutsche Steuersystem und zwar erstens, ob alle Einkünfte Deutschlands, einschließlich der für die Zinsendienst und für die Tilgung für innere Anleihen bestimmten, vorzugsweise zur Abtragung der Wiedergutmachungsschuld verwendet werden, und zweitens, um die Gewissheit zu erlangen, dass das deutsche Steuersystem im Allgemeinen im Verhältnis vollkommen ebenso schwer ist als dasjenige irgend einer der im Ausschluss vertretenden Mächte.
So verlor Deutschland seine Finanzhoheit, ja eigentlich überhaupt seine Souveränität. Über allen Reisbeamten standen die Kommissionen des Ausschusses, die sich überall in Deutschland, wo es Ihnen gut dünkte, niederlassen und alles verhindern konnten, was die Behörden anordneten. Der Verzicht Deutschlands auf die Souveränität in seinen Gebieten sollte sich auch darin bekunden, dass es die Internationalisierung seiner zum Meere führenden Ströme anerkannte und in den Häfen Hamburg und Stettin den Tchecho-Slowaken Landstücke auf 99 Jahre verpachten musste, „die unter die allgemeine Verwaltungsordnung der Freizonen traten und dem unmittelbaren Durchgangsverkehr der Waren von oder nach diesen Staaten gewidmet werden“ sollten. Die Abgrenzung diese Landstücke und alle Bedingungen ihrer Benutzung sollten durch einen Ausschuss bestimmt werden, der aus einem Deutschen, einen Tschechen und einem Engländer bestand.
Zahllose Bestimmungen waren dann noch auf die Unterbindung des deutschen Handels und der deutschen Industrie gerichtet. Der Friedensvertrag ging soweit, dass die Patente, die Deutsche in den Ententeländern erworben hatten, hinfällig waren, während umgekehrt die Patente der Ententeangehörigen in Deutschland in Geltung bleiben sollten. Für alle Waren, die aus den Ententeländern nach Deutschland und durch Deutschland geführt werden, musste Deutschland die Meistbegünstigung zusagen, was weiter nichts anderes bedeutet, als auf spätere Handelsverträge von vornherein sich die Hände binden zu lassen. Auch dem Auswandererverkehr der Zukunft durfte es keine Schwierigkeiten in den Weg stellen.
Damit nun die Unterworfenen niemals in die Lage kamen, gegen diese Bestimmungen sich dereinst erheben zu können, wurde die deutsche Militärmacht völlig vernichtet. Luftschiffe und Seefahrzeuge sollten ausgeliefert werden bis auf einen geringen Rest, der Deutschland nicht einmal zu einem Seekriege mit Dänemark oder Norwegen die Kräfte lassen sollte. Alle Seebefestigungen mussten geschleift, der Kaiser-Wilhelm-Kanal bei Kiel den Schiffen aller Nationen geöffnet werden. Zu Lande sollte Deutschland nur noch 100.000 Mann Soldaten halten dürfen. Damit aber Deutschland nicht im geheimen ein Herr ausbildete, sollten die Soldaten geworbene Söldner sein, die sich zu zwölfjähriger Dienstzeit verpflichten mussten. Die Offiziere sollten vor dem 45. Lebensjahr den Dienst nicht verlassen dürfen. Selbst die Zahl und Art der Geschütze und Gewehre, mit denen das deutsche Heer ausgerüstet sein durfte, war genau vorgeschrieben.
Das deutsche Volk sollte aber nicht nur arm und elend gemacht, sondern auch auf´s Tiefste entwürdigt werden. Seine Regierung sollte durch ihre Unterschrift anerkennen, dass Deutschland und seine Verbündeten die Alleinschuldigen am Ausbruche des Krieges seien, und dass sie ihn in ungerechter, unmenschlicher Weise geführt hätten. Sie sollte ihre Zustimmung dazu geben, dass der vormalige Deutsche Kaiser vor einem Gerichtshofe abgeurteilt werde, der aus je einem Amerikaner, Engländer, Franzosen, Italiener und Japaner zu bilden sei. Die Anklage solle lauten auf „schwerste Verletzung der internationalen Sittengesetze und Heiligkeit der Verträge.“ Die deutsche Regierung sollte ferner alle Personen den alliierten und assoziierten Mächten zur Bestrafung ausliefern, die ihr bezeichnet würden auf Grund der Anklagen, sich gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges vergangen zu haben.
Als diese Friedensbedingungen in Deutschland bekannt wurden, gingen Schrecken und Entsetzen durch das Volk. Die deutsche Regierung suchte durch Verhandlungen in Versailles bei dem Führerrat der feindlichen Großmächte Milderungen und Änderungen der Bestimmungen durchzusetzen. Aber trotz der Geschicklichkeit ihres Führers, der Strafen von Brockdorf- Rantzau, erreichte die deutsche Gesandschaft so gut wie nichts.


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