Eisernes Buch der Gemeinde Lobberich

Lazarette in Lobberich

Buch S. 47

eisernes Kreuz

Gleich nach Ausbruch des Krieges, und als die ersten Schlachten geschlagen waren, regten sich alle Gaue unseres Vaterlandes, den Verwundeten beizustehen, für sie Heime einzurichten, wo sie wieder gesunden konnten, wo man ihnen jede menschliche Hilfe angedeihen ließ. Auch in der Gemeinde Lobberich fand diese Anregung freudige und begeisterte Aufnahme. Die Gemeinde rechnete es sich zur Ehre an, jene Tapfern und Braven verpflegen zu dürfen, die auf dem Schlachtfelde für sie geblutet hatten. Nach längeren Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Militärverwaltung wurde die Einrichtung eines Vereins-Lazarettes mit 150 Betten, das dem Reservelazarett Kempen unterstellt wurde, genehmigt. Im Krankenhause, das allen modernen, ärztlichen und gesundheitlichen Ansprüchen genügt und so ziemlich alle Einrichtungen für ein Lazarett besaß, wurden weitere 70 Betten aufgestellt. Außerdem wurde die Sassenfelder Schule mit ihren schönen lustigen Räumen als Lazarett eingerichtet. Hier mußte eine vollständig neue Einrichtung geschaffen werden. Umbauten und Instandsetzungsarbeiten waren notwendig. Betten, Wäsche, Badeeinrichtungen, Eß- und Küchengeschirre mußten angeschafft werden. Große Geldmittel waren erforderlich, um leere Räume in ein Lazarett umzuwandeln, das den Anforderungen der Militärverwaltung genügte. Dank der besonderen Freigebigkeit Lobbericher Bürger, war es dem Vaterländischen Frauenverein, dem die Einrichtung des Lazaretts übertragen worden war, möglich, seine Aufgabe glänzend zu lösen. Herr Carl Niedieck erklärte sich bereit, die nicht unbedeutenden Kosten der Einrichtung zu tragen. Herr Tillmann Schmetz schenkte der Gemeinde 80 eiserne Betten. Auch sonst äußerte sich der Wohltätigkeitssinn der Lobbericher Bürger in Schenkung von Wäsche und anderen unentbehrlichen Gegenständen in glänzender Weise. Gegen Mitte September 1914 war die Einrichtung des Lazaretts in der Sassenfelder Schule vollendet. Alle Frauenund Mädchen der Nachbarschaft haben bei der Einrichtung ihre freudige Mithilfe stets gerne zur Verfügung gestellt.

Einrichtung des Lazaretts Sassenfelder Schule.

Ein Rundgang durch die schmucken Räume der Schule zeigte, daß die Damen des Lobbericher Frauenvereins, besonders die des Vorstandes, in Verbindung mit einigen edelgesinnten, opferwilligen Lobbericher Bürger in kurzer Zeit Bedeutendes geleistet hatten. Das wurde auch seitens der Militärverwaltung anerkannt, die bei Besichtigung des Lazaretts ihre volle Befriedigung aussprach.

Ordnung und Reinlichkeit, das war der erste wohltuende Eindruck, den man beim Betreten der Schule gewann. Die acht geräumigen Schulzimmer, alle in sauberem Anstrich, gaben das Bild freundlicher Pflegestätten. Im Erdgeschoß und im ersten Stock waren je drei Schulzimmer mit 10-12 Eisenbetten, zusammen 70 Betten, ausgerüstet. Bilder und Blumen gabenden Räumen einen angenehmen Reiz. Zentralheizung, Gasbeleuchtung und elektrische Klingelanlagen waren eingerichtet worden. Nachttischchen zwischen je zwei Betten, Stühle, Wasch- und Trinkgeschirre, jedes Teil mit Nummer versehen, alles stand hübsch geordnet bereit. Die Betten waren mit gutem, sauberem Bettzeug und warmen Deckenversehen, und große Schränke bargen reichlichen Vorrat für häufigen Wechsel der Bettwäsche. Im Erdgeschoß als auch im ersten Stockwerk war ein Zimmer als Tagesraum eingerichtet, auch er sollte den Verwundeten angenehmen Aufenthalt bieten. In den Gängen standen große Schränke, in denen die nötigen Vorräte an Verbandzeug aufbewahrt wurden. In anderen Schränken waren große Vorräte an Leibwäsche, Unterzeug u.a. untergebracht, und noch weitere Schränke waren mit Eß- und Küchengeschirren gefüllt. Im unteren Gang war eine Küche eingerichtet, die in der Hauptsache aber nur als Spülküche gebraucht wurde. Das Konferenzzimmer im oberen Gang war in ein Badezimmer umgeändert. Die Wäschestücke waren zum größten Teil von Mitgliedern des Frauenvereins angefertigt worden.

Das Essen für beide Lazarette wurde von den Schwestern des Krankenhauses zubereitet, die wirtschaftlichen Angelegenheiten standen unter der Leitung der ehrwürdigen Schwester Oberin Maldonata des Krankenhauses, die sich ganz besonders um die Pflege der Verwundeten verdient gemacht hat. Die große, mit allen Maschinen der Neuzeit eingerichtete Dampfwäscherei des Krankenhauses, kam bei Besorgung der Lazarettwäsche ausgezeichnet zustatten.

Die Pflege derVerwundeten wurde mit höchster Opferbereitschaft von Lobbericher Damen unter Leitung der Schwestern des Krankenhauses übernommen. Es hatten sich sofort 50 Damen zum Kursus für Krankenpflege, der im Krankenhause vom Arzte Dr. Hennes abgehalten wurde,eingefunden. Sie entfalteten einen wahren Wetteifer in der Betätigung für die Pflege der Verwundeten. Die Sanitätskolonne stellte etwa 60 Herren aus allen Kreisen der Bürgerschaft für den Transport von Verwundeten zur Verfügung. Außerdem bot zu diesem Zwecke noch der Turnverein die Hilfe von 20 bis 30Mitgliedern an. Die hilfsbereiten Herren wurden in besonderen Uebungen für den besagten Zweck ausgebildet. Die beiden Lobbericher Großfirmen de Ball und Niedieck ließen auf ihre Kosten die erforderlichen Tragbahren herstellen.

Die Ankunft der Verwundeten verzögerte sich bis zum Dezember 1914. Am 7. Dezember trafen die ersten 110 Verwundeten, vom westlichen Kriegsschauplatz (Flandern) kommend, ein. Die Gemeindeverwaltung hieß sie mit liebevollen Worten herzlich willkommen. Der Empfang war der Zeitlage angepaßt, ernst und ruhig. 70 Verwundete fanden Aufnahme im Krankenhause, die übrigen wurden im Lazarett der Sassenfelder Schule untergebracht. Im Laufe der Zeit wechselte der Bestand der Verwundeten durch Ab- und Zugang. Mitte April 1915 waren sämtliche Betten belegt; 145 Verwundete waren in Lobberichs Lazaretten untergebracht. Im September 1916 wurde die Zahl der Betten von 150 auf 180 erhöht. Mitte April 1918 wurde im Klüttermann'schen Saale (jetzt Hotel Köster, Hochstraße), noch ein Notlazarett von 100 Betten errichtet.

Die Kosten für die Einrichtung des Lazaretts in der Sassenfelder Schule betrugen 8 286 Mark. Die Kosten für Verpflegung, Arzt und Verbandzeug in beiden Lazaretten wurde von der Gemeinde und dem Vaterländischen Frauenverein zu gleichen Teilen getragen. Der Zuschuß der Militärverwaltung betrug anfangs 2,50 Mark, später 2,75 Mark je Kopf und Tag.

Im Kriegsjahr 1914/15 wurden inLobberich insgesamt 441 Verwundete gepflegt, und zwar 216 im Lazarett Sassenfelder Schule und 225 im Krankenhause. Die Genesenden konnten mit frischen Kräften wieder dem Vaterlande ihre Dienste widmen.

Die Verwundeten der hiesigen Vereinslazarette hatten am 17. Oktober 1916 die Bürgerschaft Lobberichs zu einem von ihnen veranstalteten Unterhaltungsabend, zu dem der katholische Gesellenverein in bereitwilliger Weise sein Lokal zur Verfügung gestellt hatte, eingeladen. Außerordentlich zahlreich war man der Einladung gefolgt, der große und kleine Saal war dicht besetzt von Zuhörern. Das Programm war reichhaltig und mit Geschick zusammengestellt. Ernstes und Heiteres wechselte ab. Besonders gefiel der flott gespielte Schwank: "Der Geisterstudent". Im musikalischen Teil waren Klaviervorträge, Duette und Terzette vertreten, die starken Beifall auslösten. Der ganze Verlauf des Abends war gut gelungen, und die Darbietungen der Verwundeten fanden dankbare Aufnahme.

Am 12. Mai 1917 traf für das hiesige Vereinslazarett wieder ein neuer Transport Verwundeter ein. Er fand Aufnahme in der Sassenfelder Schule. Das hiesige Krankenhaus hatte jetzt für rund 250 Personen Verpflegung usw. zu stellen, was in der damaligen lebensmittelarmen Zeit keine Kleinigkeit war.

Von der Militärverwaltung waren für die Einrichtung eines Notarztlazaretts im Klüttermann'schen Saale hierselbst 100 Betten zur Verfügung gestellt worden. Einschließlich der beiden Lazarette (Krankenhaus und Sassenfelder Schule), konnten nunmehr in Lobberich 280 Verwundete untergebracht werden. Um dieses Notlazarett mit allem versehen zu können, erließ der Vaterländische Frauenverein folgende herzliche Bitte:

"Einem dringenden Bedürfnis entsprechend, wird in Lobberich ein weiteres Lazarett (Notlazarett) für 100 Leichtverletzte eingerichtet. Die Militärverwaltung hat die Betten und Wäsche zur Verfügung gestellt. Es fehlen uns noch Waschschüsseln, Tassen, Teller (Emaille oder Porzellan), Messer, Löffel und Gabeln. Da diese Sachen sehr schwer zu beschaffen sind, richten wir an die Bürger Lobberichs die dringende und ergebene Bitte, überflüssige Gegenstände der vorerwähnten Art dem Notlazarett freundlichst zu überweisen. Wir bitten, die Sachen bei Frau Alex Huenges oder auf dem Rathause abgeben zu wollen. Der Verein ist auch gern bereit, die Sachen abholen zu lassen. In diesem Falle bitten wir um Nachricht. Im voraus herzlichen Dank."

Lobberich, den 18. April 1918

Der Vaterländische Frauenverein

Dieser Bitte blieb der Erfolg nicht versagt. Aus allen Teilen der Bürgerschaft wurde das Notwendigste zur Einrichtung des Notarztlazaretts herbeigeschafft. In wenigen Tagen war das Lazarett bezugsfertig eingerichtet. Im Oktober 1918 wurden die ersten Verwundeten überwiesen. Die Belegschaft betrug 80 Mann.

Weihnachtsbescherung 1914 für die Verwundeten in Lobberich.

Damit die in den Lazaretten Krankenhaus und Sassenfelder Schule untergebrachten Krieger die Weihnachtstage fern von ihren Lieben nicht glanz- und geschenklos zubringen mußten, stiftete der Lobbericher Gemeinderat einen Betrag von 150 Mark für eine Weihnachtsbescherung. Drei Gemeinderatsmitglieder kauften hübsche Geschenke ein. Die Bescherung war vom Lobbericher Vaterländischen Frauenverein und von der Gemeinde in sinniger Weise vorbereitet worden. Gegen 4 1/2 Uhr am heiligen Abend versammelten sich die Verwundeten des Krankenhauses im unteren Tagesraum, wo einprächtiger Weihnachbaum in strahlendem Lichte glänzte. Die Damen des Frauenvereins, der evangelische Pfarrer, Herr Remmert, der Begeordnete Boetzkes und einige Ehrengäste hatten sich eingefunden. Der Lobbericher Musikverein hatte in dem großen Hausflur Platz genommen und ließ zur Ermunterung der Krieger und zur Hebung der schlichten Feier seine Weisen erklingen. Mit freudestrahlenden Gesichtern suchten die Verwundeten nach den für sie bestimmten Gaben, die hübsch geordnet auf Tischen ausgelegt waren: Praktische Gebrauchsgegenstände, elektrische Taschenlampen, Brief- und Zigarrentaschen, Portemonaies usw., ferner Zigarren und Zigaretten und allerlei Süßigkeiten. Nach Absingen einiger Weihnachtslieder richtete Herr Pfarrer Remmert eine Ansprache an die Verwundeten, in der er die Bedeutung und den besonderen Charakter des diesjährigen Weihnachtsfestes betonte. Dem Danke an die Krieger für ihre Tapferkeit fügte er den Wunsch für baldige völlige Genesung an. Den schönen erbauenden Worten folgten auch die zahlreich erschienenen Gäste mit Aufmerksamkeit. Herr Beigeordneter Boetzkes übermittelte die Grüße und Wünsche der Zivilgemeinde, die es sich nicht habe nehmen lassen, den tapferen Helden in Gemeinschaft mit dem Frauenverein eine kleine Weihnachtsgabe zu spenden. In schlichten Worten dankte ein Verwunderter für die gebotene Weihnachtsfreude, für die Geschenke und die erhebenden Worte des Pfarrers. Anschließend an diese Feier begaben sich die Damen des Frauenvereins und die Gäste zum Lazarett in der Sassenfelder Schule, wo dann ebenfalls eine Weihnachtsfeier mit Bescherung stattfand. Auch hier erstrahlte im Tagesraum des Erdgeschosses ein schön geschmückter Tannenbaum im hellsten Lichterglanze. Die Feier bewegte sich in gleicher Weise wie im Krankenhaus. Der Lobbericher Musikverein war auch hier wieder zur Stelle, um die trauten Weihnachtsweisen erklingen zu lassen. Fräulein Edith Wöllner erfreute die Anwesenden noch durch einige hübsche Liederspenden, und zwei Schulkinder überreichten mit schön vorgetragenen Gedichten Erfrischungen. Die Festansprache hielt wieder Herr Pfarrer Remmert, während Herr Boetzkes sich namens der Gemeinde mit herzlichen Worten an die Krieger wandte. Ein Verwundeter sprach im Auftrage seiner Kameraden den Dank aus für die Liebe und Fürsorge, die sie in der Pflege und durch die Weihnachtsveranstaltung gefunden hatten. Dem Frauenverein, der Gemeinde, der Sanitätskolonne und allen Bürgern, die sie so zahlreich mit Liebesgaben bedachten, galt ebenfalls sein Dank. Nach einigen Musikvorträgen und gemeinschaftlichen Liedern war die Feier auch hier beendet. Fortan fand in jedem Jahr eine Weihnachtsbescherung statt.

Unterhaltungsabend zu Ehren der Verwundeten

Um den Verwunderten auch Stunden der Erholung, Unterhaltung und Aufmunterung zu bieten, veranstaltete die Gemeinde Lobberich am 6. Januar 1915 einen Unterhaltungsabend im Saale des Hotels Heythausen (Inhaber Küppers). Gesangvereine und Turnverein, die Schulen, kurz, jeder stellte seine Kräfte in den Dienst der guten Sache. Die Verwundeten wurdenan diesem Abendvon der etwa 200 Mann zählenden Jugendwehr-Kompagnie abgeholt. Der Abend, der eine schöne vaterländische Feier bot, verlief glänzend. Der Andrang seitens der Bevölkerung war so groß, daß der Saal unmöglich alle Besucher fassen konnte, und infolgedessen viele umsonst Einlaß begehrten. Der Erlös dieses Abends und die freiwilligen Gaben als Eintrittsgeld ergaben die Summe von 280 Mark, die nach Abzug der Kosten dem "Roten Kreuz" zugeführt wurde.

Weihnachtsbescherung für die Verwundeten 1917

Wie in den Vorjahren fand auch im 4. Kriegsjahre im hiesigen Vereins-Lazarett eine Bescherung der Verwundeten statt, zu der Herr Bürgermeister Eger, die Geistlichkeit beider Konfessionen, die Vorstandsmitglieder des Vaterländischen Frauenvereins, die Schwestern und weitere Gäste erschienen waren. Gemeinsame Lieder, Vorträge, Musikstücke und Sologesänge boten mannigfache Abwechslung bei dieser sinnigen Feier. Herr Kaplan Cuvellier hielt im Krankenhause, Herr Pfarrer Remmert in der Sassenfelder Schule eine Ansprache. Die Bescherung der Verwundeten war sehr reichlich. Ein Verwundeter dankte in herzlichen Worten für die vielen und schönen Gaben, wobei er besonders die große Mühe des Vaterländischen Frauenvereins und der Schwestern in der Beschaffung derselben hervorhob.

Bei dieser Gelegenheit überreichte Herr Bürgermeister Eger der Vorsitzenden des Frauenvereins, Fräulein Luzie Niedieck, die ihr für die großen Verdienste um die Pflege der Verwundeten verliehene Rote Kreuzmedaille III. Klasse.

Es erhielten u.a. dieselbe Auszeichnung die Schwester Oberin Maldonata, die Ordensschwestern Iberia, Walburgis, Zensurina, Algina,Neopola, ferner Frau Bürgermeister Eger, Frau Alex Huenges, Frau Gerhard Pelzer, Geheimrat van der Upwich und Herr Wilhelm Schmidt.

Herr Josef Krey stiftete einen Betrag von 2000 Mark zur Beschaffung eines Wagens für den vereinigten Lazarettzug. Der Wagen führte die Bezeichnung L. M. Nr. 2. In diesem Lazarettzuge war das Mitglied der Freiwilligen Sanitätskolonne Lobberich, Herr Wilhelm Schmidt, Gruppenführer.


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