Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian Lobberich 1841-1941

III. Kapitel:
Der Pfarrcäcilienchor 1920-1945

Buich S. 58

Die Dienste in einer unruhigen Zeit 1920-1945

Daß auch ein Kirchenchor auf die Herausforderungen seiner Zeit in einer Weise antwortet, zeigte der Pfarrcäcilienchor bei mehreren Gelegenheiten: Nach 1918 sang der Verein mehrmals in Gottesdiensten für die Gefallenen des großen Krieges so 1920 und 1926 anläßlich der Einweihung eines Ehrenmals durch Armeebischof Joeppen.
Als im Jahre 1926 belgische Truppen den Niederrhein räumten trat der Kirchenchor
im Rahmen eines Unterhaltungsabends auf, und ein Mitglied drückte in einer Ansprache seine Freude darüber aus, daß auch bald die Engländer die Kölner Zone räumen würden. (50)
Als die Arbeitslosigkeit 1932 einer Rekordmarke zustrebte und die Angst vor einem revolutionären Umschlag allenthalben anschwoll, leistete der Chor Januar 1932 in einer antikommunistischen Versammlung einen musikalischen Beitrag.
Nach Hitlers Machtergreifung wurde in den Jahren 1932/1934/ 1935 jeweils zum 1. Mai anläßlich des Nationalfeiertages ein feierliches Hochamt mitgestaltet, und am 6. Januai: 1936 luden der Gesellenverein und Pfarrcäcilienchor gemeinsam zu einem Abend ein, dessen Einnahmen dem Winterhilfswerk, einer von der Partei gesteuerten gemeinnützigen Aktion, zukam.
Der Chorleiter Willy Frohn hat in seinem musikalischen Jahreskalender niedergeschrieben, wie mit Beginn des Jahres 1937 die Arbeit des Chores durch die Nationalsozialisten erschwert wurde:

  • 20 1. 1937: Patrozinium:
    „Das Hochamt wird am 24. 1. sonntags gefeiert … Es fehlte an diesem Tage zum ersten Male die Blechbegleitung. Warum?"
  • 25 3 1937: Gründonnerstag:
    „… Es waren nur einige Mitglieder des Chores anwesend, es konnte nicht gesungen werden."
  • 28. 3. 1937: Ostersonntag:
    „… Die Orchesterproben werden so schlecht besucht, daß Orchesteraufführungen wohl einschlafen müssen.
  • 29. 6. 1937: Peter und Paul:
    „Primiz Pater Steeger (die Mitglieder müssen meistens arbeiten). Manche haben sich freigemacht. Zu wenig Männer für „Tu es Petrus.“
  • 11. 7. 1937:„30jähriges Ortsjubiläum des Herrn Dechanten. Alles fällt aus“
  • 14. 11. 1937: Feier des ewigen Gebetes: „3 Uhr feierliche Vesper. 3 Herren sind da."
  • Cäeilienfest 1937:
    „Morgens 8.30 Uhr feierliches Hochamt für die Lebenden und Verstorbenen des Chores
    Messe 4stimmig von Plag.
    10.30 Uhr Frühschoppen bei Dohmes ... Abendveranstaltung ist verboten. Schmitz, Bruns, Haus, Frohn mit Wagen in Kempen, zur evtl. Einrenkung (Zusatz: vermutlich bei der Kreisbehörde), doch wird Verbot nicht aufgehoben. Es wird empfohlen, nicht zu tarnen.
    Mittags 3 Uhr Spaziergang Dyck mit Ziel Thodam. Es gibt Kaffee in großen Mengen, 30 Pfg. Imbiß haben wir bei uns. Bei einem Glas Wein geht's bis zum Abend. Ab 9 Uhr Dämmerschoppen bei Haus.“
  • 25.12.1937:
    Hoch heiliges Weihnachtsfest: … „die Schwierigkeiten sind nie so groß gewesen. Mit Mühe und Not können wir die Musiker zusammen kriegen. Die Sänger und Sängerinnen sind nie so saumselig bei den Proben gewesen (besonders Hauptprobe). Nach der letzten Probe werden die Noten, weil das Gesellenhaus immer verschlossen ist,  (Hausmeister und Wirtschaft sind seit August 1937 fort), mit dem Waschkorb zum Chorleiter getragen, ebenfalls die Pauken. Es ist 12.30 nachts. An diesem Pilgerzug beteiligen sich: Bruns, Dohmes, Hennen, Hückelhoven, Thodam und Winkels. Alle Schwierigkeiten werd en wieder überwunden und die neue Messe, 9te von Faist, klappt ganz schön."
  • St. Sebastian 1938
    „Mater admirabilis" von Griesbacher. Am Schluß der Messe St. Sebastianus Lied ohne Musik. … Die Leute dürfen nicht mehr in der Kirche spielen. (Zusatz: Zu Ostern spielte dann doch wieder das Orchester. Jeder Musiker erhielt erstmals 3 Mark).
Das Jahr 1938 scheint im ganzen ruhig verlaufen zu sein, jedenfalls bereiteten die vereinigten Lobbericher Chöre Bischof J. Vogt bei seinem Besuch in der Pfarre am 17. September einen großartigen Empfang. Die Männergesangvereine „Frohsinn”, „Hoffnung“, „Eintracht Dyck" und der Kirchenchor vereinigten sich zu einer Serenade - der alte Männergesangverein mit Gemischtem Chor bestand seit 1933/34 nicht mehr.
  • 25. 12. 1938:„4-4.10 Uhr versagt das Licht, dann haben wir Licht während der halben Strophe „Heiligste Nacht” bis zur Epistel, dann 3 Minuten Dunkelheit. Vom Kyrie an ist Licht bis zum Schluß.“ (Eigener Zusatz: Man traute es Parteistellen zu, daß sie bei solcher Gelegenheit die Hand im Spiel hatten).
  • 6. 1. 1939: Dreikönige: „Alles muß arbeiten."
  • 1939: Weißer Sonntag: „Abholen der Kinder an der Alten Kirche. Die Musik macht nicht mit. Auf der Straße große Leere. die Kirche nur halbvoll. Der Chor singt auf der Straße."
  • 6. 6. 1939: Fronleichnam: „Es wird gearbeitet“
  • 11.6. 1939: „Die Prozession zieht den neuen Weg. Durch den Ort ist verboten."
  • 30. 9. 1939 „Die Glocken läuten abends zum letzten Mal." (Eigener Zusatz: Sie blieben dann freilich bis nach Weihnachten stehen).
Der Krieg hatte begonnen (1. September 1939). Im Januar war das Gesellenhaus mit Soldaten der Westarmee belegt. Die Probearbeit für Ostern ruhte, bei der Generalprobe waren 23 Damen und Herren anwesend. Mehrere Mitglieder trugen den grauen Rock und standen im Felde. Neue Widrigkeiten stellten sich ein: Vermutlich wegen drohender Fliegergefahr fand 1940 die Mette bereits am Heiligen Abend um 17 Uhr statt. 1941 fiel die Fronleichnamsprozession aus. Allerheiligen war normaler Arbeitstag, zum „Ewigen Gebet“ im November halfen die Ordensschwestern des Marienhospitals aus. Vor Ostern 1942 traf die Nachricht vom Kriegertod des Mitgliedes Heinz Strucken ein. Johannes Fritz, seit dem Tode von Josef Bruns im Jahre 1940 Vereinsvorsitzender trat 1942 aus „Gewissensgründen" aus dem Chor aus. Matthias Hennen (1. Vorsitzender) und Josef Zanders (2. Vorsitzender) übernahmen die Vereinsführung. (51). Eine kleine Vereinsfeier im Sommer desselben Jahres wurde abends frühzeitig abgeschlossen, denn „Lichtschem, der durch die verdunkelten Fenster fiel, zwang uns ... "
  • Ostern 1943: Die Kinderkommunion wurde auf den 1. Ostertag verlegt. Am 2. Festtag sang der Chor die Messe „O crux, ave” von F. Nekes, dabei halfen Sänger der Männergesangvereine „Hoffnung“ und „Frohsinn“ aus.
  • 31. '3. 1943: Beerdigung des früheren Präses Dechanten und Domkapitulars Heinrich Boers, der am 18. Mai 1941 durch Pastor Matthias Schmelzer in der Verantwortung für die Pfarre abgelöst worden war.
  • 25. 12. 1943: Messe: „O crux, ave” mit neueingeübtem „Credo".
  • 1944: Pfingstmontag: Das Hochamt muß wegen eines Fliegeralarms ausfallen.
In diesem Jahr fand zu Ehren der Patronin der Kirchenchöre nur eine kleine Feier statt. Die Front rückte an die Maas heran.
Vor Weihnachten nahm die Bedrohung aus der Luft ständig zu. Eıne Probe fand bei Kerzenlicht oberhalb der Sakristei im Paramentenzimrner statt.
  • 24. 12. 1944: Die Frontlinie war etwa 20 km entfernt, als 55 Damen und Herren eine mehrstimmige Messe sangen..
    Auch in den ersten Monaten des neuen Jahres wurden die Übungstunden im Paramentenzimmer fortgesetzt.
  • 19. 2. 1945: Niedergang einer fehlgeleiteten Rakete (V 1) im Ortszentrum. Viele mußten sterben. Die Kirche wurde stark beschädigt
  • 1. zum 2.3. 1945
    Das Gotteshaus wurde durch 20 Artilleriegeschosse getroffen, die Orgel beschädigt Aus dem Kirchenschiff konnte man den Himmel und die Wolken sehen.
  • 2. 3. 1945:
    Amerikanische Truppen rückten in Lobberich ein. Sobald die Ausgangsbeschränkung gelockert wurde, begann die Vorarbeit auf das Osterfest.
  • 1. 4. 1945: Ostersonntag:
    Zum ersten feierlichen Gottesdienst nach dem Einmarsch sang der Chor die 9. Messe von Dr. Faist.

Die voraufgegangene Zeit hatte Wunden geschlagen. Obwohl der Verein keine aktiven Nationalsozialisten in seinen Reihen gehabt hatte, gingen die Jahre nicht spurlos vorüber. Der frühere Vorsitzende mußte ein schriftliches Aufnahmegesuch an den Vorstand richten um wieder Mitglied zu werden. Er tat es, wurde wieder Chorsänger, und zwar ein sehr zuverlässiger. 1948 wurde er sogar noch einmal für 1 Jahr Vorsitzender. Er trat zurück, als vor allem jüngere Mitglieder wegen seiner politischen Vergangenheit darauf drängten. Die Zusammenarbeit im Verein nahm keinen Schaden…

Hans Strucken, Willy Frohn junior und Gerd Didden mußten im Krieg ihr Leben lassen.


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