Kirche Bauen - Gemeinde bilden

zur Beziehung von Architektur, Kunst und Liturgie im Leben katholischer Pfdarrgemeinden

(Anja Künzel)

LOBBERICH
Pfarrgemeinde St. Sebastian

Titel

1. Im Überblick: Die Gemeinde heute

Die Stadt Lobberich ist eine der ältesten Siedlungen am Niederrhein und liegt, umgeben von einer Reihe mehrerer Seen, im Naturpark Schwalm-Nette nahe der holländischen Grenze. Für Fremde aus dem näheren Umland ist die Stadt ein beliebter Erholungs- und Einkaufsort. Seit 1970 ist die vormals selbständige Stadt durch Kommunale Neugliederung mit den Orten Breyell, Hinsbeck, Kaldenkirchen und Leuth zur Stadtkommune Nettetal mit nun 37.000 Einwohnern auf einer Fläche von insgesamt 84 km zusammengefasst worden. Eine Auswirkung dieser Neugliederung ist beispielsweise die Verbesserung erzieherischer (Kindergärten), berufsfortbildender (Schulen), erwachsenenbildnerischer (VHS) wie auch freizeitgestalterischer Möglichkeiten. Ehemals vorwiegend agrarisch ausgerichtet, entwickelte sich Lobberich in den letzten 150 Jahren zu einer zunehmend industriell orientierten Gemeinde (Textil-, Stahl-, Automobilindustrie). Viele Menschen pendeln darum beruflich nach Lobberich. Die Besiedlung des Ortes hat nicht nur im Ortskern entsprechend zugenommen: Über 50 % aller Wohnhäuser wurden nach 1950 gebaut. Heute hat die Stadt selbst ca. 10.000 Einwohner und verfügt über 4.000 Wohnungen in 2.500 Wohnhäusern. Die Besiedlung und Bebauung orientiert sich einerseits am Ortskern, schließt sich andererseits aber auch konzentrisch an diesen an. Auch Lobberichs städteplanerische Anlage mit den zwei Schwerpunkten um Alte (Rathaus und Markt) und neue Kirche (Einkaufsstraßen) (490) bildet darum einen attraktiven Anziehungspunkt.

Die Pfarrei St. Sebastian zählt knapp 8.500 Katholiken, eine Gemeinde mit vielen Neuzuzügen und noch relativ vielen Jugendlichen (491). Sie erweckt mit ihrer großen Zahl an verschiedenen Gruppen, Kreisen und Vereinen den Eindruck einer lebendigen Stadtgemeinde. 17 % der Ansässigen besuchen die sonntäglichen Gottesdienste der Gemeinde. Allein etwa 700 Jugendliche sind in solchen registriert, seien dies z.B. die Messdiener, das Jugendheim "Arche" mit seiner Offenen Tür, KJG, Kolping, die Sebastianus-Schützenbruderschaft, DPSG, Malteser Hilfsdienst (die mithin stärkste Gruppe der Diözese). Diese und viele andere (492) wissen sich von ihrem Pfarrer unterstützt. .

Regelmäßige kirchenmusikalische Aufführungen des Kirchenchores St. Sebastian, Konzertzyklen des Förderkreises Kirchenmusik sowie Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen mit der Orgel bereichern das Programm der Pfarrei St. Sebastian. Soziale Brennpunkte gibt es in Lobberich kaum. Einige Wohncontainer für Asylbewerber und Aussiedler sind erst vor kurzem (1992/93) aufgestellt worden . (493)

Die Lobbericher, seien dies die wenigen Bauern mit einem noch tief verwurzelten Glauben oder die jüngeren unter ihnen Techniker, Angestellte, Akademiker - geben sich überwiegend stolz auf ihre Kirchen und ihre Gemeinde. Aber auch hier bleibt die Zeit nicht stehen. Die Gottesdienstbesucherzahlen nehmen ab, die Kommunikation unter einander wird schwieriger Fast aussichtslos erscheint es, Neue für die Pfarrarbeit zu gewinnen. Die Jugendlichen unter zwanzig Jahren haben oft keinen Bezug zur Liturgie mehr, die Generation der 25-40jährigen ist kaum mehr ansprechbar

2. Lobberichs Anfänge

Der Name "Lobberich" ist, so wird vermutet, entweder aus der örtlichen Geographie zu erklären und leitet sich dann aus dem Wort "Ludbrug" (oder Lubbrug) ab, was soviel wie "Bruch an der Leuth" bedeutet (494) , oder aber hat seinen Ursprung in der Niederlassung der Familie eines sog. Römers namens Lupercus ("Luperiacum"). Die erste schriftliche Erwähnung Lobberichs wird heute auf das Jahr 988 angesetzt. (495)

3. Die Entstehung der Gemeinde

Die Anfänge der Kirchengemeinde liegen im Dunkeln, da die meisten Urkunden ihre Existenz bereits voraussetzen. In der Zeit der fränkisch-merowingischen Könige (5./6. Jh.) hielt das Christentum seinen erneuten Einzug ins Abendland. Die Missionierung in der Gegend der heutigen Stadt Nettetal wurde dabei durch die Bischöfe von Maastricht, wahrscheinlich besonders durch Amandus (496) (647-680) vorangetrieben.

Ein ernstzunehmenderer Hinweis für die genaue Entstehung der Gemeinde stellt ihr Patronat des Hl. Sebastianus dar. Dieses Patronat wurde "importiert": Sebastianusreliquien gelangten durch Rompilger - Äbte und Bischöfe - im Jahre 826 nach Frankreich, und von dort über Köln nach Lobberich (welches damals im Kölner Archidiakonat Xanten lag). In den darauffolgenden Jahren oder Jahrzehnten dieser Reliquienwanderung ist dementsprechend die Gründung der Lobbericher Pfarrei anzusetzen. (497) Die Gemeindepfarrer wurden bis in das Jahr 1841 durch das Prämonstratenserkloster Knechtsteden gestellt, dem das Patronatsrecht von den Grafen von Maubach durch Schenkung übertragen worden war.

Diverse Urkunden bezeugen, dass die Vikarie zu Lobberich durch eine Stiftung der Eheleute Johann von Besell und Katharina von Bocholz am 25. Juli 1471 errichtet und den Heiligen Antonius, Fabianus und Sebastianus geweiht wurde. Im Jahre 1505 verlieh der Herzog von Geldern dem "Kirchspiel" (= der Gemeinde) Lobberich das Recht für 3 Kirmessen. (498) Zuerst zählte Lobberich zum Erzbistum Köln, bis es, wie erwähnt, zu Ende des 10. Jh. an die Diözese Lüttich abgetreten wurde. Seit 1561 gehörte es dann zum neuerrichteten Bistum Roermond. 1802 wurde es mit der Neueinteilung der Bistümer der Diözese Aachen zugewiesen und nach dessen Auflösung 1821 Teil des Bistums Münster (499). Seit der Wiedererrichtung im Jahre 1930 gehört Lobberich nun erneut zum Bistum Aachen, zuerst im Dekanat Lobberich, seit 1973 im Dekanat Nettetal-Grefrath (500).

4. Die alte Kirche

Inneres der Alten Kirche
Abb. 4: Alte Kirche

Die Gestalt der ersten Kirche Lobberichs ist heute nur noch erahnbar. Mauerreste an der heutigen Alten Kirche Lobberichs (im Choransatz) rühren von einem Vorgängerbau aus dem 12. oder 13. Jh. her. Aus dieser Zeit stammen noch der romanische Taufstein (das derzeit älteste erhaltene Denkmal Lobberichs) sowie ein romanisches Altarkreuz. Zumindest weist all dies darauf hin, dass die Wurzeln der Pfarre Lobberich tatsächlich im Ort selber zu finden sind. Aber auch dem nachweisbaren Bau des 12./13. Jh. geht noch ein Holz- oder Fachwerkbau voraus. Ein solcher Bau war für neu gegründete Pfarreien zunächst durchaus üblich. Der heutige Standort der Alten Kirche Lobberichs wird mit dem Ort dieser Vorgängerbauten identisch sein. (501)

Die alte gotische Pfarrkirche Lobberichs, mit Ausnahme zweier später angefügter Seitenjoche noch in ihrer Ursprünglichkeit erhalten, stammt aus dem späten 14. bzw. frühen 15. Jh. und wurde zunächst ausTuffstein (Turm: Backstein) erbaut. Drei Bauperioden sind an ihr nachweisbar. (502) Der fünfseitig geschlossene Chor mit angebauter Sakristei, das zweijochige Langhaus und das Querschiff in einer Höhe sind die ältesten Bauteile der Kirche. Daraufhin wurde der dreigeschossige, mit einem fünfseitigen Treppentürmchen versehene Turm aus Backstein vor das Mittelschiff gesetzt.

"Die alte Kirche hatte ursprünglich eine fast reine Kreuzform, wenn man von zwei heute nicht mehr bestehenden niedrigen Jochen vor den Kreuzarmen der Kirche absieht. Erst im Jahre 1818 wurden diese niedrigen Joche niedergelegt und die Kirche an jeder Seite um mit dem Mittelschiff gleich hohe Seitenjoche erweitert. Der ehemals freistehende Turm wurde damit in den Kirchbau einbezogen ." (503)

Die alte Kirche war während der vorangegangenen Jahrhunderte vielfachen Notzeiten und Kriegen ausgesetzt gewesen (504). In den Jahren zwischen 1704 und 1711 bekam sie mit der Neuausstattung und Renovierung ein barockes Bild (505). Der Chor erhielt ein Spiegelgewölbe (mit Stuckverkleidung), in den Turm wurde eine Orgel mit Sängertribüne eingebaut und das Kreuzgewölbe (Birnstabprofil) des Mittelschiffes ebenfalls durch eine flache Decke ersetzt. Die mittleren Chorfenster wurden vermauert, das Sakramentshäuschen, das schon 1532 Erwähnung fand, wurde abgebrochen. 'Die Inventaria sind fast alle noch erhalten und heute, soweit sie nicht in der Kirche selbst stehen, im Pfarrarchiv zu sehen. (506) Kirchhelm und Geläut mussten 1769 erneuert werden, als Dach und Helm durch einen Blitzschlag in Flammen aufgingen. Diese Glocken, 1895 dann in die neue Kirche überführt, wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen.

Als die Kirche 1818 erweitert wurde, erhielten die neuen Joche der Seitenschiffe quergestellte Walmdächer. Diese Erweiterung der Architektur der alten Kirche von einer Kreuzesform zu einer Hallenkirche war durch die im Zuge der wirtschaftlichen Expandierung der Gemeinde ansteigende Bevölkerungszahl Lobberichs notwendig geworden. Noch ahnte man nicht, dass fünfzig Jahre später die Kirche sich trotz ihrer Länge von knapp dreißig Metern und einer Breite von fast zwanzig Metern nochmals als zu klein für die ganze Gemeinde erweisen würde. (507)

Grundriss Alte Kirche

Grundriss Alte Kirche

Erweiterung oder Neubau?

Erste Gedanken über eine erneute Erweiterung der Kirche sind schon für die 70er Jahre in den Unterlagen des damaligen Pfarrers greifbar. Wohl aber waren die Planungen noch nicht so ausgereift, dass sie den Pfarrmitgliedern plausibel genug erschienen. Anfängliche Kollekten versiegten daher zunächst wieder (1874). 1875 wurde im Hinblick auf eine Erweiterung der Alten Kirche der "Bauverein zum Hl. Sebastianus" gegründet, "dem wohl fast die ganze katholische Pfarrgemeinde angehörte". (508) Ganz abgesehen von innergemeindlichen Unstimmigkeiten sowie den Schwierigkeiten, die der Kulturkampf für eine Kirchengemeinde mit sich brachte (509), bereitete die Platzfrage große Probleme, da an eine Erweiterung schon bald nicht mehr zu denken war und einzig der Neubau einer Kirche die Raumnot der Gemeinde zu lösen vermochte. Die Fläche einer neuen Kirche musste mehr als viermal so groß wie jene der alten sein und ca. 6.000 Kirchenbesucher fassen können. Da die alte Kirche damals nicht für künstlerisch wertvoll gehalten wurde, erwog man sogar, diese abzureißen; allerdings reichte der freiwerdende Bauplatz für eine neue Kirche der genannten Größe ohnedies nicht aus. Die Mehrzahl der Gemeindemitglieder entschied dann für den sog. "Platz an der Linde" am damaligen Ortsrand. Dort sollte die neue Kirche gebaut werden.

Die Kölner Architekten Rüdell & Odenthal gewannen nach Ausschreibung im Jahre 1890 den Wettbewerb mit einer für 10.000 Besucher bemessenen Kirche. Sehr schnell ging die Arbeit voran, so dass schon 1891 die Grundsteinlegung stattfinden konnte, für die eine weiße Marmorplatte aus den Märtyrergräbern der römischen Katakomben verwendet wurde. (510)

Der Bau der Neuen Kirche erwartete von jedem der Pfarrmitglieder für die nachfolgenden drei Jahrzehnte persönliche Opfer und wurde zu für alle gleichen Prozentsätzen mit der Steuer eingezogen. Niemand widersprach dagegen. (511) Die für diese Opferbereitschaft wichtige Identifikation der Lobbericher mit dem Neubau musste natürlich auch damals schon besonders gefördert werden.

"Am Sonntag und Montag [der Lobbericher Frühjahrskirmes 1892], so verspricht eine Anzeige des Pfarrers, sind die neue Kirche und der Platz in unmittelbarer Umgebung in der Zeit von 15-18 Uhr für Besucher geöffnet. Mit sicherem Instinkt nimmt er die Gelegenheit wahr, die Familien der Pfarre, in Festtagsstimmung und ohnehin zahlreich auf den Beinen, äußerlich und gefühlsmäßig an "ihre" neue Pfarrkirche heranzuführen. Die lange vermisste räumliche Großzügigkeit, die ersichtliche und erahnbare Schönheit des Bauwerks und nicht zuletzt das Bewusstsein, dass dies alles mit erheblichen Opfern der Gläubigen für ungezählte folgende Generationen (512) geschaffen wurde, ist geeignet, jeden einzelnen mit Stolz zu erfüllen. Hier wächst die Identifikation mit der neuen Kirche." (513)

Dies in einer Zeit, in der sich Lobberich im Aufstieg befand, die junge Industrie Wohlstand ins Dorf brachte und den Bürgersinn von Eingesessenen und Neuzugezogenen wachsen ließ. Von diesem Lebensgefühl spricht der "Lobbericher Dom" noch heute. Mit dem Wunsch, das neue Gotteshaus möge ein Quell der Gnade und ein Haus des Friedens sein, konnte die neue Pfarrkirche St. Sebastian am 15. Oktober 1893 mit vielen Gläubigen aus dem ganzen Lobbericher Umland feierlich eingeweiht werden.

Der Verbleib der alten Kirche

Die Alte Lobbericher Pfarrkirche verfiel nach der Fertigstellung des Neubaus im Jahre 1893 immer mehr aufgrund ihrer mangelnden Nutzung. Man dachte daran, sie abzureißen, was allerdings durch eine gemeinsam mit dem Pfarrer unternommene Bürgerinitiative dem definitiven Beschluss im Jahre 1898 zum Trotz verhindern werden konnte. Der Versuch, die Kirche der Nachwelt zu erhalten, war erfolgreich.

Ein "Verein zur Erhaltung der alten Kirche" arbeitete mit Kräften an der Instandsetzung der Kirche, die in den Jahren von 1898 bis 1902 an Turm, Dächern, Fenstern, Innengewölben, Chor, Sakristei sowie den Ausstattungsgegenständen vollendet werden konnte. Fortan diente die alte Kirche bis zum Zweiten Weltkrieg als Schulkirche. Im Krieg wurde sie dann fast bis zur Ruine zerstört. (514) Innenausstattung und Gewölbe waren stark zerstört und der Turmhelm abgebrannt, nachdem am 19. 2. 1945 eine fehlgeleitete V 1-Rakete der Deutschen nahe der alten Kirche niedergegangen war. Eine Woche später wurde die alte Kirche durch amerikanischen Artilleriebeschuss fast vollständig zertrümmert.

1949 gründete man in St. Sebastian einen Verein zur Erhaltung der alten Kirche. Spenden und Zuschüsse von Kirche und Land ermöglichten von da an, die Restaurierung an der alten Kirche wieder in Blick zu nehmen.

Ende der 60er Jahre richteten Mitglieder der katholischen Lobbericher Jugend die alte Kirche für die Feier von Jugendmessen provisorisch wieder her, fuhren "karrenweise Schutt aus der Alten Kirche" und klopften gemeinsam mit den Jugendlichen ihrer neuen französischen Partnergemeinde Caudebec-en-Caux den schadhaften Putz von den Wänden.

"2. 7. 1968: Nach 23 Jahren wird zum erstenmal in der Alten Kirche ein Gottesdienst gefeiert. An ihm nehmen auch 28 Jungen und Mädchen aus Caudebec-en-Caux teil. Kaplan Klußmeier stellt den jungen Menschen den Inder Mahatma Ghandi und den ermordeten ... Martin Luther King vor... " (515)

Seit 1969 finden in der alten Kirche monatlich Jugendmessen statt, die ihre ursprünglichen" von der Ausstrahlung der "Jongerenkerk" aus Venlo empfingen . Auch die griechischen Mitbürger feiern seit 1972 ihre Gottesdienste in der alten Kirche. Seit 1990 finden außerdem regelmäßig Singspiele in der Kirche statt. Die Instandsetzungen an der alten Kirche wurden nach 1985 im Hinblick auf die 1000-Jahr-Feier Lobberichs weiter fortgesetzt. Die Innensanierung der alten Kirche dauert bis heute an und wird je nach finanziellen Möglichkeiten ständig fortgesetzt. Die Außenarbeiten (Putz, Farbanstrich, Anbau einer Sakristei) sind weitestgehend abgeschlossen.

Im Vergleich zur neuen Kirche scheint die alte Kirche in ihrer Ruinenhaftigkeit nur noch ein stiller Zeuge vergangener Jahrhunderte zu sein. Allerdings ist gerade dieser Raum ein ausdrucksstarkes Bild, das als Glaubenszeugnis früherer Zeiten in die Gegenwart der Gemeinde hineinspricht, ihr heutiges Selbstverständnis anfragt und nicht zuletzt die Erinnerung an die Aufbrüche der 60er Jahre wach hält. Seine künstlerische Bedeutung entsteht aus dem Nebeneinander von barocken und (neu-)gotischen Elementen, denen neuere Zutaten nur auf äußerst sparsame Weise hinzugefügt wurden, um die notwendigsten Funktionen für die sich hier versammelnde Gemeinde zu erfüllen (z.B. Zelebrationsaltar, Klappstühle, Klavier, Lesepult).

Neue Kirche
Abb. 1: neue Kirche von Osten

5. Architektur und Ausstattung der neuen Kirche

Die Architekten Rüdell & Odenthal bauten eine neuromanische Backsteinbasilika [Abb. l] im gebundenen System mit vierjochigem Langhaus, Querschiff, Chorjoch im 5/8Schluß [Grundriss]. Den Ostgiebel flankieren zwei sechzig Meter hohe dreigeschossige Türme. Ihre vier Seiten enden in spitzen Giebeln, über denen sich je ein achtseitiger, schlanker Helm erhebt. Im Winkel zwischen Chor und Querschiff befinden sich zwei viergeschossige Türme, die im vierten Geschoss ins Achteck übergehen und in Faltdächern enden; an sie schließt sich auf jeder Seite eine geräumige Sakristei an.

"Das Schwerfällige, was sonst vielen romanischen Kirchen alter Zeit anhaftet, ist glücklich vermieden worden, ohne dass die Kirche ihren monumentalen Charakter verliert.

Das erkennt man schon an den beiden Haupttürmen, deren Dachstühle nach dem Muster der St. Bernhard-(Münster-) Kirche in Roermond konstruiert sind. Die Türme selbst erheben sich auf quadratischer Grundfläche und teilen sich ... in 4 übereinanderliegende Stockwerke. In denselben befinden sich Bogenblendungen und Bogenfriese, in den oberen Etagen reich gegliederte Arkaden- und Fenstersysteme, so dass dadurch eine wesentliche Lichtung des Mauerwerkes von unten nach oben erzielt und den Türmen eine gewisse Eleganz verliehen wird." (517)

Der Weg ins Innere der Kirche führt durch das Hauptportal, das sich mit seinen Kapitellen und der Bogenlaibung in typisch romanischer Formgebung zeigt. Das Portal wurde in jüngster Zeit neu gestaltet.

In ihrem Innern war die neue Kirche bei ihrer Einweihung bei weitem noch nicht vollendet. Vor allem fehlten die Ausmalung, (518) ein Teil der Fenstergestaltung sowie eine ausreichende Beleuchtung. Zunächst musste man sich auch noch mit einer provisorischen Orgel und einem ebensolchen Altar begnügen. Die drei Mittelfenster des Chores, die zwei Rosetten des Querschiffes, die zwei größeren (Gottesmutter und Josef) und zwei kleineren Altäre (Herz-Jesu und Gottesmutter), Bänke, Beichtstühle und Kommunionbank aus Marmor waren indes vorhanden. Der Innenraum misst eine Länge von fünfzig Metern bis zur Chorwand, eine Breite von etwa dreißig Metern im Querschiff und eine Höhe von zwanzig Metern im Mittelschiff. Säulengalerien verzieren die Wandflächen des Hauptschiffes. Schmale schwarzpolierte Pfeiler und Säulen aus Granit lassen von fast jedem Platz einen freien Blick auf den Altar zu.

Grundriss neue Kirche

Grundriss Neue Kirche

Neue Kirche Innen
Abb. 2: Innenansicht nach Renovierung und Innenausmalung 1987-1990
mit Altarraumgestaltung von 1976 (Zelebrationsaltar mit Baldachin, Tabernakel und Ambo)

Altarraum Neue Kirche
Abb. 3: Altarraum der neuen Kirche

Drei Fensterrosen, im Norden und Süden des Querschiffes sowie im Osten über der Orgelempore wurden im französischen Kathedralstil gestaltet. (519) Diese sowie alle anderen Fenster (Mittel- und Seitenschiff) waren Werke des Kevelaerer Künstlers Friedrich Stummel (520). Sie wurden im Zweiten Weltkrieg ausgelagert bzw. vor allem jene an der Kirchensüdseite, zerstört.

Das Erdgeschoss des linken (südlichen) Hauptturmes barg damals die Taufkapelle mit dem alten romanischen Taufstein aus der Alten Kirche, der Chor des rechten (nördlichen) lud zu persönlichem Gebet ein (Oratorium).

Über dem Haupteingang, zwischen den beiden Türmen, befindet sich für Sänger und Orgel eine eingezogene Tribüne. Der Hochaltar stellte den Leidensweg Christi in vier Bildern dar (Ölberg, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuzigung).

6. Veränderungen der neuen Kirche bis 1970

Im Jahre 1901 trat zu der bestehenden Innenausstattung der Kirche eine Kanzel und einige Jahre später ein Baldachin als eine Nachbildung aus dem Mailänder Dom (521)hinzu.

"Die Kanzel nebst Treppe ist vollständig aus verschiedenfarbigem Marmor hergestellt, ... hochelegant in romanischem Style ausgeführt und präsentiert sich dem Auge des Beschauers als ein ganz hervorragendes Meisterwerk der Kunstarbeit." (522)

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Schäden vor allem an der Südseite der Neuen Kirche (ebenso aber auch Dach und Orgel) unter Leitung des Architekten Arno Schmitter relativ bald behoben werden. Im März 1949 hielt man die erste Kollekte für die Instandsetzung der Neuen Kirche. Bauarbeiten am Äußeren und Inneren der Kirche konnten beginnen. 1951 wurde in diesem Sinne der "Kirchbauverein Lobberich" gegründet. Noch im selben Jahr erhielt der Glaskünstler Josef Strater den Auftrag, die Fenster der Kirche zu gestalten. (523) Sie wurden 1953/54 eingesetzt. Noch fehlte aber die nördliche Rosette der Kirche. Die Presse bewertete die Gestaltung dieser Fenster unterschiedlich. (524) Das letzte Fenster, die nördliche Rosette, wurde erst nach dem Tode Josef Straters im Dezember 1970 durch dessen Sohn vollendet und in der Neuen Kirche eingesetzt (Christus als der Lehrende und Wirkende) (525) .

Im Jahre 1957 erklang zum ersten Male nach dem Krieg wieder ein vollständiges Geläut von vier Glocken im nördlichen Hauptturm. Zwei Glocken (Dreifaltigkeits- und Sebastianusglocke) waren neu gegossen, die zwei anderen Glocken (Marien- und Josefsglocke) aus dem Jahre 1923 wiederaufgefunden worden, (526) Auch konnte die Gemeinde eine neue Orgel anschaffen. Ein 53-registriges Instrument mit 3.882 Pfeifen wurde am 29. 10. 1967 in der Neuen Kirche eingeweiht und löste nun die alte, im Krieg beschädigte Klais-Orgel ab. (527) Mit ihrem sehr schlicht gehaltenen Prospekt fügt sie sich harmonisch in die Architektur ein, wobei sie den Blick auf die Ostrosette freilässt.

7. Die Altarraumumgestaltung von 1976

Eine Umgestaltung des Innenraumes der Kirche von Lobberich war schon Anfang der 70er Jahre vor Ankunft des neuen Pfarrers vorauszusehen gewesen.

"Prälat Stephany, Kunstverständiger der Diözese, macht Vorschläge für die Neugestaltung des Kircheninneren... Die vorhandene Kanzel und Kommunionbank sollen abgetragen werden. Das wertvolle Material kann anderswo verwendet werden... Der Zelebrationsaltar müsste weiter vorgezogen werden; d.h. etwa bis zum rückwärtigen Bogen der Vierung... Parallel zu den Vorüberlegungen für die Neugestaltung des Kircheninneren läuft die Planung für den Bau des Pfarrzentrums." (528)

Bereits mit Dechant Werth wurde in der Gemeinde darüber nachgedacht, wie weit die Änderungen des Innenraumes der Liturgiereform des Konzils entsprechend gehen sollten. Prälat Stephany hielt Kommunionbank und Kanzel für entbehrlich, allerdings nicht den Baldachin. Mit seinem Amtsantritt in der neuen Gemeinde im Jahre 1973 legte der neue Pfarrer einer Pfarrversammlung, zu der er eingeladen hatte, erste Pläne für die Umgestaltung des Altarraumes der Pfarrkirche vor, die in Zusammenarbeit mit dem Architekten Arno Schmitter entstanden waren. (529)Dieser hatte nach Ende des Zweiten Weltkrieges auch die Pfarrkirche renoviert. Die Vertreter der Gemeinde akzeptierten die von ihrem neuen Pfarrer mit dem Künstler Paul Brandenburg ausgearbeiteten Pläne. Kommunionbank und Kanzel wurden daraufhin entfernt, der Hochaltar unter dem Baldachin ausgelagert. Der Baldachin selbst hingegen blieb. Der Altarraum erhielt daraufhin ein neues Gesicht. Konzept und Gestaltung wurden der Gemeinde im April 1976 durch den Künstler selbst nahegebracht.

Konzept und Gestaltung

Anliegen des Künstlers war, den Raum der Neuen Kirche in Einklang mit ihrer vorgegebenen Architektur liturgiegerecht zu gestalten. Der Herbheit des neoromanischen Raumes [Abb. 2] suchte er durch die Verwendung von Würzburger Muschelkalkstein bei der Gestaltung von Altar, Ambo, Tabernakel, Seitenaltar und Sedilien sowie der Rückwand des Vesperbildes zu entsprechen; Kredenz, Standkreuz, und Osterleuchter wurden aus Bronze gefertigt [Abb. 3]

Der Altar, ein vierbeiniger Tischaltar, wurde aus dem Stein herausgehauen und -gemeißelt, ohne dass diese Arbeitsspuren beseitigt werden sollten. Die Ecken wurden abgeschrägt, die Platte einzeln auf die Stützen aufgelegt. Der Ambo, aus gleichem Material wie der Altar, erhielt durch die zusätzliche Verwendung von Bronze eine gewisse Leichtigkeit. Standort und Größe wirken neben den anderen liturgischen Funktionsorten angemessen. Der Tabernakel aus Bronze, ein aus Muschelkalkstein stilisierter Dornbusch, wurde an die Stelle des alten Hochaltares unter den traditionell in der Fronleichnamsprozession verwendeten Baldachin gesetzt (530) und erinnert hier an die Gegenwart Gottes. Da der Baldachin erhalten bleiben sollte, entstand hierdurch zwangsläufig eine starke Konzentration auf den Tabemakel. Das Altarkreuz, bewusst nicht in der Achse positioniert, greift in seinem Kreuzesbalken diese Flammenformen des Tabernakels wieder auf und stellt den leidenden Christus dar Auch die drei Sedilien wurden in Muschelkalkstein gearbeitet. Der alte romanische Taufstein wurde von seinem romanischen (aber nicht ursprünglich ihm zugehörigen Sockel) getrennt und im linken Seitenchor auf einen neuen Sockel aus Muschelkalksandstein gesetzt. Dort liegt er mitten im Blickwinkel der Gemeinde und rückt so die Bedeutung der Initiation ins Bewusstsein. Auch Tauffeiern in kleiner Gemeinschaft können hier sehr gut stattfinden.

Der romanische Sockel bildet nun die Basis eines Seitenaltares im nördlichen Seitenchor, der im wesentlichen die Form des Hauptaltares aufnimmt. Hier können Werktagsmessen auch bei geringer Besucherzahl gesammelt gefeiert werden. An der Nordwand des Längsschiffes befindet sich heute die gotische Pietà (eine Parler-Arbeit, etwa um 1400) an der Stelle des alten Seiteneingangs, der zugemauert und mit einer Reliefwand aus Muschelkalkstein und Glas versehen wurde.

"Es war also unser Ziel, eine Ordnung in die Kirche zu bringen, anfangend vom Fußboden, der in der Farbe mit der ganzen Kirche zusammenklingt. Das Grau geht mit dem Grau der Säulen zusammen, mit dem Bronzeton, der in der Politur zusammengeht mit dem Goldton ihres Baldachins und mit dem Goldton der beiden Altäre ... dass wir also dadurch eine große Einheitlichkeit bekommen, und dass dadurch der Raum der Liturgie groß wird, weit wird und einheitlich wird. " (531)

8. Restaurierung der Pfarrkirche (1987-1990)

In den Jahren 1987 bis 1990 musste die Pfarrkirche einer statischen Sicherung und Sanierung unterzogen werden. Steine des Innengewölbes hatten sich gelöst und ließen bevorstehende schlimmere Schäden befürchten. Völlig unvorbereitet stand die Gemeinde daher plötzlich vor einer verschlossenen Pfarrkirche - und dies für fast dreieinhalb Jahre. Die alte Kirche wurde soweit hergerichtet, dass sie die Gemeinde für ihre Gottesdienste aufnehmen konnte. Freilich war es dort sehr eng, jedoch mit dem Nebeneffekt, dass durch Improvisationsgeschick und guten Willen das Gemeinschaftserleben und die alte Kirche aus diesen Jahren bis heute manchen noch in Erinnerung sind.

Unter Leitung des Architekten Heinz Dewey wurde die neue Kirche innen gesichert und gleichzeitig völlig neu ausgemalt. Zunächst griff man den Vorschlag der diözesanen Bauabteilung auf, die Ausmalung der Kirche qua Wettbewerb an Studenten der Kölner Kunstakademie zu vergeben. Da die von dort eingegangenen Vorschläge der Gemeinde allerdings zu modern, vielleicht auch nicht ausgereift genug waren, knüpfte man Kontakt mit einer Essener Malerwerkstatt, die daraufhin eine etwas liberalere (allerdings nicht historisierende) Ausmalung entwickelte, deren byzantinisierender Sti1 (532) zunächst gewöhnungsbedürftig ist. Die italienischen Züge der ursprünglichen Innenausstattung aber sind nahezu verschwunden.

Im Jahre 1990 folgte, trotz mancher gegenläufiger Stimmen und Diskussionen um ihren finanziellen Aufwand, (533) zuletzt die Neugestaltung des Eingangsbereiches (Hauptportal). Die alte Stahl-Aluminium-Konstruktion aus den 70er Jahren, die - witterungsbedingt - mit der Zeit undicht geworden war, stellte eine wenig einladende Pforte dar. (534) Diese funktionalen Mängel hatten 1990 ihre Zumutbarkeitsgrenze erreicht und boten nun endlich die Gelegenheit, den Stilbruch wieder aus der neuromanischen Fassade zu entfernen. Paul Brandenburg wurde -wiederum vom Pfarrer - mit der Gestaltung beauftragt. Unter Verwendung des alten Stahlrahmens teilte er das Portal in vier zu öffnende Felder ein, von denen die beiden oberen (kleineren) meist geschlossen sind. Die Außenseite wurde ganz in Bronze gearbeitet und zeigt sechs Reliefs, die kupferbeschlagene Innenseite trägt zwei Bronzereliefs. Allen Reliefs fügte der Künstler jeweils ein Zitat aus der Hl. Schrift bei. Das Hauptportal thematisiert die zwei wesentlichen Grunderfahrungen des Menschen - Schuld und Erlösung - und stellt somit letztlich die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen in den Mittelpunkt. (535) In bezug zur biblischen Tradition finden sich daher auf dem linken' Türflügel die Darstellungen von Kain und Abel sowie der Tanz um das goldene Kalb, im Übergang dieses "Schuldtores" zum rechten Flügel die Thematik des vierten Gottesknechtsliedes (Jes 53,4), und schließlich auf dem "Erlösungstor" (rechter Flügel) die Kreuzigungsszene und die Vision des apokalyptischen Lammes im himmlischen Jerusalem. Die Innenseite des Tores fasst die Thematik der Frontseite nochmals zusammen: das verirrte Schaf in den Dornen ("Erlösungsseite") und Jesu (Buß-)Taufe durch Johannes den Täufer ("Schuldseite").

"So schließt sich wieder der Themenkreis mit der Vorderseite des Tores der Erlösung, das oben rechts eben dieses Lamm Gottes aus der Offenbarung des Johannes zeigt. Die Taufe wird hier für den in Erinnerung gerufen, der die Kirche wieder verlässt: er soll sich seiner Verantwortung in dieser Welt bewusst werden, die er mit dem Empfang der Taufe übernommen hat. " (536)

Das Hauptportal fügt sich in Material, Farbe und theologischer Idee gut in die neuromanische Ostfassade der Kirche ein. Funktion und Symbolik dieser Tür bilden ein Ganzes. Von weitem sind die Reliefs im Einzelnen zwar nicht identifizierbar, jedoch lässt die Gesamtstrukturierung des Portals die Form eines baumartigen Kreuzes erkennen, in dessen Ästen und Wurzel die Reliefs symbolisch angeordnet sind. Die Gestaltung des Portals ist eine Einladung an die "Draußenstehenden", einzutreten.

9. Geschlossenheit des Innenraumes

Die vor kurzem erst abgeschlossene Renovierung der Pfarrkirche, bei der man auf eine historisierende Ausmalung verzichtete, erscheint sehr gelungen. Dem Eintretenden steht ein schlicht gestalteter, farblich gut abgestimmter und trotz vieler Nischen und Wände nicht überladener Kirchenraum vor Augen. Die Kunstwerke, moderne wie ältere, wurden bewusst und konzentriert ausgewählt und positioniert. Die Schwerpunktbildung des Raumes erscheint dadurch eindeutig. Im Zentrum steht der Altarraum mit Zelebrationsaltar und Sakramentshaus.

"Dieser Altar lastet ganz bewusst mit einer schweren Platte. Unter die Platte stützen sich kräftig aufragend vier Beine. Diese vier Beine stehen diagonal im Raum, dass sie richtig in alle vier Säulenrichtungen in den Raum sich hineinspreizen, dass er also buchstäblich sich in den Raum hineinsperrt ... alle Linien des Raumes auf sich hin sammelt." (537)

Das Nebeneinander des hier verwendeten grauweißen, grob bearbeiteten Muschelkalksteins und der teilweise filigranen Arbeiten (Baldachin, Seitenaltäre, Vesperbild) der älteren, neoromanischen Kunstwerke erscheint künstlerisch nicht völlig überzeugend. Brandenburgs Kunst mutet zudem heute - zu Ende des 20. Jh. - schon wieder allzu klassisch und wenig innovativ zu naiv-figürlich in der Übertragung biblisch-theologischer Inhalte an. (538) Die Durchgestaltung des gesamten Altarraumes bis in die Kleinigkeiten hinein, für eine Gemeinde nur selten auf Anhieb finanziell zu ermöglichen, bewirkt eine thematische "Vernetzung" der liturgischen Funktionsorte (bis hin zum Hauptportal) und gibt dem Innenraum eine vorteilhafte Geschlossenheit und Sammlung. (539) Durch die mit der Architektur der Wegkirche verbundenen Grundideen besitzt der Innenraum hervorragende Prozessionswege (540) und genügend Möglichkeiten, beispielsweise die Bewegungsdimensionen der Liturgie auszuschöpfen. Die beiden Windfänge zur Linken und Rechten des Hauptportals sind so hell und gepflegt gestaltet, dass sie zur Besinnung einladen und im Verweilen einen unverstellten Blick auf das gesamte Kircheninnere zulassen. Hier findet der Besucher auch in der Woche einen abgeschlossenen Raum der Stille. Dezente Beleuchtung zwischen den Säulen, behutsamer Blumenschmuck, zurückhaltender Umgang mit zusätzlichen Bildelementen im Raum tragen dazu bei, dass die neoromanische Architektur, die vorhandenen Teile der alten Innenausstattung und die moderne Gestaltung des Altarraumes, der Seitenchöre und des Vesperbildes insgesamt eine Einheit bilden können.

10. Initiativen

Wieder einmal ist es der Pfarrer, der die Um- und Ausgestaltung der Kirche, hier mit kompetentem Interesse für denkmalpflegerische Werte und sicherem ästhetischen Empfinden, vorangetrieben hat. Sogar die notwendige finanzielle Unterstützung konnte er hierfür im Wesentlichen aus der Gemeinde beziehen. (541) Allerdings ließ diese Stärke des Pfarrers einer aus der Gemeinde selbst erwachsenen gestalterischen Vorstellung nur wenig Raum. Mit seinem Amtsantritt brachte er die fertigen Pläne für die Umgestaltung schon mit. Da die Gemeinde bis dahin kaum gewohnt war, mitzureden und sich am Prozess einer Kirchenraumgestaltung zu beteiligen, wurde dies auch klaglos akzeptiert. Auch die Restaurierung der Kirche im Jahre 1987 ließ einer Entwicklung gemeindeeigener Vorstellungen keine weitere Zeit, da die konkreten Schäden zu einer schnellstmöglichen Bewältigung durch den aus KV und PGR gebildeten Bauausschuss drängten. (542)

Gewiss hat der Großteil der Gemeinde diese Entwicklungen mitgetragen. (543) Man bemühte sich durch Verlosungen und Lotterien, Verkauf von Postkarten als "Bausteinen" für St. Sebastian, durch das Engagement des Handarbeitskreises und das Pfarrfest um die Finanzierung der Bauangelegenheiten. All dies trug zum Bewusstsein, am Kirchenbau beteiligt zu sein, bei. Manche in der Gemeinde sehen heute, im Nachhinein, das Geschehene mit differenzierterem Blick.

Kunst und Seelsorge?

Trotz solchen Verfahrens empfinden die Bewohner Lobberichs ihren Pfarrer nicht als autoritär. Sein Umgang mit den Menschen, die Feier der Liturgie, seine Predigten sprechen viele an, vor allem jene, die sich noch gut an die kirchlichen Lehren und Gebärden vor dem Konzil erinnern können und die Zeit danach bis heute als befreiend erleben. Aber nachdenklich stimmt, dass "Kunst" bzw. das Engagement des Pfarrers in baulichen und gestalterischen Dingen in den Augen der Gemeinde von der "Seelsorge", die man von ihm erwartet, getrennt gesehen wird. Hier scheint der Umstand eine Rolle zu spielen, dass Kunst und Seelsorge für den Pfarrer sehr wohl verbunden sind, der Gemeinde dies aber nicht genügend vermittelt wird, so dass diese daraus auch selber etwa einen geistlichen Nutzen ziehen könnte. (544) Die Gemeinde Lobberichs wäre bei einer guten Vermittlung des Anliegens sicherlich bereit und fähig, sich die mit Kunst in der Kirche verbundene seelsorgliche Dimension zu eigen zu machen. So hat die neue Kirche in ihrer jetzigen Gestaltung für die einen nur Erinnerungswert an die gute alte Zeit ihrer Taufe, Trauung oder Primiz. Andere sind gleichgültig oder tolerant, und wieder andere halten es lieber mit einem Kunstverständnis, das sie, wann immer möglich, in die alte Kirche zieht.

Die alte Kirche im Leben der Gemeinde

Welche Gruppen der Gemeinde man auch antrifft, von allen wird die mangelnde Solidarität der Gemeinde nach innen beklagt. (545) Jeder Kreis erhofft sich dies wohl vom anderen, erwartet Toleranz, Aufgeschlossenheit, Interesse, Verständnis. Diese Klage trifft man sicherlich noch in vielen anderen Pfarreien. Nur wenige, oder immer dieselben sind wirklich bereit, sich zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen. Neue sind schwer hinzuzugewinnen. Bestehende Kreise scheinen deswegen sogar die Fortschreibung erstarrter Strukturen zu fördern. (546) Kritische Stimmen, Infragestellungen der allgemeinen Praxis der Gemeinde und Reflexionen über deren Zukunft entstehen am ehesten aus dem näheren Umkreis der Alten Kirche. (547) Dieser Kreis bemüht sich bei der Frage, was Kirche heute darstellen und was dementsprechend eine Ortsgemeinde leben kann, um eine Communio, die Gemeinschaft, Geborgenheit und Wärme schenkt und Atmosphäre schafft. Der Raum der Alten Kirche unterstützt dieses basisgemeindliche Denken. Sein Rohzustand, der zum Improvisieren zwingt, ist gewollt, in seiner Brüchigkeit mahnt er die versammelte Gemeinde, sich ihrer Identität, selbst lebendiges Bild der Nähe Gottes zu sein, zu erinnern. Die alte Kirche ist auf diese Weise stete Erinnerung vergangenen Glaubenszeugnisses und Herausforderung an die heutige Gemeinde.

11. Liturgie in Lobberich

Größe und Altersstruktur der Pfarrei St: Sebastian lassen zu Recht vermuten, dass der Gemeinde eine Vielzahl an üblichen und ` möglichen liturgischen Formen vertraut sind: Kinder , Familien-, Jugendgottesdienste etc.. Entsprechend bewusst werden diese Feiern - meist gestaltet und, besonders an Hochfesten; "in "gutbürgerlicher" Feierlichkeit begangen. Ebenso existieren in St. Sebastian unter . schiedliche liturgische Dienste - Kantoren/-innendienst, Kommunionhelfer/-innen, Katecheten/-innen, Lektoren/-innen. Erst die Neugestaltungen des Innenraumes der letzten Jahre tragen dazu bei, dass die liturgischen ' Feiern in bewussterer Weise stattfinden können und flexiblen Raum haben . (549)

Trotz dieser grundsätzlichen Vielfalt, trotz eines insgesamt gutgestalteten Raumes und trotz deutender, künstlerischer Hilfestellung wird dennoch die Frage, ob der umgestaltete Raum für die Gemeinde neue Akzente und Impulse in ihrer Liturgie vermittelt, in Lobberich meist mit einem "Nein" beantwortet. Offensichtlich haben die Inhalte des Konzils viele Teile der Gemeinde nicht berührt nicht während des Konzils und auch nicht hinterher Die Altarraumumgestaltung wurde übernommen, man verließ sich auf die Kompetenz des Seelsorgers, fragte nicht weiter nach den inhaltlichen Implikationen. (550) Die liturgische Erneuerung des Konzils ist aber, soweit sie in Lobberich Eingang gefunden hat, über die alte Kirche in die Gesamtgemeinde gekommen. Dem kleineren Kreis von Menschen aus der Gemeinde, der sich der Alten Kirche zugehörig weiß, ist das, was dort seit dem Konzil geschehen konnte, ein wesentlicher liturgischer wie außerliturgischer Baustein für das Leben der Gemeinde. Auch heute hat die alte Kirche in der Gemeinde mehr als nur den Erinnerungswert eines Denkmals, wenn dort auch nicht täglich Gottesdienste stattfinden. Die Gottesdienste der ausländischen Bürger, der einmal monatlich stattfindende Jugendgottesdienst, hier und da ein Singspiel im Stile Peter Janssens, die mitternächtliche Weihnachtsmette der Alten Kirche ist manchem ein Ersatz für das, was in der Neuen Kirche nicht geschieht, nicht geschehen kann: Unmittelbarkeit, Experimentierlust, infragestellende Verkündigung. Progressivität und Provokation stehen och immer auf der Wunschliste so mancher Lobbericher. Die alte Kirche gibt diesem Wunsch offensichtlich mehr Raum als die neue Kirche. Diese mutet, obwohl aufs Sorgfältigste restauriert, in ihrer Liturgie wie in der Gestaltung ein wenig museal an. Ob ihre Pflege eine Festschreibung des Schönen ist oder im Dienste des neuen Aufbruchs der Gemeinde steht, scheint keine unberechtigte Frage.

Dennoch handelt es sich bei beiden, Alter und Neuer Kirche mit ihren dazugehörenden Menschen, um Kirchen einer Gemeinde. Jede scheint der anderen zwar ein Dorn im Auge zu sein, aber dies kann sich, auch in bezug auf das liturgische Feiern im Sinne des "paulinischen Stachels" durchaus positiv auswirken. Denn alte und neue Kirche stehen für die zwei Spannungspole einer Ellipse (der Gemeinde). Die von allen gewünschte Solidarität innerhalb dieser Ellipse ist dann zu erreichen, wenn jeder sich als einen der Pole ; begreift, ohne den das Gleichgewicht und die daran angebundene Existenz der Gemeinde zusammenbrechen würde. Liturgisches Feiern in St. Sebastian ließe sich daher sowohl aus der Erfahrung der "Ruine" der alten Kirche als auch aus der mit Sorgfalt und Bedacht gestalteten Neuen Kirche, die eine Vielzahl an theologisch-mystagogischen Impulsen in sich birgt, speisen.

Fußnoten:

490 "Aus welcher Richtung man auch immer auf Lobberich zukommen mag, als erstes werden die Lobbericher Kirchtürme ins Auge fallen. Sie bestimmen das Stadtbild und...-gerade hier bei uns am Niederrhein - erzählen sie schon von weitem dem Kommenden etwas von den Menschen, die hier wohnen." (Klaus Dors) Das Pfarrarchiv der Gemeinde St. Sebastianus zu Lobberich, in: Optendrenk, Theo (Hg), Lobberich, ein Kirchspiel an der Nette (Nettetal 1988), 61/8. Hier: 69.

491 Die Zahl derKinder sinkt allerdings schon, wenn auch noch jährlich etwa 80 Kinder die Erstkommuniuon empfangen und 100 Taufen stattfinden

492 Z.B. KH-Seelsorge, Kindergarten, Altentagesstätte, Frauengemeinschaft und Landfrauen, Partnergemeinden, Handarbeitskreis, Kirchenchor, AK alte Kirche. Freilich sorgt auch gerade die Konkurrenz der Gruppen untereinander dafür, dass so viele Jugendliche in einem Bereich eingebunden sind.

493 Schon eher vertraut mit sozialen Nöten sind hingegen die Breyeller durch eine Anzahl Alleinerziehender.

494 Ein "Bruch" ist ein feuchtes, sumpfiges Gelände, um Lobberich herum meist ehemalige Rheinarme, d.h. stehende Gewässer.

495 Dies ist durch einen Text aus der Gründungsgeschichte der Benediktinerabtei St. Vitus zu Mönchengladbach aus dem 12. Jh. überliefert, in welchem der Kölner Bischof Everger (985-999) die Kirchen von Tegelen, Lobberich und Venlo im Tausch gegen jene von Mönchengladbach und Rheydt ungefähr im Jahre 986/88 an Bischof Notker von Lüttich abtrat.

496 Dem Vorgänger der Bischöfe Lambertus und Hubertus.

497 In einer Reihe mit ihr stehen ebenso das Grefrather Patronat des Hl. Laurentius, das des Cyriakus in Hüls und jenes des Kornelius in Dülken. Hinsbeck und Kempen (St. Petrus). Viersen (St. Remigius) und Wankum (St. Martinus) weisen sich durch ihre Patrozinien als die ältesten Kirchen des Dekanates aus.

498 Zwei sind heute noch erhalten in Form der Frühjahrs- und Herbstkirmes.

499 Münster, Paderborn und Trier waren sog. Suffraganbistümer der Erzdiözese Köln.

500 Nebenbei bemerkt: Die Protestanten hatten erst 1885 einen eigenen Betsaal, bzw. im Jahre 1900 eine eigene Pfarrstelle. Noch 1868 bekannten sich fast alle Lobbericher zum katholischen Glauben.

501 Vgl. hierzu Theo Optendrenk (Hg), Lobberich, ein Kirchspiel an der Nette (Nettetal 1988), hier 75/6.

502 Vgl. Logo Johann Finken, Geschichte der ehemaligen Herrlichkeit Lobberich (Lobberich1902), hier 130/7.

503 Optendrenk, Lobberich, ein Kirchspiel, 76.

504 Stellvertretend herausgegriffen sei der sog. "Herrensturm" im Jahre 1642, wo nach der Überlieferung das gesamte Inventar der Kirche verbrannte. Für die vollständige Wiederherstellung brauchten die Bewohner mehr als 50 Jahre.

505 Eine, wie Finken bemerkt, nicht gerade glückliche Umgestaltung, vgl. Logo Finken, Geschichte, 135.

506 Es handelt sich vor allem um einen Hochaltar von 1710 mit barockem Aufbau aus dem Jahre 1767; ferner um zwei Seitenaltäre (Muttergottes-im nördlichen, Antonius-im südlichen Seitenschiff), die beide etwa von 1652 stammen, vgl. Finken, Geschichte, 132/3.

507 Zum Vergleich die rapide anschießenden Bevölkerungszahlen: 1800, 1.887 Einw., 1816: 2.546 Einw.: 1875: 5.016 Einw., 1888: 6.590 Einw., 1890: 7.000 Einw.

508 Finken, Geschichte, 136.

509 Dieses kann ausführlich nachgelesen werden bei Theo Optendrenk, Lobberich im Aufbruch. Das Jahrzehnt des Kirchbaus 1883 bis 1893 (Nettetal 1993), hier: 93 ff.

510 "Die Marmorplatte symbolisiert nicht nur den Brückenschlag von dem neu zu errichtenden Kirchbau hin zu den Anfängen der Kirche, sondern im besonderen auch in jene Zeit der Christenverfolgungen, in der der Pfarrpatron St. Sebastian unter Kaiser Diokletian (284-305 n.Chr.) für seinen Glauben sein Leben gegeben hat." (Optendrenk, Lobberich im Aufbruch, 134/5.) - Optendrenk erwähnt, daß ein Jahr später der Bischof zu einer weiteren (eher wohl der offiziellen) Grundsteinlegung nach Lobberich kam, wobei er zuvor 800 (!) Firmlingen das Sakrament der Firmung gespendet hatte.

511 Vgl.Optendrenk, Lobberich im Aufbruch, 134.

512 Hervorhebung der Verf.

513 Optendrenk, Lobberich im Aufbruch, 136/7.

514 Bevor die Kriege dieses Jahrhunderts auch nur erahnt werden konnten, schreibt Johann Finken über diese Rettung der Alten Kirche abschließend stolz: "Dank des energischen Eingreifens thatkräftiger Männer ist der katholischen Pfarrgemeinde Lobberich die altehrwürdige Pfarrkirche als über kurz oder lang nöthig werdende "Hülfskirche" erhalten geblieben, so Gott will - auf Jahrhunderte." (Finken, Geschichte,137).

515 Max Zanders, Eine Pfarre in ihrer Zeit: St. Sebastianus Lobberich 1948-1973. FS zum Goldenen Priesterjubiläum von Domkapitular Dechant Werth (Lobberich 1973), hier: 83.

516 Die Chronik berichtet am 1.6.1969 von dieser ersten Dekanatsjugendmesse: "In der Mitte des Langschiffes steht ein Altar aus Ziegelsteinen. Im Chor haben sich etwa 25 junge Sängerinnen und Sänger aus der Jongerenkerk, Venlo aufgestellt. Eine kleine Instrumentalgruppe gehört dazu. Die Texte der Messe werden im Beatrhytmus vorgetragen. Leitgedanke des Gottesdienstes ist: 'Frieden ist möglich'. Die Gemeinde wird in den Gesang einbezogen, 'sie geht mit'. Diese Form des Jugendgottesdienstes kommt bei den Jugendlichen an." (Zanders, Eine Pfarre, 87/8) - Die Liturgie des Jugendgottesdienstes der Alten Kirche wird seither jeweils von Kaplan, Jugendchor und einer Instrumentalgruppe vorbereitet. Um 1970 versammelte dieser Gottesdienst meist etwa 300-400 Gottesdienstbesucher (nicht nur Jugendliche). Auch heute ist er im Verhältnis immer noch sehr gut besucht.

517 Beschreibung durch Logo Johann Finken im Jahre 1902: Finken, Geschichte, 143. Verfolgt man Finkens Beschreibung des Kircheninnern weiter, so spricht aus ihr eine einzige Lobeshymne auf die Vorzüge und die Schönheit des neuen Gotteshauses.

518 Dies geschah erst im Jahre 1914. Die neoromanische Ausmalung war dabei von Nazarenerstil begleitet, so z.B. die Gemälde unterhalb der Rosetten des Querschiffes, die im Jahre 1906 von Rudolf Anstötz geschaffen wurden (im Norden die Bergpredigt, im Süden Jesu Tod am Kreuz).

519 Verwendet wurde demnach ein Glas in besonders tiefen Farbtönen, um die Brechung des Lichts zu erreichen. Die südliche Rosette stellte den Hl. Sebastian und acht andere Landesheilige dar, die nördliche Rosette den Hl. Josef und acht Heilige, die von Symbolen des Handwerks umgeben waren. In der östlichen (Orgelrosette) schließlich fanden sich in Medaillonform Patrone der Musik und des Gesangs.

520 Die fünf Fenster des Hauptchores thematisierten das Leben der Hl. Familie (im Andenken an die 1890 gegründete, namentliche Bruderschaft) durch zehn Darstellungen aus dem Leben des Hl. Josef (Verkündigung/Heimsuchung, Geburt/Anbetung, Darstellung/ der Engel erscheint dem Josef, Flucht nach Ägypten/ Jesus im Tempel, Nazareth/ Tod des Josef)

521 Diese Idee stammt wohl von einer Reise der Lobbericher Pfarre nach Mailand und war ein Geschenk der Gemeinde zum Goldenen Priesterjubiläum ihres Pfarrers. Auch viele der zuvor genannten Ausstattungsstücke waren ein Geschenk der Gemeinde zu dessen 25jährigen Pfarrjubiläum im Jahre 1892.

522 Logo Finken, Geschichte, 148

523 Eine Ausnahme stellen die Obergadenfenster dar, die 1975 von Johannes Beeck aus Hinsbeck gestaltet wurden. "Die Bereitschaft der Gläubigen, für die Instandsetzung der Kirche finanzielle Opfer zu bringen, ermöglicht den Einbau eindrucksvoller Buntglasfenster ... Folgende Themen werden bearbeitet: Evangelienseite (südliche Rosette): der verklärte Christus (Auferstehung), Rosette über der Orgel (Ostseite): der richtende Christus (Darstellung aus der Geheimen Offenbarung), Fenster im Hochchor und Kirchenschiff: das Erlösungswerk: a) Kirchenschiff: Sündenfall und Erlösungssehnsucht, dargestellt in alttestamentalischen Opfern Abels, Abrahams und Melchisedechs. b) Hochchor: Erfüllung der Erlösungssehnsucht: 1. Fenster: Menschwerdung. 2. Fenster: Kreuzesopfer. 3. Fenster: Krönung Mariens als Vollendung des Erlösungswerkes." (Zanders, Eine Pfarre, 19/20).

524 "Dem Krefelder Künstler ist es hervorragend gelungen, das Erlösungsthema auf diesem begrenzten Raum eindrucksstark anzuschlagen... Der Künstler hat eine Idee des Dechanten Werth aufgenommen." - ...es wurde anscheinend Wert darauf gelegt, dass sich das Herkömmliche, Volkstümliche mit neuzeitlicher Auffassung zu einer gewissen zeitlosen Gültigkeit verband ... nicht mehr der Stift des Revolutionärs... Josef Strater... Diese Fenster sind gut bürgerlich." (Rheinische Post v. 13.2.1954 und Westdeutsche Zeitung v. 13.2.1954)

525 Dechant Werth schrieb über die Bedeutung der Fensters anläßlich diese Ereignisses: "Die Fenster unserer Kirche sind erstellt worden aus den Spenden der Pfarrangehörigen. Sie künden von unserem Glauben. Sie ermahnen uns, den Glauben weiterzugeben an die, welche nach uns kommen, daß er ihnen werde, was er uns ist: Sinndeutung des Lebens, Quelle der Kraft und Garant unserer Hoffnung." (Zanders, Eine Pfarre, 92).

526 Das erste Geläut der Neuen Kirche (drei Glocken) wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen, woraufhin 1923 vier neue Glocken eingeweiht werden konnten.

527 Die Klais-Orgel stammte, nach den ersten Jahren des Neubaus, in denen für die Anschaffung einer Orgel noch kein Geld vorhanden war und man sich mit einem Provisorium begnügen musste, aus dem Jahre 1906/08.

528 Zanders, Eine Pfarre, 100 - Prälat Stephany war um Vermittlung gebeten worden, da ein damaliger Verantwortlicher in der diözesanen Bauabteilung gerne mehr aus der Kirche entfernt hätte, als der Gemeinde lieb war.

529 Pfarrer Torka kannte sowohl die räumliche Situation des Lobbericher Doms als auch den Bildhauer Paul Brandenburg aus Berlin, den er dann auch mit der Ausgestaltung des Altarraumes beauftragte.

530 In den drei Giebeln des Baldachins sind die Themen von Grablegung, Auferstehung und Wiederkehr Christi (der Gemeinde zugewandte Seite) erkennbar; die Kapitelle seiner vier Säulen tragen die Symbole der vier Evangelisten.

531 Aus der Ansprache Brandenburgs an die Gemeinde.

532 Z.B. der Querschnitt der Apsis, die Formen der Ausmalung der Gewölberippen, die Säulen und volutenartigen Kapitelle. Der byzantinische Einfluss war in Italien im 13. Jh. in der sog.. "maniera bizantina" spürbar.

533 Die sechsstellige Summe erschien ungerechtfertigt gegenüber der Armut in der Welt und der sozialen Probleme im eigenen Land.

534 Dessen Vorgänger war ein zweiteiliges, hölzernes Portal gewesen.

535 Das Portal greift außerdem die Themen des ehemaligen Hochaltares - Leiden und Auferstehen - auf, und will somit das im Innenraum zu vollziehende Altargeschehen, im wörtlichen Sinne, symbolisch "zugänglich" machen.

536 Ulrich Clancett, Das neue Hauptportal in der Lobbericher Pfarrkirche St. Sebastian von Paul Brandenburg. Bildmeditation (Vertrieb Mediphon, 1991), 9.

537 Aus dem Vortrag des Künstlers an die Gemeinde, April 1976.

538 Zu Anfang der 70er Jahre bot diese Darstellung als Kunst für einen Kirchenraum viele neue Impulse. Heute wird daran das Problem des immer rascher wechselnden Zeitgeschmacks deutlich.

539 Diese Wirkung lag ganz im Interesse des Künstlers: "... dass wir nicht nur hier ein Lesepult stehen haben, dass wir nicht nur einen schlichten Tisch da stehen haben und dass wir den Tabernakel nicht nur als schlichten Tresor hinstellen, sondern versuchen, Aussagen zu schaffen und Dinge deutlich sichtbar werden zu lassen." (Aus dem Vortrag Brandenburgs an die Gemeinde)

540 Am 100jährigen Weihetag der Kirche 1993 wurde dieser Prozessionsweg mit 100 Messdienern, Schützen und anderen am Jugendheim Arche unterhalb der Apsis begonnen: ein imposanter Zug, bis alle im Altarraum ihre Aufstellung gefunden hatten!

541 "In der Pfarre ist klar: Wenn Aachen etwas bezahlt, dann lassen wir laufen, ist ja nicht unser Geld. Wenn es unser Geld ist, dann gehen wir damit ganz anders um. Ich wünschte mir manchmal eine Gemeinde, die arm wäre." (PGR-Mitglied)

542 Ebenso verlief die Gestaltung des Hauptportals. Als "Visitenkarte der Kirche, des Lobbericher Wahrzeichens St. Sebastian" hätte der Pfarrer die Gestaltung des Portals nur ungern aus seinen Händen gegeben. Daher kam es auch hier nicht zu einer direkten Beteiligung der Gemeinde, Paul Brandenburg wurde einfach wiederum beauftragt. Die Grundfrage scheint da wie dort, ob es in einer Gemeinde überhaupt durch den demokratischen Weg zu einer befriedigenden künstlerischen Gestaltung kommen kann. Selbst, wenn dies verneint werden muss, so gäbe es phantasievolle Möglichkeiten, eine Gemeinde verschiedentlich mit theologischen Inhalten und Fragen der künstlerischen Darstellung zu konfrontieren.

543 "...soweit sie es mitbekommen haben." (Gemeindemitglied)

544 Die Vermittlung der Werke durch den Künstler Brandenburg schaffte der Gemeinde z.B. eine wichtige Brücke und Verstehenshilfe. Sensibilität, liturgietheologische Reflexion, klare und schlichte Sprache für jene, die in Zukunft mit seiner Raumausgestaltung leben sollten, kennzeichneten dessen Ausführungen für die Gemeinde. Aber, diese Vermittlung war nur ein Anfang und hätte aufgegriffen, weitergeführt werden können, um den Zusammenhang zwischen Raumgestaltung und konkretem Gemeindeleben erfahrbar zu machen.

545 "...halte ich einige Damen und Herren sehr in ihre eigene Kirche (gemeint ist hier die alte Kirche) zurückgezogen." (Gemeindemitglied)

546 Die äußere Situation, dass es bis jetzt kein Pfarrheim gibt, in dem sich die Kreise der Gemeinde treffen, und das heißt auch untereinander begegnen könnten, trägt dazu bei. Die Arche ist ein reines Jugendheim, dessen Gebrauch ursprünglich auch anders geplant war. Lediglich eine Altenstube ist hier heute angebaut.

547 Diese Frage stellt sich z.B. bei den Messdienern, die aus Tradition nur aus Jungen bestehen und bis heute keine Mädchen aufnehmen.

548 "Der harte Kern ist kleiner geworden; es lohnt sich ja nicht mehr, progressiv aufzutreten; von Rom gedeckelt, in der Gesellschaft nicht akzeptiert - wir sind ja alle viel zu brav geworden; das ist eine Frage der Kunst, der Räumlichkeit, des Umgangs miteinander. (Da ist) keine Bereitschaft mehr zur Auseinandersetzung, Schritte nachzuvollziehen...Lethargie. Das einzige, woran ich mich noch klammere, (ist) dieser Kreis (der Alten Kirche), der Wärme ausstrahlt." (Arbeitskreis alte Kirche)

549 Vielfältig sind die Krabbelmöglichkeiten der Kinder rund um den Zelebrationsaltar bei "ihrem" Gottesdienst; die Prozession der Hundertschaft der Messdiener und der Schützen vom Jugendheim in die Kirche durch das gesamte Langhaus der Neuen Kirche an deren einhundertstem Weihetag war imposant.

550 Vgl. den Kommentar vom März 1965 zu den ersten Reformen, wie sie die Chronik der Pfarrei St. Sebastian verzeichnet: "Seit Beginn der Fastenzeit steht hinter den Stufen, die von der Kommunionbank zur Empore führen, ein einfacher, stabiler Altartisch aus Holz. An ihm feiern die Priester, dem Volk zugewandt, ihr Messopfer. Sie sind in die Gemeinschaft hineingenommen. Das Sakrament wird auf dem Hochaltar aufbewahrt. Die Messtexte werden in der "normalen" Messe hauptsächlich in der Muttersprache gesprochen. In unserer Pfarre wird wie anderenorts über die Neuerung diskutiert. Dabei geht es nicht so sehr um Einzelheiten der Reform - wie die Zurückdrängung des Lateinischen -, sondern auch um die Frage, ob durch allzu weit gehende Veränderungen in der Kirche beim Kirchenvolk ein gewisses Gefühl der Unsicherheit einkehren könnte. Im ganzen wird die Liturgiereform begrüßt." (Zanders, Eine Pfarre, 71). - Das Zitat macht deutlich, wie fremd anfangs die eigentliche theologische Richtungsänderung, die hinter den äußeren Veränderungen stand, vielen Gläubigen gewesen sein muss. Der Chronist sieht hier die Priester als diejenigen, die in die Gemeinschaft hineingenommen werden (statt wie bisher quasi alleine am Altar zu stehen), und noch nicht den Aspekt, dass die Gemeinde als Communio zur Teilhabe am Geschehen des Altares berufen ist.