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Drittes Kapitel

Lobberich unter spanischer Herrschaft.

Das Herzogtum Geldern, und damit auch das gelderische Amt Krickenbeck, waren durch den Frieden zu Venlo von 1543 an Spanien gefallen und verblieben bis 1703 im Besitze dessselben. Die spanischen Herrscher dieser Zeit sind:

Kaiser Karl V. von 1543-1555, wo er die Regierung der Niederlande zu Gunsten seines Sohnes Philipp niederlegte und sich in das Kloster St. Just in Spanien zurückzog, wo er 1558 starb.

Philipp II., König von Spanien, regierte von 1555-1598. In diesem Jahre übergab er die Niederlande seiner Tochter Isabella Clara Eugenia, die sich mit dem Erzherzog Albert von Oesterreich vermählte. Albert und Isabella regierten unter dem Namen die Erzherzöge bis zum Tode Alberts von 1598 bis 1621. - Am 31. März 1621 starb Isabella`s Bruder, König Philipp III. von Spanien und am 13. Juli 1621 auch Erzherzog Albert, wodurch die Souveränetät über die Niederlande, da Isabella kinderlos war, zufolge der durch Philipp II. bei Abtretung dieses Gebietes an die Erzherzoge getroffenen Bestimmungen, wieder an die Krone Spanien zurückfiel. Nach dem Tode des Erzherzogs Albert trat seine Gemahlin wieder in die Würde der Generalstatthalterin der Niederlande zurück; sie starb am 2. Dez. 1633. Bis zu ihrem Tode führte sie die Regierung für ihren Neffen, den Sohn Königs Philipp III., den König.

Philipp IV. von Spanien, welcher von 1621 bis 1665 regierte und in genanntem Jahre starb; ihm folgte sein 4jähriger Sohn:

Karl II., König von Spanien, welcher von 1665-1700, in welchem Jahre er am 1. November starb, regierte. Er hinterließ die Regierung, durch König Ludwig XIV. von Frankreich bestimmt, dem Herzoge Philipp von Anjou, dem Enkel Ludwigs XIV., welcher den Namen

Philipp V., König von Spanien, annahm und als solcher von 1700-1703 über unsere Gegend regierte.

Unter der Regierung Philipps II., vom Jahre 1578-1587, war unsere Gegend diese 9 Jahre mehrfach der Herrschaft der niederländischen reformierten "Generalstaaten" unterworfen; - der Tod König Karl II. von Spanien, i.J. 1700, der kinderlos starb, war der Grund des "spanischen Erbfolgekrieges", der die Trennung unseres Landes von Spanien zur Folge hatte, wie wir am Schlusse dieses Kapitels sehen werden.

Unter König Philipp II. (1555-1598), dem Nachfolger Kaiser Karl V., wurde das Oberquartier von Geldern i. J. 1566 in die religiöse Strömung hineingezogen, welche sich über die spanischen Niederlande ergossen hatte, so dass die neue Lehre, welche bisher daselbst ohne Erfolg aufgetreten war, zu Roermonde, Venlo und Geldern feste Wurzeln fasste. Wie in den übrigen Provinzen der Niederlande, so suchte Philipp auch im Oberquartier die reformierte Lehre durch Verhängung schwerer Strafen zu unterdrücken, und zog er hierdurch sich den Hass der Reformierten zu, dann machte er durch Auflehnung ungerechter Steuern und Eingriffe in die beschworene Verfassung die gesamte Bevölkerung sich zum Gegner. Die nun ausbrechende Revolution, an deren Spitze der Prinz Wilhelm von Oranien stand, hatte zur Folge, dass die Niederlande von Spanien, und die drei Quartiere Nymwegen, Zütphen und Arnheim vom Oberquartier Geldern getrennt wurden. Das Oberquartier Geldern blieb allein bei der Krone Spanien, und erhielt die Benennung "Spanisch-Gelderland", zum Unterschied von der holländischen Provinz Geldernland, die jetzt abgetrennt war.

Am 8. Juli 1572 fiel Wilhelm von Oranien, unterstützt durch französisches Geld, mit 7 000 Reitern und 17 000 Fußknechten in das Oberquartier ein und nahm in kurzer Zeit die Städte Geldern, Roermonde, Wachtendonk und Straelen in Besitz; an Venlo aber, welches die Uebergabe verweigerte und sich tapfer verteidigte, musste er vorüberziehen. Hierauf rückte er in Brabant ein, wo er ebenfalls in Kürze eine Anzahl Städte sich unterwarf. Als die Ermordung der Hugenotten zu Paris (24. August 1572) ihm jede Aussicht auf fernere Unterstützung von Seiten Frankreichs genommen hatte und seinen Truppen der Sold fehlte, trat er am 12. September den Rückzug an, der ebenfalls durch das Oberquartier erfolgte. Es war jedoch kein Heer mehr, das er führte, sondern eine zügellose, vom Raube lebende Bande, die seinen Befehlen nicht mehr gehorchte. Auch im Amte Krickenbeck herrschte vor dieser rohen Soldateska große Furcht; - von Leuth wurden viel Hausgeräte nach Süchteln in Sicherheit gebracht. - Am 12. Januar 1578 zog das Gros der spanischen Armee nach dem Amte Krickenbeck. - Im Jahre 1578 bemächtigten die reformierten Generalstaaten sich des Oberquartiers, (Quartier Roermond), welches nun bis 1587 unter ihrer Herrschaft blieb. Wie in den Niederlanden, so zerstörten sie auch hier allenthalben Kirchen und Klöster, Altäre und Bilder. Wahrhaft grauenerregend ist das Bild, welches die hiesige Gegend in jener Zeit uns bietet. Die spanischen und aufrührerischen Truppen führten einen wahren Vernichtungskampf gegen Land und Leute; ohne Sold umherschweifend, erlaubten sie sich die größten Gewalttätigkeiten gegen die Eingesessenen, plünderten und verbrannten Bauernhöfe, führten Leute gefangen mit sich fort, und gaben ihnen nur gegen hohes Lösegeld die Freiheit wieder. Viele Bewohner verließen deshalb Haus und Hof und begaben sich an sichere Orte, infolgedessen der Acker größtenteils unbebaut liegen blieb, und Pächter nicht mehr zu finden waren. Folgende Einzelheiten mögen hierfür zum Belange dienen. - Am Karfreitag 1581, des Morgens in aller Frühe, rückte Hans Philipp, Freiherr von Hohensachsen, Oberst der staatlichen (holländischen reformierten) Truppen, die in und um Venlo lagen, mit etlichen Reisigen, Pferden und großer Anzahl Schützen vor das "Haus Ingenhoven" zu Lobberich, und ließ den Besitzer desselben, Felis von Bocholtz, dessen Frau Margaretha von Bocholtz (von Burg Bocholtz) seit einigen Tagen in Wochen lag, vor sich fordern. Als dieser, statt zu folgen, die Thore zuschlagen und sperren ließ, befahl Hohensachsen zu stürmen, und die Gebäude anzuzünden. Felis, der gegen die Übermacht keinen dauernden Widerstand leisten konnte und den Zustand seiner Frau betrachtete, überlieferte sich, zur Abwendung der Gefahr des Abbrennens seines Hauses, dem Feinde, der ihn nach Venlo ins "St. Clawskloster" (Nikilauskloster) brachte und dort in ein festgemauertes, mit Eisengittern versehenes Gelaß, an Fußketten geschlossen hinsetzte. Die Soldaten raubten sodann alles, was sie an Vorrat, Kleider und Gerätschaft auf dem Hause fanden. Der gefangene Felis saß noch so am 7. Mai 1581. Wie es scheint, war er angeklagt, dass keiner seiner Blutsfreunde Zutritt zu ihm habe, dass er nichts verschulde und auch nicht zu Verhör auf freien Fuß festellt werde. - Für seine Befreiung verwendete sich sein Oheim, der Abt Reinhard von Bocholtz von Corvey bei seinem Vetter, dem Hauptmann Georg von Bocholtz, welcher durch seine Geltung bei den Grafen Philipp von Hohenlohe und Wilhelm Ludwig von Nassau, damaligen Führern der staatischen Truppen, deren Vermittlung erwirkte. 1581, am 30. Mai, wurde Felis von Bocholtz, wie es scheint zum Ersatz, durch den König Philipp von Spanien zum geldrischen Amtmann von Krickenbeck und Erkelenz ernannt. - Im Jahre 1581 ersuchte Reiner von Holthausen den Herzog von Parma, ihm einen großen Schaden, den er sowohl von spanischen als staatischen Soldaten erlitten hatte, wieder gut zu machen. Reiner hatte damals von seinem Oheim Johann von Holthausen auf eine Reihe von Jahren die Verteidigung des Schlosses Krickenbeck gegen Angriffe der Staatischen übernommen, und unterhielt zu dem Ende auf dem Schlosse auf eigene Kosten 10 Soldaten. Im Besitze eines Schutzbriefes vom Herzog von Parma hielt er es nicht für möglich, dass landesherrliche Truppen sich an seiner Habe vergreifen würden. Eines Tages kam nun ein spanischer Kapitain Namens Molt zu ihm und bat, mit seinen Soldaten auf eine Nacht von ihm aufgenommen zu werden. Reiner willfahrtete dieser Bitte. Kaum hatte er die Spanier eingelassen, so rückten die Feinde von Venlo und anderwärts herbei und suchten das Schloss einzunehmen. Zwar gelang ihnen dieses nicht, doch vernichteten sie die Früchte, die sie in großer Menge vorfanden, zündeten das noch kürzlich neuerbaute Vorhaus an und raubten alles Vieh und was sonst noch vorhanden war. Die königlichen Soldaten aber, welche im Schlosse Aufnahme gefunden hatten, nahmen bei ihrem Abzuge gewalttätiger Weise alles Mobiliar mit. Reiner erlitt so einen Schaden von mehr als 6 000 Gulden. Derselbe konnte durch keine Versprechungen auf Seite der Staatischen herübergezogen werden, und bedrängte diese so, dass sie eine Belohnung von 100 Kronen dem verhießen, der ihn lebend oder todt überliefern würde. - Im Jahre 1615 wird bezeugt, dass das Gut Tüschenmöhlen (ui Leuth, in der Nähe von Schloß Krickenbeck), nämlich Scheune, Schafstall und ein Teil des Hauses während der "Unruhen" abgebrannt, der Schafstall und das Haus aber wieder erneuert seien. Später, etwa 1580 oder 1581, hätten spanische Soldaten, (Reiter und Fußvolk), welche auf dem Schlosse Krickenbeck lagen, die "Gehächte" wieder abgebrochen, nämlich den neuen Schafstall und das kleine Holz vom Hause zum Schlosse Krickenbeck gebracht, wo sie Pferdeställe und anderes damit anfertigen. Es sei auch viel Eichenholz des Hofes abgeschlagen und dieser habe lange Zeit unbebaut als Vogelweide dagelegen. (Archiv des Hauses Caen zu Straelen.) - Noch schlimmer waren Drangsale, welche das Jahr 1584 unserer Gegend brachte. Im genannten Jahre nämlich plünderte eine Armee des Bischofs von Lüttich, welche zur Verteidigung des neuen Kurfürsten von Köln gegen den abgesetzten Truchseß ausgerückt war, das Amt Krickenbeck und das Land Wachtendonk, so dass die Bewohner sich in die benachbarten Städte flüchten mussten. In demselben Jahre überfielen Soldaten von Venlo die Wohnung des "Thissen in gen Leist" zu Leuth, nahmen ihn gefangen und raubten ihm 2 Schweine, Speck, 1 Kalb und einiges Leinen. Dieser This bezeugt, dass kein Nachbar der Gefahr halber sich durfte sehen lassen. - Um diese Zeit, 1579, reichten die Dörfer Grefrath, Lobberich, Leuth und Hinsbeck eine Bittschrift an Johann Graf von Nassau-Catzenellenbogen, Statthalter im Fürstentum Geldern ein, worin sie sich beklagen, dass sie von den Soldaten aus Venlo und Wachtendonk "mit Fangen, Spannen und Plündern" jämmerlich und feindlich behandelt werden, und in ihren Häusern nicht sicher mehr wohnen können. - In den folgenden Jahren hat es sicher nicht viel besser ausgesehen, denn eine Notiz des Klosters Grafenthal (Neukloster) zu Afperden bei Goch, welchem Kloster der "Zehnte" zu Leuth vom Grafen Otto II. von Geldern 1255 geschenkt war, besagt uns über den "großen Zehnte" zu Leuth aus dieser Zeit noch folgendes: "1588. Van die Thynde is in desen Jaer nichts kommen wegen Verderbung der grooter Dorchtöge (großer Durchzüge) ind dat sy waren verloopen (zertreten.) - 1589. Die "Thynde" dit Jaer gedaen 87 Gulden. - 1590. Van den Thynden nichts kommen, dn omb des grooten Verderbs wilen, so dat Kriegsvolk daer gedaen, ist ihnen verlaeten worden, deweil es allenthalben verdorben". - wenn endlich die Abtissin von Kloster Grafenthal im Jahre 1649 schreibt, "dass vordem durch die langdauernden "geldernschen Kriege und Erterminien" das Varloer Feld mit vielen anderen Ländereien zu Leuth als Vogelweide liegen blieb, hingegen aber der (dem genannten Kloster seit dem Jahre 1424 gehörige) Bontenakelshof, auf dem allzeit eine Salvegarde gewesen, stets bebaut worden sei", - so hat sie hiermit sicher auch diese vorhin erwähnte Zeit gemeint. -

Als Zufluchtsstätten dienten damals und späterhin den Landleuten beim Herannahen feindlicher Horden die allenthalben in den Gemeinden angelegten "Schanzen", welche meistens mehrere Morgen groß, und mit Graben und wall umgeben waren. Auch Lobberich, Hinsbeck und Leuth besaßen solche. Dorthin wurde zur Zeit der Gefahr auch das Vieh, überhaupt Hab und Gut in Sicherheit gebracht. - Wer in der Nähe einer Stadt oder einer adeligen Burg wohnte, wählte sich diese als Zufluchtsstätte aus. Eine solche war für Lobberich die stark befestigte Burg Bocholtz. - Eine andere Zufluchtsstätte für die Landbewohner waren die Kirchen. So heißt es ausdrücklich, dass die Einwohner von Aldekerk und Nieukert während der Jahre 1589 und 1596 in den Kirchen gewohnt hätten. Auch das Gewölbe und der Turm dienten in Kriegszeiten dazu, um wertvolle Gegenstände gegen Plünderung und Brand zu schützen. An einigen Orten, z.B. zu Bracht bei Kaldenkirchen, besaß, der Überlieferung nach, jeder Hausbewohner eine bestimmte Stelle auf dem Gewölbe der Kirche, um hier bei entstehender Gefahr seine Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen; in Leuth wurden ebenfalls Kisten mit Wertsachen verschiedentlich auf dem Gewölbe der Kirche, oder im Turme in Sicherheit gebracht. - Von Lobberich wird berichtet, dass 1642 beim Einfall der Hessen, der Pfarrer und die übrigen Geistlichen sich in den Turm gerettet hätten. Sogar noch i. J. 1769, als der Blitz den Turm der Pfarrkirche zu Lobberich traf, und der Helm des Turmes und der Dachstuhl der Kirche ein Raub der Flammen wurde, da verbrannten auf dem Gewölbe der Kirche und im Turme daselbst viele leinene, wollene und andere Wertsachen, - ein Beweis, dass daselbst in Kriegszeiten bestimmt Wertsachen in Sicherheit gebracht wurden. - Auch wurde in Kriegszeiten Vieh und sonstige Habe auf die um die Kirchen gelegenen Kirchhöfe geflüchtet, welche nicht allein mit Mauern umgeben waren und daher leicht verteidigt werden konnten, sondern auch als geheiligte Asyle häufig vom Feinde respektiert wurden. Der Sage nach wurde zu Wankum bei einem plötzlichen feindlichen Überfalle mit der Glocke geläutet, worauf sich die Einwohner mit ihrem Vieh auf den Kirchhof begaben.

Als i.J. 1588 mit der Eroberung der Festung Wachtendonk das Oberquartier, (Quartier Roermond,) wieder unter Herrschaft der Spanier kam, blieben die Eingesessenen immerhin noch in beklagenswerter Lage, indem sie beinahe unerschwingliche Contributionen beizutragen, und von den Soldaten die größten Insolenzen zu erleiden hatten. So klagten i.J. 1591 die Landstände, dass das Oberquartier, (Quartier Roermond,) wozu auch das Amt Krickenbeck, und somit Lobberich gehörte, seit vielen Jahren nicht allein mit "ondraiglicke und ungebourlicke ercktien, contributien, geltt und andere steur gantz uitgeschatt und uitgemirgelt" wäre, sondern auch durch große Einquartierungen von Kriegsvolk "bedreufft und underdruckt woirdt, verschwiegen allerhande ercursien, invasien und oploipen, rooven, vangen, spannen, doitslain" und dergleichen Unregelheiten, die täglich noch durch königliche Soldaten betrieben würden; dazu würden von den durchziehenden Soldaten die Feldfrüchte weggenommen, Vieh geraubt, Häuser und Kirchen geplündert und zerstört, und könne Niemand ohne Lebensgefahr sich außerhalb der Städte sehen lassen. Im Jahre 1598 erklärte das Amt Krickenbeck an Ritterschaft und Stände, dass es eine gesonderte Contribution nicht aufbringen könne. Am 29. April 1604 ersuchten die Landschöffen des Amtes den Amtmann Huyn-Geleen, ihnen bei den Ständen den Nachlaß einer Contribution zu erwirken, damit sie die vordem aufgenommenen Kapitalien wieder ablegen könnten. Im Jahre 1614 baten die Eingesessenen des Amtes die Landstände um Abschaffung der großen Unordnungen und Einquartierungen der Soldaten, die nicht allein "den armen Huisman opeten, maer ook stooten, schlaen, dootschieten und eracktionieren." Im folgenden Jahre, 1615, erließen die Deputierten der Ritterschaft an das Amt den Befehl, sobald als möglich ein Verzeichnis der Schäden einzusenden, die jede Gemeinde beim Durchzug der von Wesel zurückgekehrten Kriegsvölker erlitten hätten. Nach den eingesandten Berichten betrug der Schaden des Dorfes

  • Leuth 3 000 Gulden bei 100 Feuerstellen der Gemeinde

  • Lobberich`s 2 000 Gulden;

  • Herongen`s 1 500 Gulden;

  • Wankum`s 1 300 Gulden;

  • Grefrath`s 1 400 Gulden;

  • Viersen`s 1 800 Gulden.

In der Eingabe des Dorfes Leuth wird ausdrücklich betont, daß der Schaden für die Gemeinde darum größer war, weil das Dorf "op de paß liegt" und viel Volk auf die Festung Venlo und darum ziehe. Unter Philipps Nachfolger, dem Erzherzog Albert von Oesterreich (1598-1621), welcher mit Isabella Clara Eugenia, der Tochter Philipps, verheiratet war, wurde i. J. 1609 zu Antwerpen mit den Generalstaaten ein zwölfjähriger Waffenstillstand geschlossen, wodurch das Blutvergießen eine Zeit lang ein Ende nahm. Nach dem Tode Alberts, dessen Ehe kinderlos geblieben war, kam die Regierung an Philipp IV. König von Spanien (1621-1655), dem 1623 feierlich gehuldigt wurde. Der nach Ablauf des Waffenstillstandes ausbrechende Krieg brachte unserer Gegend wieder unsägliche Leiden. Das arme Oberquartier, (Quartier Roermond) so schrieben i. J. 1630 die Deputierten nach Brüssel, wird ganz überfallen und ausgesogen. Die Ammunitionspferde kosten viel, und die Soldaten, welche sie verpflegen, ruinieren die armen Untertanen; die Städte leiden gar viel durch die Einquartierungen, und die 10 Kompanien zu Pferde im Amte Krickenbeck nehmen sich sehr seltsam aus. - Gegen Pfingsten des Jahres 1632 rückte der Prinz Friedrich Heinrich von Oranien mit 3 000 Reitern und 17 000 Fußsoldaten gegen das Oberquartier (Quartier Roermond) vor und eroberte Straelen am 3. Juni, Venlo am 4. Juni und Roermond am 6. Juni 1632. Schlimm erging es nun besonders den Katholiken hiesiger Gegend, denen an manchen Orten die Uebung der Religion erschwert, an anderen geradezu verboten war. Die Bedrängnis derselben dauerte bis der Kardinal-Infant, der Bruder des Königs von Spanien, das Oberquartier wieder von der Herrschaft der Generalstaaten befreite. Zu den Orten des Oberquartiers, wo die Ausübung der katholischen Religion völlig untersagt war, gehörte auch Lobberich. Pater Norbert (Mathias Pricken aus Lobberich), der 1633 zu Lobberich das Pfarramt antrat, fand infolge der Kriege den Pfarrsprengel verwüstet und menschenleer. Als am 31. Juli 1635 der Kardinal-Infant von Spanien auf seinem Zuge nach Schenkenschanze in dem Bocholzer Burghause zu Lobberich übernachtete, hatte er ihm zu melden, dass in diesem Jahre 700 Pfarrkinder an der Pest gestorben seien. (Die Pest trat im Oktober 1634 in Geldern auf und nahm 1635 daselbst allgemeine Ausdehnung an. Von den Karmelitenpatres daselbst starben 2 Pastoren und 4 Geistliche, der letzte am 4. Mai 1637. In Straelen trat sie am 23. August 1635 auf und starben bis Januar 1636 389 Personen. In Nieukerk, wo bis dahin jährlich 40-50 Sterbefälle vorkamen, erlagen der Pest vom 29. Juli bis Ende des Jahres 1635 256 und vom 1. Januar bis zum 23. August 1636 163 Personen. Zu Nymwegen, in dessen Umkreis 10 000 Mann Truppen lagen, kam die Pest im Nov. 1635. Von Ende April an wütete dieselbe auf`s furchtbarste bis Ende Oktober 1636 ununterbrochen fort. Vom 1. August 1635 bis 1. August 1636 starben daselbst 6 009 Personen. Erst zu Anfang März 1637 begann die Seuche daselbst aufzuhören. In Xanten erlag i. J. 1636 der dritte Teil der Einwohner der Pest, und außerdem verließen viele Bürger die Stadt. Auch in Kaldenkirchen erlagen i. J. 1636 verschiedene dieser Seuche, und in Venlo 1635 der Vize-Pastor Johann van den Hueuel.) - Am Christi-Himmelfahrtstage, den 1. Mai 1636, verboten die Holländer (Generalstaaten) ihm und seiner Gemeinde bei 1 000 Brabanter Gulden Strafe die Ausübung der katholischen Religionsgebräuche; er zog mit den Seinigen Sonn- und Festtags nach der (an der Nette zwischen Lobberich und Breyell, in der Nähe Nelsenmühle gelegenen) "Burg Waldoos", wo der besitzende Edelmann mit Erlaubnis der geistlichen Oberen seinen Speisesaal in eine Kapelle umgewandelt hatte, und zur Verfügung stellte. Als aber Christi Geburt, den 25. Dezember 1636, die Holländer auch dort den Gottesdienst bei Strafe von 1 000 Gulden untersagten und sogar zur Verbannung der Katholiken schritten, spendete Pfarrer Pricken seiner Gemeinde im benachbarten Jülicherlande, zuerst eine Jahr im Kreuzbrüderkloster zu Dülken und dann in Breyell selbst die hl. Sakramente.

(Zusatz aus dem Anhang des Buches:)
Die zu Breyell gehörige, an der Lobberich-Breyeller Grenze, in der Nähe der Nelsenmühle gelegene "Burg Waldoes" war wahrscheinlich lange im Besitz der adeligen Familie von Waldoes. Im Jahre 1616 war Albert von Waldoes, Schultheiß von Bracht und Breyell, mit Katharina von Wachtendonk vom adeligen Hause Rosenhof zu Leuth verheiratet. welche 1616 starb. Von seinen Kindern erhielt sein Sohn Adolph von Waldoes, Kapitain, verheiratet mit Anna Dücker aus Leuth, 1613 das "adelige Stammschloss zu Breyell" (Von Adolph von Waldoes befindet sich noch ein Kelch in der Pfarrkirche zu Breyell vom Jahre 1622, der sein Wappen trägt.) Seine Schwester Katharina von Waldoes blieb auf dem Rosenhof zu Leuth (Hastert) und heiratete den Rittmeister Anton de Lembre, nach dessen Tode Paul von Steprath. Die Eheleute Paul von Steprath und Katharina von Waldoes starben auf Rosenhof zu Leuth, ersterer am 9. Oktober 1670, seine Gattin am 19. Februar 1675. Sie ruhen vor der Kommunionbank in der (alten) Pfarrkirche zu Leuth, der Leichenstein zeigte 2 Wappen, wovon das eine, einen mit sieben Steinen umgebenen Löwen (Steprath) und das andere einen Ochsenkopf (Waldoes) zeigt. Im Jahre 1743 war nur noch ein geschlossener Sitz der Familie von Waldoes im Chore der Kirche zu Leuth. Die "Burg Waldoes" zu Breyell soll durch eine Feuersbrunst zerstört sein

(Ende Zusatz)

Erst 1639 in der Octav Epiphaniae (13. Januar) spendete er in Lobberich selbst wieder die hl. Sakramente, und begann daselbst wieder der Gottesdienst. Pfarrer Pricken beschreibt diese Vorgänge selbst (im Kirchenbuch I, S. 2; abschriftlich auch Kirchenbuch II,) also: "Im Jahre 1635 kam der Fürst Kardinal Ferdinand von Spanien mit einem wohlgeübten Heere in unsere Gegend und richtete eine große Verwüstung in unserem ganzen Belgier-(?) lande an. Er infizierte unser Land mit Dysenterie (Ruhr) und Pest, so dass im folgenden Jahre über 700 aus unserem Dorfe starben."

Im Jahre 1636, am Osterfeste, wurde uns von den Holländern die Abhaltung des Gottesdienstes untersagt, unter Strafe von 1 000 Florin, der Aufenthalt in der Pfarre aber wurde uns erlaubt bis Weihnachten desselben Jahres; während dieses Zeitraumes ließ der Pastor die Seinigen zur Burg eines benachbarten Adeligen, Namens Waldoos kommen. Dieser stellte in seinem Hause einen Saal für das hl. Opfer mit Erlaubnis des Ortspfarrers von Breyell zur Verfügung. Nach Weihnachten wurden wir durch ein neues Edikt gezwungen, vollständig in die Verbannung zu gehen, unter Androhung obengenannter Strafe und zwar 2 Jahre lang; von diesen brachten wir das eine in Dülken im Kloster der Kreuzherren zu, das andere im Dorfe Breyell. 1639 in der Octav von Epiphanie konnten wir zurückkehren."

Vor der Ankunft des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien i. J. 1632 mußten die Bewohner des platten Landes an den Festungswerken von Venlo und Roermond längere Zeit Dienste leisten; im Juni und Juli raubten die truppen des Prinzen ihnen einen teil ihrer Früchte und der noch übrig bleibende Rest wurde von den Soldaten Papenheim`s welche von Mastricht nach Deutschland zogen, teils verdorben, teils mitgenommen. In den Schuldenbüchern sämtlicher Gemeinden der Aemter Krickenbeck und Kessel wird man unter dem J. 1633 die Aufnahme eines Kapitals verzeichnet finden. Sehr wahrscheinlich datiert aus jenem Jahre auch die folgende Schuld der Gemeinde Lobberich. Im J. 1661 stiftete Peter Wittling, ein gebürtiger Lobbericher, Rentmeister zu "Haus Blasrath" bei Straelen und "Haus Broeck", Brockerhof zu Lobberich, und seine Frau Katharina von Blittersdorf, für sich und ihre Anverwandten ein Jahrgedächtnis in der Lobbericher Kirche, und schenkten dazu 1 200 Gulden à 20 veloer Stüber, welche Summe beide Eheleute dem Kirchspiel Lobberich zur Abtragung einer gleichen Schuld, die in Kriegszeiten für Militär-Executionen bei dem Kloster St. Maria-Garten in Roermond aufgenommen war, vorgeschossen hatten. (Kirchenbuch.) Die Gemeinden waren damals von den Spaniern genötigt, diesen bei Stevensworth und anderswo Dienste zu leisten, wofür sie vom Prinzen von Oranien mit Verbrennung des ganzen Landes bedroht wurden. Um diesem Uebel zu entgehen, mussten sie eine Summe von 20,000 Gulden holländisch an die Generalstaaten zahlen. Die härtesten Leiden fielen in die Jahre 1635-1642. Im Jahre 1635 wurde unsere Gegend von Soldaten überschwemmt und auf`s furchtbarste heimgesucht. Es waren besonders die Kroaten, ein durch seine furchtbare Rohheit und Grausamkeit berüchtigtes Kriegsvolk, welches sich den gröbsten Gewalttätigkeiten gegen die armen Eingesessenen des platten Landes überließ. Sie raubten und plünderten alles, was ihnen begegnete; ja sie sollen sogar den Menschen Nasen und Ohren, Arme und Beine abgeschnitten haben. Obgleich sie als Freunde in unser Land kamen, so hausten sie ärger, als die schlimmsten Feinde, so dass noch lange Zeit hindurch sich das traurige Andenken an da "Kroatenjahr" im Munde des Volkes erhielt. Die Landbewohner verließen bei Ankunft dieser wilden Kriegsscharen überall Haus und Hof und flüchteten mit Hab und Gut teils in die geschlossenen Dörfer, deren Eingänge man, wie z.B. in Aldekerk, durch Anlage schwerer Schlagbäume zu verbarrikadieren suchte, teils in die örtlichen Schanzen. Die Gemeinde Leuth erfuhr Schreckliches von den Kroaten. "Die Kaiserlichen", so berichtet ein altes Dokument, "haben geplündert die Heier (Leutherheider) und Bosserschanze, (Büscherschanze, am Witt, in der Nähe von Bontenackelshof), gehörend unter Leuth; von der zweiten (Büscher) Schanze haben sie weggenommen ungefähr 800 Malter Früchte, und dabei Kühe, Kälber, Pferde, Schweine; dabei allen Hausrat, als Betten, Kleider, alle Leinwand, welche die Hausleute in den Häusern gehabt; dabei hat man nackt erscheinen müssen und mit den Leuten sind sie umgegangen, wie Türken und Juden. So ist man aller Dinge verlustig gegangen, auch sind einige Leute tot geschlagen und ins Wasser ersäuft. Noch haben in dem Dorf gelegen 6 Tage lang 4 Regimenter zu Pferde, und haben die Häuser und Scheunen abgebrochen:" Diesem ist dann noch folgendes Verzeichnis von Ausgaben Leuth`s beigefügt: "Erstlich haben die Capitains an Geld bekommen 160 Reichsthaler. Die Lieutnants, Fähnriche und andere Offiziere und gemeine Soldaten an Geld bekommen, das sie den Hausleuten abgezwungen haben, die Summe von 700 Reichsthaler. Noch hat ein Capitain gekostet an Wein, Bier und Sonstigem 962 Gulden. Nach hat ein Capitain an Wein, Bier und Anderem erhalten 1 100 Gulden. Noch sind an Salvegardegeld, das man uns abgezwungen hat, gegeben 150 Reisthaler. Noch haben 2 Capitains an Hafer und Heu gekostet 540 Reichsthaler. Noch haben sie an Gebäuden vernichtet für 425 Reichsthaler. Noch haben die gemeinen Soldaten gekostet an Essen und Trinken 2 725 Reichsthaler." In einer Klageschrift vom J. 1 640 heißt es noch, dass "zur Zeit als die kaiserlichen Kroaten in Leuth gewesen" eine Schutzwache des This Bontenakelshofes daselbst, dem Johann Tüllings von dorten ein Pferd weggenommen habe. Aehnlich erging es vielen anderen geldernschen Gemeinden. So z.B. wurde zu Wankum nach einer daselbst noch bestehenden Tradition, beim Einfall der Kroaten, eine alte Frau auf Kaethof am Langdorf von jenen ganz ausgekleidet, in ein offengeschnittenes Federbett gesteckt, mit den Haaren an den Schweif eines Pferdes gebunden, und dann zum Dorfe Wankum geschleppt, wo sie bald gestorben sei. Die Schanze zu Kevelaer, von wo aus man, der Ueberlieferung nach, auf eine Abteilung vorüberziehender Kroaten geschossen haben soll, wurde am 1. August 1635 von diesen erstürmt. Alle darin befindlichen Einwohner wurden bis auf drei niedergemetzelt, und die Frauen und Kinder in einer Weise misshandelt, "wie Türken und Heiden es nicht schlimmer hätten machen können." Eine Kreuzigungsgruppe mit schöner Linde (Kreuzbaum) bezeichnet noch gegenwärtig die Stelle, wo an genanntem Tage bei 100 Menschen einen schrecklichen Tod fanden. Am folgenden Tage, (2. Aug. 1635,) gegen Abend wurde die Schanze zu Winternam bei Nieukerk gewaltsam überfallen, und die darin befindlichen Landleute ihrer Habseligkeiten, worunter 30-40 Pferde, beraubt. Auch die Schanze zu Rheurdt und die dortige Kirche, wohin man über 50 Pferde geflüchtet, erlitt dasselbe Schicksal. Ein Zeitgenosse berichtet am 3. August 1635, dass an vielen Orten der Vogtei Gelderland die Bewohner ausgewandert seien, dass in den Bauerschaften: Winternam, Baersdonk, Vernum und Hartefeld keine Menschen mehr auf den Höfen sich befänden, und dass der Schöffe zu Vernum sich in die Stadt Geldern geflüchtet habe. Niemand dürfe sich mit einem Pferde im Felde sehen lassen, ohne Gefahr zu laufen, von den herumreitenden Kroaten desselben beraubt zu werden. Zugleich wurde die Furcht ausgesprochen, dass diese auch die Kirchen und Klöster erstürmen und plündern möchten. In der Tat erlitt die Kirche zu Nieukerk bald nachher dieses Schicksal. Zu Straelen wurden vom 1. bis 23. August 1635 12 Personen auf eine grausame Weise von ihnen umgebracht. Auch im Clevischen hausten die Kroaten in ähnlicher Weise. Bereits i. J. 1634 drangen sie in die Kirche zu Gaesdonk ein, in der sie sich solche Freveltaten zu Schulden kommen ließen, dass dieselbe wieder geweiht werden musste. Millingen und andere Orte wurden von ihnen ausgeplündert. Ueber Lobberich speziell wird uns vom J. 1637 und 1640 noch gesagt: "Am 21. Dezember 1637 kam ein Trupp von fünfzig Man aus Geldern in Grefrath an, "die tag`s zuvor in Lobberich gesessen und getrunken und sich des Abends in Hinsbeck Geld hatten geben lassen." (Am 28. Dezember 1637 wurden zu Grefrath zwei Totenkisten gekauft für zwei Venloer Soldaten, die in dieser Gemeinde geschossen waren, und auf dem Pfarrkirchhof begraben wurden.) Im Jahre 1640 nahmen ebenfalls die Truppendurchmärsche kein Ende. Im Januar 1640 lag in Lobberich Straelener Volk. Ein Leutnant, welcher nach Grefrath "boeten schicket, dass sei sollen kommen, oder er wolt kommen", bekam zur Besänftigung ein ansehnliches Geschenk. Ende des Jahres traten die einzelnen Gemeinden des Amtes in Roermond zusammen, um wegen "verderfs des keiservolkes eine Supplik zu entwerfen."

Nach einer Notiz des Pfarrers Pricken (Kirchenbuch I u. abschriftl. Kirchenbuch II) war am 4. April 1640, Morgens, zu Lobberich ein heftiges Erdbeben; es erschütterte die Häuser und den Turm.

Schlimm erging es wiederum unserer Gegend im Jahre 1642. Anfangs Januar 1642 rückte eine verbündete französich-weimarsche Armee unter Befehl des Grafen von Gunbriant bei Wesel über den Rhein und vereinigte sich hier mit einem kurhessischen Korps unter dem Grafen von Eberstein, um die Kaiserlichen zu bekriegen. Beide Heere waren zusammen 9 000 Mann stark. Dieselben eroberten Uerdingen, Linn und andere Orte, und verbreiteten sich alsdann raubend und plündernd über die ganze niederrheinische Gegend. Der kaiserliche General Lamboy hatte inzwischen mit 9 000 Mann die Maas überschritten, und zwischen Krefeld und St. Tönis, in der St. Töniserheide, eine feste Stellung genommen. Am Tage St. Antonius, den 17. Januar 1642, gelang es der vorgenannten französisch-weimarschen Armee, in genannter St. Töniserhaide, dem kaiserlichen Feldherrn Lambon eine vollständige Niederlage beizubringen, welches die ganze Umgegend in Schrecken setzte. Gleich einer zerstörenden Wasserflut stürmten die Hessen-Weimaraner über unsere Gegend hin und furchtbar waren die Verwüstungen, welche sie anrichteten. Am 20. Januar 1642 brannten die Hessen das ganze Dorf Grefrath nieder. Abgesehen von den Ländereien, die verwüstet wurden und brach liegen geblieben, schätzte man den Schaden auf 30,250 Reisthaler. Die Einwohner Lobberichs, dadurch erschreckt, flüchteten 3 Tage später, in tiefer Nacht des 23. Januar, nach Venlo und nur einige Wenige nahmen ihre Zuflucht in die nahe "Burg Bocholtz" und in die Pfarrkirche. Am dritten Pfingsttage, den 10. Juni 1642, fielen die Hessen in Lobberich ein und erstürmten und plünderten die Pfarrkirche. Der Pfarrer Pricken und die anderen Geistlichen, sowie andere Leute, retteten sich auf den Kirchturm, und entflohen von da auf Schloß Krickenbeck, wo sie sieben Wochen Schutz fanden, und auf`s freundlichste bewirtet wurden. Alsdann kehrte Pfarrer Pricken in sein Pfarrhaus zurück. Pfarrer Pricken beschreibt dieses also: (Kirchenbuch 1. S. 2; Kirchenbuch II Abschrift.) "Als i. J. 1642 am 17. Januar, am Feste des hl. Antonius, das Heer des Lamboys von den Hessen und Franken in die Flucht geschlagen war, wurde unser Land in große Aufregung versetzt. Aus Furcht vor einem so schrecklichen Brande, wie ihn das Dorf Grefrath am 20. Jan. hatte erleiden müssen, flohen wir am 23. Jan., in einer stürmischen Nacht, auf Venlo zu. Wenige blieben in der Kirche und auf der "Burg Bocholtz". Dienstag nach Pfingsten drangen die Feinde in die Kirche, welche bis dahin tapfer verteidigt war und plünderten sie vollständig. Der Pastor und die Leute flüchteten in den Turm und auf das Gewölbe. Der Pastor floh zu der Burg Krickenbeck, dort blieb er sechs Wochen; dann kehrte er zu den Seinigen zurück und blieb Tag und Nacht in der Kirche oder in der Nähe derselben." Es scheint, dass auch die Familie von Bocholtz zu Burg Bocholtz sich zu ihren Verwandten, den Domherren in Lüttich, zurückgezogen hatte, um in Ruhe einem Familien-Ereignisse entgegensehen zu können. Der Frhr. Arnold von Bocholtz zu Bocholtz und seine Ehefrau Eva von Velbrück hatten nämlich 17 Kinder, von denen das erste 1639 und das elfte 1651 zu Burg Bocholtz geboren wurde, die späteren in Roermond, wo der Vater als Rat des Fürstentums Geldern bis zu Abdankung zu Gunsten seines Sohnes Egidius Werner wohnte. Dieser genannte Egidius Werner war das vierte Kind obiger Eheleute, und ist zu Lüttich am 15. Juli 1642 geboren.

Wie im Amte Krickenbeck und Erkelenz, so hausten die verbündeten Armeen in der ganzen Umgegend, Dülken, Süchteln etc. Zu Bracht wurden von den "hessischen Völkern die Leute zum höchsten verdorben, und erbärmlich um Leib und Leben gebracht." Ueber Leuth heißt es, dass der Adel bei "Invasioe der hessischen Truppen i. J. 1642" sich nach Venlo zurückgezogen hatte. Vermutlich fand damals auch jene allgemeine Plünderung statt, worüber ein nicht datiertes Verzeichnis von Schäden Leuth`s uns berichtet. "Ich unterzeichneter erkläre" so beginnt das Verzeichnis, "int Plündern van myn Huys quitt geworden to syn on Meublen, Geld, Silberwerk, Beesten, (Vieh), Kisten und Kasten, so in Stücken geschlagen, mehr wert als 920 Reichsthaler. I. Ingenhoven." (I. von Ingenhoven war der Besitzer des Hauses Barlo in der Hondschaft Barlo zu Leuth um diese Zeit.) Im Ganzen steht das Barloer Rott (Hondschaft) mit einem Schaden von 3 962 Reichsthalern verzeichnet. Es ist bei diesen und den noch folgenden Verwüstungen und Schandthaten kein Wunder, dass in späterer Zeit in der ganzen hiesigen Gegend noch oft von der "Hessenzeit" die Rede war.

Nur von einzelnen Orten besitzen wir nähere Nachrichten über die von den Herren, weimar-hessischischen Truppen, verübten Grausamkeiten und Zerstörungen, die vieles übertreffen, was bisher an Gewaltthätigkeiten seitens der zügellosen und raubgierigen Soldateska mitgeteilt ist. Ueber Straelen wird berichtet: "Sie schändeten die Frauen in Gegenwart ihrer Männer, sie zogen diese in Schornsteine hinauf, und zündeten alsdann Feuer unter denselben an, ja sie banden zuweilen Frauen mit den Haaren an die Schweife ihrer Pferde." So schreibt ein Zeitgenosse, dass sie die Burg Clörath, die Stadt Süchteln, das Kloster zu Viersen, gänzlich ausgeplündert und sodann drei Schanzen des Kirchspiels Viersen (zum Amte Krickenbeck gehörig,) erstürmt, die größte derselben mit den darin befindlichen Menschen verbrannt, und eine auperordentlich große Menge Vieh, Getreide und sonstige Habseligkeiten aus den zur Gemeinde Viersen gehörenden Ortschaften geraubt hätten. Zufolge eines amtlichen Berichtes, welcher diese kurzen Mitteilungen vervollständigt, baten die Schöffen von Viersen den Obristen Rosen, bei seiner Ankunft auf dem Hause Oedt zu Oedt um Verleihung von Schutzbriefen mit militärischer Begleitung, wofür sie demselben 1080 Reichsthaler und zwei Pferde geben mussten. Sodann erhielt Viersen acht Kompagnien Reiterei auf vier Wochen als Einquartierung; bei ihrem Abzuge drohten sie, die Schöffen und Geschworenen, oder an deren Stelle die Glocken mitzunehmen, indem sie sich hierdurch nochmals 1 200 Reichsthaler in baarem Gelde erpressten. Bald nachher wurden durch den zu Gladbach in Garnison stehenden Obristen nicht weniger als 350 Kühe von Viersen weggeschleppt. Wenige Tage später kam Obrist Rosen wieder zurück und nahm 363 Pferde weg, die man im Kloster, in der Kirche und in den drei Schanzen in Sicherheit gebracht hatet. Außerdem wurden die Frauen und die Jungfrauen geschändet und getötet, und mehr als sechzig Häuser niedergebrannt. Nachdem die Feinde über 3 700 Reichsthaler und 110 Malter Hafer von den Eingesessenen erpresst hatten, fingen sie an, die armen Hausleute aufzugreifen und dieselben zur Zahlung eines Lösegeldes von 30, 50, 60, 100 bis 200 Reichsthaler zu nötigen. Als endlich der Obrist Rosen keine Gelder mehr von den Unterthanen aufzutreiben vermochte, griff er am 14. September 1642 mit 9 Regimenten und 7 Kanonen die große Schanze und zugleich das Kloster, die Kirche und die beiden kleineren Schanzen an, indem er Alles der Plünderung preisgab und Möbel, Kleider, Leinwand, Früchte, Kupferwerk, und mehr als 1 000 Stück Hornvieh und viele Pferde wegnahm. Die Eingesessenen wurden misshandelt und getötet, ja sogar gezwungen, ihre Habseligkeiten selbst zu der Armee zu tragen, so dass diejenigen, welche sich noch retten konnten, nach der Stadt Venlo flüchteten. Nachdem dieses unmenschliche Verfahren vom Morgen bis zum Abende gedauert hatte, zog Rosen in sein Standquartier zurück. Am folgenden Tage kamen andere feindliche Truppen, die alles das noch raubten, was die ersteren nicht hatten wegschleppen können. Bei ihrem Abzuge steckten sie die große Schanze, welche ungefähr 150 Häuser enthielt, in Brand. Soviel über Viersen. (Beim Dorfe Bracht liegt eine Hondschaft, die Schanze genannt.) In ähnlicher Weise wurde die Vogtei Gelderland von den verbündeten Armeen heimgesucht. Unter andern wurden zu Nieukerk ungefähr 30 Häuser niedergebrannt. In Aldekerk, welches damals 170 Häuser zählte und wo der Feind mehr als 10 derselben anzündete, brannte das ganze Dorf, einschließlich der Pfarrkirche, des Nonnenklosters und dessen Kirche, nieder. Nur ein einziges Haus soll nach der Ueberlieferung erhalten geblieben sein. Die ganze Armee hatte sich auf das Feld zurückgezogen und hielt dort so lange, bis das Feuer den Ort vernichtet hatte. Hiernach bezog der Feind ein befestigtes Lager zwischen Aldekerk und Nieukerk, von wo aus er die ganze Umgegend sengend und brennend durchzog. Im Bereiche der Vogtei wurden beinahe 40 Höfe niedergebrannt, sämmtliche Schanzen erstürmt und geplündert, dabei die Frauen und Mädchen geschändet, die Einwohner misshandelt, gemordet, oder zur Erpressung eines hohen Lösegeldes gefangen gesetzt. Alles, was die raubgierigen Soldaten vorfanden, Lebensmittel, Ackerbaugerätschaften, Wagen etc., wurde von ihnen mitgenommen oder verbrannt, so daß den meisten Einwohnern nur das nackte Leben übrig blieb.

Die dem westfälischen Frieden (1648) nächstfolgende Zeit, wo Frankreich und Spanien fortfuhren, mit einander Krieg zu führen, war keineswegs darnach angethan, dass die Gemeinden von ihren drückenden Schulden sich befreiten; statt Tilgung folgte vielmehr eine Vermehrung derselben. Am 1. Febr. 1651 nahmen die "von Adel, Geerbten, Schöffen, Geschworene und Gemeinde-Eingesessene des Kerspels Lobbroeck im Lande von Creckenbeck" in ihrer großen Not, um Schaden vorzubeugen, "zur Bezahlung von Kontributien, beden oder Subsidien", bei Mathias Alberts, Bürger zu Venlo, 2 000 Gulden, den Gulden zu 20 Stüber, auf. Diese Summe wurde am 11. Februar 1712 von Remet Strour und Tilman Smetz, genannt Schmitter, zu Lobberich, übernommen, welche die Summe an Heinrich Spee zu Venlo zurückzahlten. Am 15. Januar 1774 bescheinigt A. Kruchtens née Strur zu Breyell seinen Anteil dieser Summe mit 535 Gulden durch Johannes Heythausen zu Lobberich empfangen zu haben; also bestand damals diese Gemeindeschuld noch. - Vor allem war es die starke Einquartierung, unter welcher das gesamte Oberquartier, bis zum Abschlusse des pyrenäischen Friedens (1659) viel zu leiden hatte; zudem erlaubten sich die Truppen, unter diesen besonders die Lotharinger, welche unter dem Befehle des Herzogs Karl V. nach dem Friedensschlusse vom Jahre 1648 unser Gelderland noch besetzt hielten, die größten Insolenzen gegen die Eingesessenen. Ebenfalls verübten die spanischen Truppen unter dem Oberbefehle des Prinzen von Condé große Erzesse. Zu gleicher Zeit war unsere Gegend feindlichen Einfällen ausgesetzt. Französische Streifkorps fielen unerwartet in das Land ein, plünderten und verbrannten Häuser und schleppten Bewohner gefangen mit sich fort, welche sich nur mit großen Summen loskaufen konnten. Besonders hatten die an der jülich`schen Grenze gelegenen Ortschaften durch die Ueberfälle viel zu leiden, daher hier auch denn der Handel gänzlich darniederlag und manche ihren Heimatort verlassen hatten. Zur Sicherheit des Landes verordnete die Regierung durch Befehl vom 21. Okt. 1656 eine aus 1 000 Mann bestehende berittene Landwehr, wozu jede Gemeinde eine bestimmte Anzahl stellen musste. Würde ein Ort vom Feinde überfallen, so sollte dies durch Glockenschlag und Boten den Nachbarorten angezeigt werden, die dann eiligst mit der wehrhaften Mannschaft zu Hilfe eilen müssten. Zudem sollten die Landwehren und Schlagbäume eiligst wieder hergestellt und sorgfältigst bewacht werden. Diese und andere Bestimmungen wurden jedoch von verschiedenen Gemeinden zu ihrem eigenen größten Schaden zeitweilig nicht befolgt. In einer Bittschrift vom Jahre 1655 an den Prinzen von Isenghien, Statthalter des Oberquartiers (Quartier Roermond) bemerkten die Schöffen und Regierer der Kirchspiele Grefrath, Lobberich, Leuth und Hinsbeck, dass "fransche (französische) Rovers ende Loogers met kleine ende groote Paryen hun onderstaen, dageir meer ende meer hunner Supplikanten Linniten ende Grensen (Grenzen) aen te stooten, om syner Majestät schameln Onderdaenen met Bangen ende Spannen te bringen in hunne uuyterste Ruyne." Eben deshalb, so sagen die Bittsteller weiterhin, ständen sie fortwährend auf der Wacht, um Gewalt und Unglück, soviel als möglich, von sich abzusehren. Es könne daher der Fall eintreten, dass sie den Feind vertreiben müssten, auch ihnen wohl die Gelegenheit gegeben werden, den Feind in den benachbarten Ländern Köln, Jülich und Cleve aufzusuchen und zu verfolgen. Man möge ihnen deshalb eine Instruktion erteilen, wie sie gegen den Feind sich verhalten sollten. Der Statthalter erwiderte ihnen hierauf am 3. Dez. 1655, dass sie sich gegen alle, die irgend eine Feindschaft gegen sie betrieben, verteidigen sollten, wie sie es nur immer könnten und auch dieselben überall aufsuche und verfolgen dürften und selbst die prätendierte Neutralität der Länder Köln, Jülich und Cleve dabei nicht zu respektieren brauchten. In dieser Weise sollten sie verfahren, bis dass auf das Schreiben des Erzherzogs an den Kurfürsten von Köln, den Kurfürsten von Brandenburg und den Fürsten von Neuburg diese Letzteren auf ihrem Grund und Boden keine Feinschaft mehr gegen die Krone von Spanien gestatteten. Jahre lang behaupteten sich jedoch die Franzosen noch auf jülich`schem Boden und mehrmals gelang es ihnen, verschiedenen Gemeinden des Amtes Krickenbeck großen Schaden zuzufügen. So überfielen sie am 2. Oktober 1658 Wankum strengte darauf gegen die Gemeinden Grefrath, Lobberich, Hinsbeck und Leuth eine Klage an, weil dieselben die nach dem Edikte vom 21. Oktober 1656 vorgeschriebene Hülfeleistung vernachlässigt hätten. Die verklagten Gemeinden erwiderten hierauf, dass sie die Schlagbäume geschlossen gehalten, die Wege, soviel als möglich besetzt, mit ihren Rotten gewacht, zur Zeit des Einfalles Alarm gemacht, auf die Glocke geschlagen, Boten ausgesandt, den Gouverneur von Venlo davon in Kenntnis gesetzt, die Waffen in die Hand genommen, sich auf der Haide und an andern Wegen versammelt, überhaupt alles gethan hätten, was von dem Edikte gefordert würde. Wankum habe sich selbst die Schuld seines Unglückes zuzuschreiben. Wolter op den Merthof und Peter Laer seien am 2. Okt. 1658 bei Anbruch des Tages zu Wankum hinausgegangen, um die Wachen zu revidieren. Sie hätten den Hauptbaum offen gefunden, nach den Wächtern gerufen und die Antwort erhalten, man habe die Wächter gehen lassen. Obgleich nun diese beiden Wankumer die Bewohner des Dorfes Honschaft benachrichtigt hätten, dass ungesäumt eine Wache an den "Hüppelerweg" gestellt werden müsse, weil dort vom Feind ein Einfall stattfinden könne und die Wächter bei einer Attacke sich leicht in das benachbarte "Peschken" zurückziehen könnten, so sei doch der genannte Weg unbesetzt geblieben. Dieses habe dann auch dazu gedient, den Feind seinen Zweck ausführen zu lassen. Die Wankumer hätten, sagt die Quelle weiter, schändliche gefehlt, da sie zur Zeit der Gefahr nicht zu den Waffen gegriffen, namentlich als das Dorf Leuth in Feuer und Flammen stand, die Einwohner ermordet oder verwundet und die wenigen noch stehen gebliebenen Häuser geplündert wurden. Hierauf entgegnete Wankum, dass es unmöglich sei, alle Zugänge einer Gemeinde zu besetzen und der Feind ebenso wohl durch unbekannte, mit Gras und Gesträuch bewachsene Wege, ja sogar durch Viehtrifte hineinschleichen können. Dies beweise der Vorfall in Lobberich, wo der Feind gerade durch einen bewachsenen und ungebrauchten Weg eingebrochen sei. Von der Gegenseite wurde dies zwar zugegeben, jedoch auch hinzugefügt, dass die Lobbericher rasch jenen Weg wieder aufgeworfen hätten; ferner sei deren Schultheiß mit seiner bewaffneten Mannschaft zur Wankumer Heide gezogen wobei er zwar an vielen Häusern vorbeigekommen, jedoch Niemanden vom ganzen Kirchspiel angetroffen habe. Die Wankumer könnten keine Handlung aufweisen, aus welcher auch nur in etwa die Absicht einer Verteidigung, Mitteilung eines feindlichen Einfalles und Verfolgung des Feindes sich kundgäbe; sie hätten mit den anderen Gemeinden nicht auf den Feind losgehen wollen, ja, nach ihrer eigenen Angabe, vor dem Feinde sich in Büschen und Sträuchern, in Heu und Stroh, versteckt. Beim Abzuge des Feindes seien sie in Kirschbäume gestiegen und hätten ihm aus diesen, wie auch aus Gräben und Sträuchern nachgeschaut, ohne einen Fuß in Bewegung zu setzen, worauf dann die schreckliche Katastrophe in Leuth sich ereignet habe. Soviel besagt uns ein im Gemeinde-Archiv zu Wankum vorhandener Prozessakt. Das Unglück, welches Leuth damals betraf, muß ein ungemein großes gewesen sein; denn noch i. J. 1673 wird jener Brand ein allgemeiner Brand genannt und hinzugefügt, dass nur der Schaffstall des Tüllingshofes unverletzt geblieben ist. Nach einem andern, im Archiv des Hauses Wachtendonk vorhanden, zwar nicht datierten, jedenfalls aber der in Rede stehenden Zeit angehörenden Dokumente wollten eines Abends 4 Hausleute mit ihren Karren und Pferden von Roermond nach ihrer Heimat Lobberich sich begeben. Kaum hatten sie sich der jülich`schen Grenze genähert, als französische Freibeuter sie plötzlich überfielen, einen von ihnen töteten und den übrigen zwei Pferde raubten. Infolge dieses Vorfalles baten die Dörfer Grefrath, Lobberich, Leuth und Hinsbeck die Regierung, das die Grenzorte fortan mit Schutz versehen würden, bis der Geschäftsverkehr mit dem Jülicherlande mehr Sicherheit gewähre. Ohne solchen Schutz, bemerkten die Einwohner in ihrer Eingabe, würden ihnen alle Zufuhren abgeschnitten und sie selbst genötigt sein, Haus und Hof zu verlassen, was von Manchen bereits geschehen sei Wiederholt noch machten die genannten Gemeinden die ernstesten Vorstellungen bei den Landständen und diese bei der Regierung, ohne dass jedoch Remedur erfolgte; sie blieben in ihrer trostlosen Lage, bis endlich am 7. Nov. 1659 Frankreich und Spanien mit einander Frieden schlossen. - Bemerkenswerter Weise machten damals auch landesherrliche Truppen durch ihre Plünderzüge die Gegend unsicher. So klagte z.B. am 13. Februar 1657 der Magistrat von Venlo bei den Landständen, dass zu Straelen einquartierte Reiter die nach Venlo kommenden "huys-ende mercktluyden aentasten, plundern ende uuytschudden"; noch vor wenigen Tagen hätten jene Soldaten einigen aus Krickenbeck nach Venlo gehenden Leuten auf der Haide zwanzig Steine Flachs, zwanzig Malter Korn und noch andere Waren abgenommen.

Bei solchen Zuständen darf es uns nicht wundern, dass die Armut immer größere Dimensionen annahm. Von mehreren Orten, wie Straelen und Erkelenz, wird ausdrücklich berichtet, dass sie gänzlich dem Ruin verfallen und die Einwohner armutshalber großenteils fortgezogen seien. Schlimm sah es damals auch im Amte Krickenbeck aus; denn die gesamten Schöffen der einzelnen Gemeinden desselben berichteten i. J. 1660 an die Landstände, dass ihr Amt durch die außergewöhnlich großen Abgaben in Armut verfallen und einzelne Höfe so belastet seien, dass niemand mehr Geld darauf leihen wolle; wofern man von ihnen fortan noch mehr fordere, als in ihrer Macht stände, so müssten sie die Heimat verlassen und sich im Jülicher- oder Kölnerlande niederlassen, wo die Lasten geringer wären. Trotz "der armsalige tyden" fuhren damals junge Leute zum "Schandael van de gantsche werelt" fort, "foyen te eyschen ende by te jaegen, vastelavonds spelen mit dansen, springen ende diergelyke dertelheden vor te stellen, als of dese landschappe was in volle overvloedicheyt", bis i. J. 1656 von den Landständen ein strenges Verbot dagegen erlassen wurde.

Durch die langjährigen Kriege waren die finanziellen Zustände der spanischen Niederlande allmählig so zerrüttet, dass die königlich spanische Regierung sich zuletzt nur noch mit dem Verkauf vieler Domänen zu helfen wusste. Am 11. Mai 1655 wurde öffentlich bekannt gemacht, dass die Jurisdiktionsgefälle von 23 Gemeinden im Oberquartier (Quartier Roermond) an den Meistbietenden veräußert werden sollten; jedoch unterblieb einstweilen noch der Verkauf, weil die Landstände nicht damit einverstanden waren. Bereits 1649 war Wachtendonk in den Besitz des Grafen Arnold Wolfgang von Huyn-Geleen übergegangen; i. J. 1650 war die spanische Regierung in Unterhandlung mit dem Freiherrn von Schaesberg zu Krickenbeck über den Verkauf der Jurisdiktion der Gemeinde Hinsbeck, welcher Verkauf aber auch erst 1673 gelang. Nachdem die Feilbietung am 3. August des Jahres 1673 abermals publiziert worden war, gelangten aus dem Amte Krickenbeck: Lobberich, Grefrath, Herongen, Hinsbeck, Leuth, Wankum und andere Gemeinden, Unter andern das ganze Amt Geldern, in den Besitz von Privatpersonen. Am 16., 17. und 18. November 1673 fand die öffentliche Feilbietung der Gemeinden statt. Die Regierung verkaufte die "Herrlichkeit Lobberich", gelegen im Oberquartier von unserm Lande und Herzogtum Geldern, als "bundich" erbliches geldernsches Lehen für die Summe von 10 400 Pfund, zu 40 Groten flandrischer Münze jedes Pfund (10 400 Livres), an Gillis (Egidius) Werner von Bocholtz zu Bocholtz, ältesten Sohn des Rates von Gelderland. Der Ankäufer erhielt daselbst die hohe, mittlere und niedere Gerichtsbarkeit, nebst den damit verbundenen kriminellen und civilen Brüchten und sonstigen Gefällen, ferner das Recht zur Anstellung des Schultheißen, der Schöffen, Geschworenen und des Gerichtsboten, Bepflanzen der großen Gemeindewege und Gemeindegründe, Vogelstellerei, Fischerei, Jagd, zum Aufgebot von Diensten, alle Servituten und Gerechtsame, worauf der König bisher Anspruch hatte u. Vorbehalten wurden der Regierung alle Domänen, Aktien und Einkünfte, das Aufgebot der Eingesessenen zu militärischen Diensten, die Baden- und Lehngebühren, Remissionen von verjährten Verbrechen, Legitimationen, das Verleihungsrecht von Wasser, Wind und Mineralien, die Konfiskation an Leib und Gut wegen Rebellion und anderer Verbrechen und sonstige Regalien, welche zur Souveränität gehören. Dem Ankäufer wurde als Pflicht eingeschärft, die Eingesessenen bei ihren alten Rechten und Privilegien zu halten, sie nicht mit neuen Auflagen und Diensten zu beschweren, gute Aufsicht über die Grenze des Landes zu führen, die Herrlichkeit nicht an ein Kloster, Gotteshaus, noch sonst an eine tote Hand, ferner nicht an Städte oder Feinde des Königs zu verkaufen, gute Justiz zu üben und geeignete Personen anzustellen und sich zu halten, wie es für einen guten und getreuen Lehnsmann sich gezieme. Dieser Verkauf wurde am 27. November 1673 durch König Karl II. von Spanien genehmigt.

In denselben Tagen kaufte Freiherr Wolfgang Wilhelm von Schaesberg, Herr zu Krickenbeck, folgende Gemeinden des Amtes Krickenbeck:

die Herrlichkeit Hinsbeck für 7 700 Livres,

die Herrlichkeit Leuth für 5 800 Livres

die Herrlichkeit Herongen für 3 140 Livres

die Herrlichkeit Wankum für 7 840 Livres

Am 26. Januar 1675 verkaufte die Staatsregierung dem Freiherrn Arnold Adrian von Hoensbroech (zu Schloß Haag bei Geldern), mit Rücksicht auf die der Krone mehrmals bewiesenen treuen Dienste für die Summe von 100 000 Pfund, das Pfund zu 40 Groten flandrischer Münze, als erbliches geldernsches Lehen, die hohe, mittlere und niedere Gerichtsbarkeit sämtlicher Dörfer der Vogtei und des Niederamtes Geldern, nebst den damit verbundenen, vorhin (bei Lobberich) schon angegebenen Gefällen und zwar folgender Gemeinden: Nieukerk, Winternam, Vernum, Sevelen, Aldekerk, Rheurdt, Schaphuysen, St. Tönisberg (St. Antoniusberg), Stenden, Rayen-Eyll, Pont, Veert, Wetten, Kevelaer, sowie Klein-Kevelaer und Capellen.

Als nach dem Tode Philipps IV. (17. September 1665) sein Sohn Karl II. (1665-1700) die Regierung des Landes angetreten hatte, trat Ludwig XIV., König von Frankreich, obgleich er bei seiner Verheiratung auf alle Erbansprüche, auf den Nachlaß seines Schwiegervaters, des verstorbenen Königs Philipp IV. von Spanien, verzichtet hatte, dennoch als Prätendent der spanischen Niederlande auf. Auch Spanien erklärte 1673 Frankreich den Krieg, welcher erst 1678 und 1679 im Frieden zu Nymwegen beendigt wurde. Aber bereits nach wenigen Jahren, am 11. Dez. 1683, erklärte Spanien abermals notgedrungen Frankreich den Krieg, der erst am 20. September 1697 im Frieden zu Ryswick beendigt wurde. Während dieser langjährigen Kriege wurde unsere Gegend sowohl von französischen, als auch von staatlichen, brandenburgischen, hannoverischen, lüneburgischen, baierischen und anderen Truppen durch Plünderungen und Ausschreibungen von Kontributionen vielfach heimgesucht und um die Wette gebrandschatzt, so dass das arme Land, welches sich von den Drangsalen der früheren Zeit noch nicht erholt hatte, wieder das Äußerste leiden musste. Wie über verschiedene andere Orte, so ist uns auch über Lobberich über diese Zeit nur wenig erhalten geblieben. Es wird uns nur berichtet, dass die Schöffen, Geschworenen und Geerbten des Kirchspiels Lobberich am 8. Oktober 1668 von Trinekn Saertz aus Süchteln, zur Zeit Kochmagd auf dem "Wydenhof", (Pastorat) eine Summe von 100 Reichsthaler aufnahmen, "um in der Gemeinde jetziger höchster Not und betrübter Zeit, bevorstehendem Unheil und Schaden vorzukommen". Diese wurden laut dieser besiegelten Schöffenurkunde "angewandt an die Militair-Erekution" oder "Kontribution der Franzosen". - Ferner wird uns berichtet, dass die Schöffen und Geschworenen der Herrlichkeit und des Kirchspiels Lobberich am 6. Oktober 1679 von Hermann Mevisen und seiner Ehefrau Naeßken 100 Reichsthaler aufnahmen, "um der Militair-Erekution der Gemeinde vorzukommen." - Im Jahre 1791 bestand diese Schuld noch, denn am 14. November 1791 übertrugen Erben des genannten Mevisen, die Eheleute Con. Bosch und Maria Lamberts diese besiegelte Schuldobligation von 100 Reichsthaler Specie der Gemeinde Lobberich, gegen Zahlung von 125 Reichsthaler Clevisch an Johannes Heythausen auf Bengmannshof. Auch über die Gemeinde Leuth ist uns Verschiedenes erhalten. So waren 1677 münstersche Trupen, 1679 Kavallerie, am 26. September desselben Jahres hessische Truppen, 26. November desselben Jahres 2000 Bayern in Leuth. Am 20. März 1684 nahmen die Franzosen wiederholt Erkelenz, plünderten die Stadt zogen die Bürger nackt aus und setzten dann, nach Niederbrennung der Häuser vor dem Orte, ihren Raubzug nach Lobberich, Hinsbeck, Swalmen und Krickebeck fort. Hinsbeck soll sogar i. J. 1684 von den Franzosen verwüstet und niedergebrannt worden sein. Am 19. Juli 1695 fielen 200 französische Reiter in Leuth ein und nahmen den Schöffen Müllers und den Geschworenen Gotsens als Gefangene (Geißeln) mit nach Luxemburg, wodurch dann das Abbrennen des Dorfes verhindert wurde. An Beschädigung der Früchte und durch Plünderung seitens der Franzosen erlitt die Gemeinde einen Nachteil von 582 Thalern. Der Geschworene Gotsens saß über 1 1/2 Jahre in Luxemburg, kam endlich krank und "geschwollen" nach Hause und starb bereits am 14. April 1697. - Auch der Gemeinde Lobberich widerfuhr, wie der Gemeinde Leuth und anderen Gemeinden, dasselbe Schicksal. Der Geschworene Johann Heythuisen wurde ebenfalls am 19. Juli 1695 von den Franzosen als "Geißel" gefangen genommen und saß neunzehn Monate als solcher in Luxemburg. Im Jahre 1708, als er wiederum zum Gemeindedienste als Schöffe oder Geschworener den Eid leisten sollte, reichte er im wesentlichen folgende Beschwerde zu Roermond ein: "Er, Johann Huythuisen, Besitzer Heythuiser Gutes, lehnrührig an dem Lehnhofe von Gelderland, groß ungefähr 50 Morgen, gelegen zu Lobberich; er habe 9 lebende Kinder, wovon 1 verheiratet und die andern bei ihm wären. Er sei 3 mal Vormund anderer Kinder gewesen und führe noch eine Vormundschaft. Auch sei er ungefähr 18 Jahre Geschworener zu Lobberich gewesen, und sei als solcher i. J. 1695, 19 Monate, bis 1697, zu Luxemburg gefangen gewesen, wofür er dann auf seinen Antrag zum Lohne, weil er der Gemeinde großen Nutzen gethan, vom Herrn der Gemeinde (v. Bocholtz) seines Eides entbunden sei. Andere gefangen gewesene Geschworene hätten später von ihren Gemeinden 7 oder 800 Reichsthaler erhalten, er aber nur in die 70 Rthl., das andere wäre "geschmolzen in die ercusatie von den gemeindedienst", überdies bestehe der Kontrakt, der ohne seinen Willen nicht dürfe gebrochen werden". 1697, den 15. Oktober, lagen lüneburger Truppen und vom 15.-18. Oktober, münstersche, sodann vom 17.-21. Oktober Brandenburger in Leuth im Quartier, von welchen die Vorsteher und Eingesessenen "mit schlaen, stooten und schleipen" traktiert wurden und sich noch von der Gemeinde 95 Thaler erzwangen. Am 24. Oktober kamen wieder Brandenburger, welche 2 Tage blieben, und 20 Thaler sich erpressten. Hierauf folgten am 25. Oktober abermals Brandenburger, am 30. Oktober bis 5. November Lüneburger, am 3. November Hannoveraner, am 8. November Wolfenbüttler und vom 22. bis 25. Dezember eine Kompagnie Grenadiere. Allen diesen mussten beim Ausrücken Pferde zum Vorspann gestellt werden, zuweilen 30 Stück, auf 4-5 Tage lang. Auch in diesem Jahre ist Lobberich nicht verschont geblieben, denn die Schöffen von Lobberich, Hinsbeck und Herongen bescheinigten, dass Leuth vom Jahre 1674-1719 bei weitem mehr Dienste zu leisten hatte, als die benachbarten Gemeinden, weil es mehr als diese mit Truppendurchzügen belästigt war. Im Jahre 1695, im August, stellte Leuth einige Karren, jede mit 2 Pferden versehen, welche von Wesel aus Bomben und anderes Kriegsmaterial zur Belagerung von Namur transportierten. Aus dem ganzen Amte Krickenbeck waren dazu 58 Karren aufgeboten. Nach einer Schöffenurkunde betrug der Schaden Leuth`s durch die vielen Truppendurchzüge vom 6. Januar bis 1. Dezember 1697 die Summe von 4056 Pattakons.

Nach dem Tode König Karl II. von Spanien, welcher am 1. November 1700 kinderlos starb, gelangte in Folge des Einflusses König Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Enkel, der Herzog Philipp von Anjou, dem König Karl II. die ganze spanische Monarchie testamentarisch vermacht hatte, als König Philipp V. zur Herrschaft Spaniens und nahm zu Anfang des Jahres 1701 von seinem Throne Besitz. Angesichts der bevorstehenden Verwicklungen ließ Ludwig XIV. sofort die spanischen Niederlande im Namen seines Enkels besetzen. Am 20. März 1701 rückten die Franzosen in Roermond und Venlo und am 21. März in Geldern ein, und vereinigten sich mit den dortigen spanischen Garnisonen. - Inzwischen hatte auch Kaiser Leopold I., als direkter Nachkomme des Kaisers Ferdinand I., des Bruders Kaiser Karl V., und auf Grund mehrerer zwischen beiden habsburgischen Linien geschlossener Ehe- und Erbverträge, zu Gunsten seines zweiten Sohnes Karl Rechte auf den Nachlass Königs Karl II. von Spanien geltend gemacht. Seine Ansprüche auf die Niederlande begründete er speziell auf den zwischen Kaiser Karl V. und den Reichsständen i. J. 1548 zu Augsburg geschlossenen Vertrag, nach welchem die Könige Spaniens nur als östereichische Erzherzoge zum Besitze jenes Gebietes berechtigt seien, dieses mithin beim Aussterben des spanischen Königshauses wieder an Oesterreich zurückfallen müsste. Der Kaiser hatte bereits am 16 November 1700 mit Friedrich III., Kurfürsten von Brandenburg, einen geheimen Vertrag abgeschlossen, durch den dieser unter anderem sich verpflichtete, dem Kaiser ein Heer von 8 000 Mann auf eigene Kosten zu stellen, für den Fall, dass es wegen der "spanischen Erbfolge" zum Kriege kommen würde. In demselben Vertrag verlieh der Kaiser kommen würde. In demselben Vertrag verlieh de Kaiser dem Kurfürsten, "in Betracht des uralten Glanzes, Macht und Ansehens des Kurhauses Brandenburg und wegen der von dem jetzt regierenden Kurfürsten dem gemeinen Wesen bis heran geleisteten großen Dienste" die Königswürde, worauf derselbe am 18. Januar 1701 sich und seiner Gemahlin zu Königsberg die Königskrone aufsetzte, indem er den Titel "Friedrich I. König in Preußen" annahm.

Der Kaiser beschloss sogleich, seine Rechte auf das spanische Erbe mit den Waffen geltend zu machen und begann im Juni 1701 in Italien der sogenannte "spanische Erbfolgekrieg" gegen Frankreich. Auch Großbritannien (England) und die niederländische Republik traten gegen Ludwig XIV. auf, indem sie die Entfernung der französichen Truppen aus den spanischen Niederlanden und zugleich die Abtretung mehrerer Festungen dieses Gebietes verlangten. Frankreich verwarf diese Forderungen, worauf der Kaiser England und die Republik Holland am 7. Sept. 1701 ein Offensiv- und Defensiv-Bündnis gegen Ludwig XIV. von Frankreich schlossen. Die beiden letzteren Mächte verpflichteten sich hierdurch dem Kaiser eine entsprechende Genugthuung für seine Ansprüche auf die spanische Succession zu verschaffen und zu diesem Zwecke gemeinsam die spanischen Niederlande zu erobern, welche fortan als eine Vormauer zwischen der Republik (Generalstaaten) und Frankreich diesen sollten. Außerdem verbündeten England (bzw. Hannover) und die Republik Holland (Generalstaaten) sich mit Schweden und am 30. Dez. auch mit dem Könige von Preußen, welcher sich verpflichtete, zu dem bevorstehenden Kriege ein Hülfskorps von 5 000 Mann zu stellen. Auch die deutschen Reichsfürsten, mit Ausnahme der Kurfürsten von Bayern und Köln, die für Frankreich Partei ergriffen, traten jener Verbindung bei. Anfang Mai 1702 erklärten die Verbündeten Frankreich den Krieg. Die preußischen und staatischen Truppen schritten sofort zur Belagerung von Kaiserswerth, welches gleich den übrigen kölnischen Festungen, von den Franzosen besetzt war. Gleichzeitig rückte der Marschall von Bouflers mit 60,000 Mann in`s Clevische ein, um Nymwegen zu nehmen und die weit schwächere Armee der Generalstaaten (Republik und jetziges, seit 1815, Königreich Holland,) von dieser Stadt abzuschneiden. Dieser Plan misslang jedoch vollständig und bald darauf wurden die Franzosen aus dem Clevischen und dem Oberquartier Geldern (Quartier Roersmond) verdrängt. Dieser sogenannte "spanische Erbfolgekrieg" hat auch der Gemeinde Lobberich schwere Opfer gekostet. Von den Nachbarorten wird uns berichtet: Am Sonntag nach Ostern 1702 zog der französische Marschall von Bouflers mit einer Armee von 30,000 Mann nach dem Amte Brüggen, und schlug sein Lager "in dem ausgebreiteten Felde" bei Breyell auf. Ueber Leuth lautet die Aufzeichnung: "Anno 1702, als der Marschall von Bouflers zum Cleverland gezogen, ist diese Herrlichkeit Leuth beinahe ganz ausgeplündert, ausgenommen die Kirche, die Pastorat und das Haus des Junkers von Onyen (Busch) und damals ist eine große Anzahl Kühe, Schafe und Schweine geschlachtet und weggeführt. Darauf kam in demselben Jahre die Belagerung von Venlo, wodurch diese Herrlichkeit viel gelitten, da sie am nächsten bei dem Lager war. Hierauf folgte die Belagerung von Geldern, wodurch wir evenfalls großen Schaden litten; auch mussten wir Konstributionen an zwei Herren geben und große Kriegslasten tragen. Sodann trat ein allgemeiner Misswachs ein, verursacht durch den grausamen Winter."

Auch die Gemeinde Lobberich hatte in diesem Jahre viel zu leiden. Das "Schattboeck" (Steuerbuch) des "Schattbeurders Willem Schmitter", (des Steuerempfängers der Gemeinde,) gibt uns folgende Posten an:

"Anno 1702  in die Belagerung vor Venlo geliefert:

Heu Hafer Stroh: 120 Rationen.

  • den 5. Sept. geliefert: 280 Rationen

  • den 6. Sept. geliefert 448 Rationen

  • den 7. Sept. geliefert 280 Rationen

  • den 8. Sept. geliefert 56 Rationen

  • den 9. Sept. geliefert 280 Rationen

  • den 12.Sept. geliefert 280 Rationen

  • den 13.Sept. geliefert 140 Rationen

  • den 13.Sept. abermals 140 Rationen

  • den 14.Sept. geliefert 190 Rationen

  • den 15.Sept. geliefert 104 Rationen

  • den 16.Sept. geliefert 119 Rationen

  • den 17.Sept. geliefert 380 Rationen

  • den 17.Sept. abermals 320 Rationen

  • den 21.Sept. geliefert 96 Rationen

  • den 21.Sept. abermals 380 Rationen

  • den 25.Sept. geliefert 207 Rationen

  • den 26.Sept. geliefert 380 Rationen

Vor Roermond 1702 bei der Belagerung geliefert:

  • den 30. Sept. geliefert: 208 Rationen

  • den 30. Sept. abermals 380 Rationen

  • den 3. Okt. geliefert: 168 Rationen

  • den 3. Okt. abermals 313 Rationen

macht zusammen: 6.029 Rationen.

Diese Rationen, resp. Die Gelder dafür, wurden seitens der Gemeinde nur gegen Quittung gegeben und jede Ration wurde zu 12 Stüber berechnet, machte 1130 Reichsthaler und 3 1/2 Stüber.

Vor Rheinberg bei der Belagerung musste Lobberich 1702 vom 21. Oktober bis zum 29….. an die Brandenburgischen (Preußen) täglich 180 ½ Rationen liefern; machte zu den obengenannten: 16 124 Rationen; hiervon wurden in natura geliefert 1088 Rationen; gerechnet wie oben 203 Reichsthaler; natürlich wieder alles gegen Quittung! Laut Ordre vom 23. August 1702 mußte an den Obersten Hethmaeten zu Bracht 23 Malter Hafer, das Malter zu 2 Reichsthalern gerechnet, geliefert werden, machte 46 Reichsthaler.

Laut Ordre vom 11. Juni 1703 mußte Lobberich vor Geldern bei der Belagerung bis zum 30….. incl. Täglich gegen Quittung 79 Rationen liefern; hierzu wurden geliefert: 2370 Rationen. Von diesen wurden 310 in natura und 2054 in Geld à 13 ½ Stüber geliefert. Leider fehlt im "Schattbuche" das angefangene Verzeichnis, von dem nur die Ueberschrift vorhanden, was an die "Hessen-Bottmarsche Draegoenders" (Hessen-Weimar`sche Dragoner) i. J. 1703 in den Winterquartieren geliefert werden musste. Diese "Winterquartiere" haben sicher lange gewährt und viel gebracht, denn noch i. J. 1709 am 8. Oktober musste der "Schattbeurder Schmitter" den Jochem Benghmans, (Heithausen) den vorhin genannten früheren Geschworenen, der 1695 19 Monate für die Gemeinde in Luxemburg als Gefangener gesessen und sich infolge dessen in etwa entschädigen wollte, kategorisch ersuchen, seinen jährlichen Anteil zu zahlen.

Im Laufe des Jahres 1702 eroberten die Verbündeten, meistens unter besonderer Mitwirkung preußischer Truppen: Kempen, Kaiserswerth am 15. Juni, Venlo am 23. Sept., Sevenswerth am 2. Okt. Nur die Festungen Rheinberg und Geldern blieben noch in den Händen der Gegner. Am 7. Sept. 1703 ergab sich Rheinberg durch Kapitulation den preußischen Truppen, die unter dem Befehle des Generalleutnants von Luttom standen. Darauf schritten dieselben zur Belagerung der damaligen Festung Geldern. Den 3. Oktober begann die Beschießung Gelderns, welche acht Tage dauerte. In dieser Stadt war der tapfere Spanier Don Domingo de Betis Kommandant; er übergab die Festung erst nach achttägigem Bombardement, zehnmonatlicher Belagerung und heldenmütiger Verteidigung, nachdem viele Einwohner bei der Beschießung den Tod gefunden hatten und die Stadt fast gänzlich in Trümmer lag, am 17. Dezember 1703, an den preußischen Generalleutnant von Lottum unter sehr ehrenvollen Bedingungen, indem die spanische Besatzung am 21. Dezember 1703 mit schlagenden Tambours, fliegenden Fahnen, brennenden Lunten und Kugeln im Laufe nach Brabant abzog. Auf Befehl des Königs Friedrich I. von Preußen fand am ersten Weihnachtstage 1703 in allen Kirchen des Staates ein Dankfest wegen Einnahme der Stadt Geldern mit Te Deum statt.

Der "spanische Erbfolgekrieg" zog sich sehr in die Länge. Nachdem Kaiser Leopold I. am 5. Mai 1705 gestorben war, setzte sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Joseph I., den Krieg mit großem Nachdruck fort; er starb am 17. April 1710 ohne männliche Nachkommen, worauf die Kaiserwürde auf seinem Bruder Karl VI., dem Prätendenten Spaniens, überging. Im Jahre 1713, am 2. April, wurde zwischen den Gesandten des Kaisers und des Königs von Preußen zu Utrecht ein Vertrag abgeschlossen, welcher am 17. April seitens des Königs von Preußen und am 12. Mai seitens des bestätigt wurde. Der definitive Friede wurde 1714 und 1715 unterzeichnet. Seit dem Jahre 1703 hielten preußische Truppen die eroberten Teile des Oberquartiers Geldern (Quartier Roermond) besetzt, zur Sicherung für große Forderungen, welche Preußen an Spanien hatte. Die älteste datirt v. J. 1660, nach welcher Zeit sich mehrfach Gelegenheit zur Vermehrung bot, so 1667 und 1674. Im Jahre 1678 gab Spanien selbst diese Schuld auf 150,000 Escudos an, welche 1691, 1692 und 1693 noch vermehrt wurden. Endlich, nach langen und vielen Unterhandlungen beim Friedensschluß zu Utrecht, i. J. 1713, wurden der Krone Preußen abgetreten: Die Stadt, die Vogtei und das Neer- oder Niederamt Geldern, die Städte Aemter und Herrlichkeit Stralen, Wachtendonk, Middelaer, Walbeck, Arcen, Uefferden, Well, Rayen und Kleinkevelaer; ferner das Amt Krickenbeck, (bestehend aus den Gemeinden: Viersen, Grefrath, Lobberich, Wankum, Hinsbeck, Herongen und Leuth) und das Land Kessel (an der Maas) nebst allen dazu gehörenden Ab- und Dependentien, ausgenommen Erkelenz, welches 1711 bereits an den Kurfürsten von der Pfalz abgetreten war.


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Link Viertes Kapitel: Lobberich unter Preußen und unter französischer Fremdherrschaft