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Elftes Kapitel.

Das Schulwesen.

Obwohl die Gemeinde Lobberich mit eine der ältesten des ehemaligen Herzogtums Geldern ist und bereits im Jahre 984 urkundlich vorkommt, so ist über dieselbe doch nur sehr mäßiges urkundliches Material uns aufbewahrt geblieben.

Besonders spärlich sind die Notizen über das hiesige Schulwesen, von dem hier ziemlich spät urkundlich die Rede ist und manche Gemeinde der Umgegend ältere Urkunden aufweisen kann. So z. B. hatten Straelen 1368, Wachtendonk 1408, Aldekerk 1462, Süchteln, Dülken und Breyell schon 1533 ihre Schulen; i. J. 1559/60 hatten Dilkrath und Kaldenkirchen ebenfalls Schulen, wogegen 1533 in Kaldenkirchen noch keine bestand; dagegen hatten 1559/60 Bracht und Boisheim noch keine Schule. Die Schule in Leuth bestand bereits urkundlich i. J. 1587, in Grefrath beginnen die Schulnachrichten erst mit dem Jahr 1616, in Hinsbeck erst nach dem Abgang eines Lehrers mit dem Jahr 1656 und in Wankum ebenfalls erst im Jahre 1651. Unzweifelhaft haben aber in manchen nachweisbar alten Pfarrdörfern Schulanstalten irgend welcher Art bereits um das Jahr 1380 bestanden. Wir sehen nämlich vom Jahre 1390 an aus denselben Studierende die Universität Köln besuchen, wodurch das heimatliche Bestehen irgend welcher Schule sicher ist. So finden wir Jünglinge in die Matrikel der Kölner Universität eingetragen aus Hinsbeck: 1391, 1398, 1401, 1417, 1423, 1460, 1462, 1473, 1479, 1496; aus Lobberich: 1399, 1431, 1458, 1493, 1498,; aus Grefrath: 1497, 1500; und aus Wankum aus dem Jahre 1498. In den Jahren 1390 bis 1709 wurden in die Universitätsmatrikel zu Köln sogar sehr viele Jünglinge hiesiger Gegend eingeschrieben, so z. B. aus Geldern 320 Studierende, aus Straelen 100, aus Viersen 83, aus Wachtendonk 62, aus Hinsbeck 29, aus Aldekerk 24, aus Nieukerk 17, aus Lobberich 18, aus Leuth und Walbeck je 11, aus Wetten und Grefrath je 8.

Die Landessprache, die in hiesiger Gegend auch die Schulsprache war, war bis um das Jahr 1800 das Niederdeutsche und die platte Sprache, im geldernschen Oberquartier vielfach die holländische. Eine Ausnahme im geldernschen Oberquartier läßt sich nur an einigen Orten des Amtes Krickenbeck nachweisen, so u.a. zu Viersen, Grefrath, Lobberich und Hinsbeck, wo das Hochdeutsche schon früher Eingang gefunden hatte. Ohne Zweifel hat die Nähe des Erzstiftes Köln und des Herzogtumes Jülich, in denen bekanntlich die hochdeutsche Sprache vorherrschend war, hierzu beigetragen; war doch der geldernsche Ort Viersen rings herum von Jülich'schem Besitz eingeschlossen. In Bezug auf Grefrath und Lobberich kommt hier in Betracht, daß die Abtei Knechtsteden, als Inhaberin des Kirchenpatronates daselbst, stets nur hochdeutsche Geistliche dorthin zu schicken pflegte, ein Umstand, der auf das Eindringen einer fremden Sprache von großen Folgen sein mußte. Die Bewohner der übrigen Orte des Amtes Krickenbeck: Leuth, Herongen und Wankum bedienten sich ausschließlich der niederdeutschen Sprache. In Leuth wurde um das Jahr 1795 das erste deutsche Buch, ein Evangelienbuch, in der Schule eingeführt. In anderen Orten unseres Gelderlandes blieben nur holländische Bücher in den Schulen bis um das Jahr 1820 im Gebrauch; in Nieukerk z.B. gebrauchte man i.J. 1830 noch ein holländisches Lesebuch in der Schule. Nach dieser etwa nötigen Abschweifung wollen uns dem Lobbericher Schulwesen speziell zuwenden.

Die urkundlichen Schulnachrichten über Lobberich beginnen mit dem 18. November 1618, an welchem Pfarrer, Adelige (Johann von Bocholtz zu Haus Bocholtz, und Godart von Bocholtz zu Haus Ingenhoven) Schöffen und Geschworene den aus Lobberich gebürtigen und daselbst als Vikar angestellten TilmanKox, den Sohn des Arnold Kox, der erst seit Kurzem die Universität in Köln besuchte, das Schulamt übertrugen, wie es in der Anstellungsurkunde heißt, weil, "by zeiten gegenwärtiger welt ein ehrliebender priester by abnutzung unserer vicarie nicht wohl priesterlich leben konnte, es wehre dan, daß er sich eens weitern gehalts zu erfreuen wiste". 1). Seine Einkünfte als Vikar waren demnach so gering, daß man ihm noch

1) Fahne, die Dynasten, Freiherrn und Grafen v. Bocholtz, 1. Bd 1 Abth. S.286; und 2. Bd. S. 189

das Schulamt zuwies, um standesgemäß leben zu können. Außer freier Wohnung in dem Schulhause und dem Schulgelde, sollte er von jeder der beiden Bruderschaften, (der Liebfrauen- und Sebastianus-Bruderschaft, der noch heute bestehenden beiden Schützenbruderschaften) jährlich 1 Malter Roggen und 7 ½ Gulden und von den Armen (der kirchlichen Armenkasse) 5 Gulden für den Unterricht der Armenkinder erhalten. Hiergegen mußte er sich verpflichten, zur bestimmten Zeit Unterricht zu erteilen und die Kinder zur Messe, Vesper und Kinderlehre zu führen. Die diesbezügliche, noch vorhandene Anstellungsurkunde des Vikars Tilman Kox als Schullehrer lautet also: 2) "Wir Pastor, von Adel, Scheffen und Geschworn des Kirspels Lobberich thun kundt, dass vor uns sampt erschienen der ehrbar frommer friedliebender Arnold Kox, unser mitnachpar und gutter freundt und hat demutiglich angehalden, dass wir auß Christlicher tragender Afection und Nachparlicher Zuneigung Ime, der durch gottes schickung, zum Witwer stand leiderlich gerathen und dergestalt seinen Sohn Tilman desto schwerlicher, durch eigene Mittel und niet Unachbare Kosten eine geraume Zeit binnen Cöllen hat erhalten müssen, bei Versprechung und angelobvung Künftiger weiß zum der Kirspels Kirche allhier zu Lobberich Kraft unserer gewohnlicher Jurisdicktion anzunehmen benehmen wollten. So ist dan nun, daß wir Sampt und Sonder bey tragenden standt, ampt und beruf, die nachparliche Pitt, (Bitte) als auch Unser Kirche Wollstandt, (Wohlstand) mit einverbeibter Pitt sundationich hertzlich angehört, und auch mitleidentlich Erwogen, dass eine alsolche Vorseyentliche ahnordnung Under Klaren buchstaben von 8den9 abgelebten (verstorbenen) fundatoren aufgericht, als langh das blut von denen fundatoren in deise leben, allhier binnen Lobrich noch Uebrig den Vorgang gebühren und behalten, (dass Blutsverwandte der Stifter der Vicarie, der Familie von Bocholtz den Vorzug haben,) sonsten von benachparten Eheligen und Woll Erzogenen Kindern (der Gemeinde) in der Vicarie deß Tauff-altares den billigen Vorzug vor alle anderen (auswärtigen) erhalten soll. - Auf dieses alles sicherlich gelett (gesehen) und achtung genommen, Erfinden wir handtgreiflich, das by zeiten gegenwerdiger welt ein Ehrliebender Priester, by Abnutzung Unserer Vicarie nit woll (nicht wohl) Priesterlich leben Könnte, Es were dan, das derselbe sich eines weiteren gehaltz zu erfreuen wüste; diesem dan in billigem Wege zu behandreichen, auch Unser hochnötige Kinder-Zucht vorzustehen, als ist deßhalb unser aller Erstliche meinung, dass benennter Arnoldt Kox filius (Sohn) Tilmanus, zum Dienst und pflicht der Scholen am Eiferichsten sich verbinden soll, die wilde Jugendt bei gepürlicher (gebührlicher) Disantion in allere Ehrbarkeit, Zucht und Ehre zu erziehen, damit uns alle sampt und Sonder in alle Christliche Ehre zu recht gedient williglich gehorsamet werde, dieses alles sonder pfeindt (feind) und arglist der Jungen-gesellen im hertzen, in solche Christliche vernehmen einzubilden, und by Unserer geschehenen Zusage zu manuteniren, haben wir obengemeldete Pastor, von Adel, Scheffen und geschworene unsere gewöhnliche, angeborene und Scheffens amt Segel und er (unten) aufs Spatium gegenwärtigen scheins wissentlich gedruckt zu Lobrich den 18. November Anno 1618" 1)

(Siegel des Pastors) (Siegel Joh. v. Bocholtz) (Siegel der Scheffen)

Aus dieser Urkunde hat das Lobbericher Kirchenbuch 2) an derselben Stelle noch folgende Notiz: "Den Schulmeister nehmen an der Herr Pastor, von Adell, Scheffen und Geschworn (Geschworene), und ist dessen offizium, die Schull insto tempore zu halten, die Kinder neben der instrucktion in die miß, vesper und kinderlehr zu fhuren, bekompt neben die gewohnliche mineralien oder Lehrgelt auß jeder Broderschaft termino Andree ein Malder Roggen und achtenhalben (7½) Gulden, aus den armen renthen pro minerali der armen kinder fünf Gulden, und hat seine Wohnung auf und in der Scholen, gleich ordinirt durch unsern Vorsessen hern Mathis Mheler, Pastor, von Adell: Johann von Bocholt zu Bocholt, Gört von Bocholt zum houe, (Ingenhoven,) Scheffen: Johann Menkens, Johann in gen Dhall, Heinrich tho Bosch, Heinrich Ihelis, Datum 18. November 1618."

2) Fahne, Bocholtz, II. Bd. S.189, und Kirchbuch Lobberich I. S. 16; sowie Kchbch. II. S. 68, 68a und 69

1) Die eingeklammerten Worte stehen nicht im Original

2) Kirchenbuch I. S. 16, daselbst Notiz von Pfr. Pricken; ebenso im Kirchenbuch II., S. 67a.

Weitere Nachrichten über das Schulwesen sind noch folgende, die sich aber mit dem Vorgesagten decken. Fahne 1) schreibt: Der Schullehrer wurde von dem Pastor, der Familie von Bocholtz als Grundbesitzer, den Scheffen und Geschworenen angestellt und folgender Art besoldet und verpflichtet: von den Kindern selbst erhielt er ein bestimmtes Lehrgeld, von jeder der (beiden) Bruderschaften jährlich einen Malter Roggen und 8½ Gulden, 2) aus den Armenrenten für die Armenkinder 5 Gulden und freie Wohnung in der Schule und war verpflichtet, zur festgesetzten Zeit den Unterricht zu erteilen und die Kinder in die Messe, Vesper und Kinderlehre zu führen. Das Kirchen-Visitationsprotokoll des Dechanten des Krickenbecker Dekanats aus den Jahren 1709-1744 schreibt über das Lobbericher Schulwesen: "Der Lehrer wird angestellt vom Pastor, den Adeligen, den Schöffen und Geschworenen. Er muss die Jugend das ganze Jahr hindurch unterrichten, mit Ausnahme von 3 Monaten. Auch muss er bei jedem Gottesdienste im Chor sein." 3)

Als ein seltenes Kuriosum gedenken wir zunächst eines Fastnachtsbriefes, den die Schulkinder von Lobberich i. J. 1657 an Johann Menghuis, Landschreiber des Amtes Krickenbeck, schrieben. Derselbe lautet:

"Ehrenvester vorachtbarer villgeehrter Herr Landschreiber. Ew. Erv. hiermit unseren geringen verfahren Jugendt recomderen, haben wir nit unterlassen konoen betten, wollet denselben geleben wollen, uns einen geringen Verehrung für desen anstehendt Fastnacht mitzutheilen, solches wullen wir nach unseren geringen Vermugen mit allen Danck verschulden, womit wir Ew. Erv. in Schutz Gottes befehlen, verbleiben denselben; wir samplichen Schull Kinder zu Lobberich. Dem Ehrenwvesten vorachtparen Herrn Johan Mengis, Landtschreiber deß Amts Crickenbeck." 4) Dieses Schreiben, ohne Zweifel eine Arbeit des Lobbericher Schulmeisters, bestätigt zugleich, dass zu Lobberich damals schon vorzugsweise die hochdeutsche Sprache im Gebrauch war.

Bis zur zweiten Hälfte des eben verflossenen Jahrhunderts sind mir folgende Lehrer bekannt worden: Der schon vorhin genannte Tilman Kox, gebürtig aus Lobberich, zugleich Vikar des Taufaltares daselbst, welcher am 18. Nov. 1618 mit seiner Vikariestelle zugleich das Schulamt übertragen erhielt und also gleichzeitig Schulvikar war. Derselbe hatte in Köln studiert aber vielfach mit Mangel an Mittel zu kämpfen gehabt 5) . Wie lange er die Lehrstelle bekleidet, ist nicht bekannt. Im Jahre 1634 war er noch Vikar in Lobberich, floh i.J. 1642 beim Anrücken der Hessen mit den Akten der Vikarie nach Süchteln, und, als die Hessen sich auch diesem Orte näherten, nach Köln. Die Hessen zerstörten in Süchteln die meisten seiner Vikarieakten, die er zurücklassen musste, wie wir später noch sehen werden. Bereits 1645 und auch noch 1659 war er Vikar in Köln. Er muss ein Alter von nahezu 90 Jahren erreicht haben, denn i.J. 1674 war er noch Kaplan in Süchteln. Im Jahre 1643 wird uns Wilhelm Cüsters "unsern alden scholmeister, nu (jetzt) wohnend zu Dilligrath" (Dilkrath bei Dülken) genannt. 6) Es muss also Vikar Kox die Lehrerstelle schon frühzeitig niedergelegt haben, oder Cüsters müsste noch vor dem Jahre 1618 Lehrer zu Lobberich gewesen sein. Im Jahre 1669 kommt Arnold Sanders als Schulmeister zu Lobberich vor. Vom Jahre 1706 bis zum Jahre 1722 kommt Peter Wolters als Küster und Schulmeister vor. Derselbe war i.J. 1706 von dem Pfarrer, den Besitzern der Häuser "Bocholtz" und "zum Hove" (Ingenhoven) den Schöffen und Geschworenen zu Lobberich bestätigt worden. 7) Er bezog außer dem schon angeführten Roggen noch 15 Gulden von der Bruderschaft, 3 Pattaions von der Gemeinde für Kohlen und 5 Gulden von den Armen; außerdem gab ihm die Kirche noch 6 Gulden jährlich für das Singen im Hochamte. Er lebte noch i.J. 1729 und wird 1726 und 1729 als Gerichtsschreiber zu Lobberich genannt. Im J. 1730 wird Heinrich Wolters (wohl sein Sohn,) als Lehrer und Küster genannt. Dieser bekleidete das Amt wohl bis zum Jahre 1759.

1) Fahne, Bocholtz, I. Bd.,S.286

2) Irrtum, hat Fahne falsch verstanden, den "achtenhalben" ist nicht 8 ½ , sondern 7 ½ Gulden

3) Norrenberg, Gesch. Grefrath, 1875, S. 125

4) Norrenberg, Aus dem alten Viersen, S. 24; ebenfalls Nettesheim, Gesch. d. Schulen im alten Herzogtum Geldern 1881, S. 702 bis 707

5) Fahne, Bocholtz, I., S. 286

6) Kirchenbuch I., S. 18a

7) Fahne, Bocholtz, II. S. 248

Im Jahre 1759 ernannten Pfarrer, der Adel, Schöffen und Geschworene den Vikar Gerhard Cremers zum Schullehrer daselbst. Das "Kirchenbuch" 1) hat hierüber folgendes: "Daß Anno 1759 die Collation der schulen durch oben gemelte, als nemlich durch Herrn Pastor Fr. C. Broich, durch Frau von Mirbach, gebohrene letzte und ältere freulein von Bucholtz, von Beutinck, letzte und jüngere Erbfreulein von Bucholtz :/welche beyde NB. zusammen nur ein Votum ausmacht:/ wie dan auch durch scheffen und geschworenen so NB. in gleicher Weise alle ein Votum ausmachen, sein Conferirt worden durch die Mehrheit, nämlich des Pastors Broich, in dem das Votum der scheffen und und geschworenen hinzukam, auf dem Ehrwürdigen Herrn Cremers, den Vikar des Beneficium des allerh. altarsakramentes. Der genante hochw. Herr Cremers wurde von Pastor Broich eingeführt. Es waren anwesend 2 Scheffen: Pascher und Heinen, und 2 Zeugen: der Kaplan Coblenz und der Privatgeistliche Strux. Fr. C. Broich, pastor."

Der Gestliche Gerhard Cremers, aus Lobberich gebürtigt, war 1759 Vikar des Beneficiums de venerabili in seinem Heimatsorte und erhielt im Jahre 1759 ebenfalls die Schullehrerstelle. Leider sollte er nicht lange sich derselben erfreuen, denn in seinem Geburtsorte Lobberich starb er bereits am 23. April 1760. Wer sein Nachfolger war, ist mir nicht bekannt. Am 8. Januar 1768 wurde durch den Pfarrer, Scheffen und Geschworenen Peter Nikolaus Orths aus Rickelrath bei Erkelenz als Schullehrer zu Lobberich angestellt. In seiner Person begegnen wir einem der tüchtigsten und strebsamsten Lehrer unseres Landes zu jener Zeit, über den wir eine Menge von Nachrichten besitzen, welche für die Beurteilung des damaligen Schulwesens ein leider trauriges Zeugnis liefern.

1) Kirchenbuch II, S. 67a.

Im Jahre 1788 erstattete er der Landesregierung in Geldern über den Zustand der Lobbericher Schule einen ausführlichen Bericht, dem wir Folgendes entnehmen: "Durch Mangel an Fleiß und Tüchtigkeit seiner Vorgänger sei die Schule sehr zurückgegangen. Man betrachte dieselbe nur als "eenen byval ende als een neven amtje"; dagegen seien das Sekretariat, die Küsterei und der Handel die einzigen einträglichen Erwerbsquellen des Ortes. Seit dem Antritt des Amtes habe er sich unablässig geplagt, auch ein lateinisches "Tyrocinium" eingerichtet, um etwas zu verdienen; aber er habe dabei nur Geld eingebüßt und noch Schulden gemacht. Zu keiner Zeit habe in Lobberich ein Lehrer vom Schuldienste allein leben können; dies werde auch in der Folge wohl nicht der Fall sein.

Sein Vorgänger habe, zufolge noch vorhandener Aufzeichnungen, im Frühjahr, also in der besten Schulzeit, nie mehr als 170-180 Schüler gleichzeitig gehabt. Dagegen belaufe sich die Zahl der Schulkinder, welche er gegenwärtig in dieser Jahreszeit habe, mit Einschluss der aus den Hondschaften Dyck und Renkoven, auf nie mehr als 140-150. Das Schulamt brachte ihm ehedem ungefähr 100 Reichsthaler ein; nach dem Entstehen der Dycker Nebenschule bringe es nur 60 Reichsthaler auf. Für die Unterweisung der Armenkinder beziehe er jährlich nur 5 Gulden clevisch. Schließlich bemerkte Orths noch, dass er bereits Ende März 1787 bei der Regierung sich erboten habe, in ihrem Sinne eine "Normalschule" nach der Vorschrift des Abtes Felbiger einzurichten. Gleicher Art sind die Klagen, welche Orths in den verschiedenen Eingaben an die Ortsbehörden von Lobberich ausspricht, worin er diese wiederholt und dringend um "die ebenso nötige als nützliche Erweiterung der Schule" bittet.

So sagte er: "Was ist durchgehends die Sage und Entschuldigung der Eltern, wenn sie ihre Kinder mit Ostern zur Schule bringen, um bis halben Mai diese zu besuchen, als diese: "Hier, Magister! bringe ich Euch ein paar neue Schulkerken; ich hätte sie wohl gerne vor 2 und 3 Monaten geschickt, aber ich habe gehört und weiß noch von meiner Schulzeit her, dass von Lichtmeß bis Ostern die Schule zu voll ist und die Kinder keinen Platz haben." Sodann fährt er fort: "Der ganzen gescheidten Welt überlasse ich es, zu beurteilen und zu beantworten, ob es wohl möglich und natürlich sei, auf einer 22 Fuß langen, und 15 Fuß breiten plan (Fläche) oben specificirte Kinder (150, 160 ja sogar 170 und noch mehr) so zu beörtern, dass der Lehrer sie mit Nutzen leiten, lehren und regieren kann? Muß nicht die ganze Welt mir beifallen und eingestehen, dass die armen Kinder notwendig ärger als Soldaten in der Schlachtordnung, ja wie Häringe in der Tonne, zusammen gepreßt sitzen? Ich will von mir nicht einmal reden, daß ich strenger als ein Hund an der Kette im Stuhl angeschmiedet liege, indem ich nicht einmal kann vom Stuhle auf, bevor die Kinder rücken und mir Platz räumen." Nachdem Orths noch bemerkt, daß Kinder von nah und fern, ja 7 Stunden weit, seine Schule besuchen, erinnert er noch daran, daß kürzlich sowohl der Schultheiß Namens der Herrschaft, als auch der Pastor, im Gegenwart der Ortsbehörden, seinen Wunsch als nötig und nützlich anerkannt haben, besonders nachdem sie seine Absicht erfahren, eine Normalschule errichten zu wollen." 1) 1) Original im Gemeindearchiv zu Lobberich

Die geldernsche Regierung erteilte der Ortsbehörde unterm 24. Februar 1790 auf die verschiedenen ihr durch den Lehrer Orths wegen Verbesserung der Dorfschule im Sinne der "tegen wrirdigen opgeclaerden werelt" gemachten Vorschläge, folgende, aus der Feder von Coninx hervorgegangene Antwort. Zunächst solle Orths eine Sonntagsschule errichten, welche alle Kinder, sowohl aus dem Dorfe, als auch aus sämtlichen Hondschaften zu besuchen haben, die während der Woche durch ihre Eltern zu häuslichen Arbeiten angehalten werden. Diese sollen den ganzen Sommer hindurch an jedem Sonntage Vormittags eine, Nachmittags zwei Stunden Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, in der Sittenlehre und in der Religion erhalten. Schultheiß, Gerichtsherr, Pastor, Schöffen und Geschworene müssten feststellen, welcher Betrag dem Lehrer für dieses Schulhalten zu bewilligen sei. Ebenso erteilte die Regierung dem Vorschlage des Meisters Orths, die sogenannte Felgibersche Methode einzuführen, ihren vollen Beifall mit dem Bemerken, er (Orths) würde sich hierdurch ein um so größeres Verdienst erwerben, da sie das erste Vorbild einer solchen in der Provinz wäre. Die Kinder würden auf diese Weise nicht allein vom Müßiggange abgezogen, sondern auch in die Lage gebracht, für ihre Eltern etwas zu verdienen. Würde man die Errichtung der in Sagan und anderen Orten Deutschlands eingeführten Industrie-Schule, in welcher die Schüler einige Stunden des Tages in Handarbeiten, Spinnen, Stricken usw. unterwiesen werden, beschließen, so möge man ja die in Göttingen 1785 von Sextrole unter dem Titel "Ueber die Bildung der Jugend zur Industrie" herausgegebene Anleitung zu derselben im Auge halten. (100 Jahre später gerade für Lobberich zutreffend!) Auch wolle man Prämien für diejenigen Kinder aussetzen, welche in Handarbeiten das Beste leisten würden. Am Schlusse fordert die Regierung noch zur Unterdrückung aller Privatschulen auf. 1) 1) Schulakten im Staatsarchiv zu Düsseldorf

Die Gemeinde ließ im Jahre 1788 eine Vergrößerung des Schullokales vornehmen. Unbekannt ist es, ob und mit welchem Erfolge Lehrer Orths die angeführten Neuerungen zur Ausführung gebracht hat. Es bleibt nur allein zu berichten übrig, dass er i. J. 1794 Lobberich verließ und einer Berufung an die deutsche Schule in Geldern folgte, wo er im Rufe eines vortrefflichen Lehrers 1812 starb. - (Der Ruf "eines der tüchtigsten Lehrer der ganzen Umgegend" ging ihm schon nach Geldern vorauf; er legte bei Abhaltung der Lehrerprüfungen während der französischen Herrschaft, 1799 in Krefeld ein ausgezeichnetes Examen in der deutschen und französischen Sprache, sowie im Rechnen ab. Einer seiner Söhne war Pater des Brigitaner-Klosters in Kaldenkirchen und starb als Pfarrer von Tegelen 1841. (Vergl. Lobbericher Geistliche.) - Die Lobbericher Schule und den Dienst eines Kantors übernahm sein jüngerer Sohn Joh. Bapt. Reiner Orths, der erst nach 48jähriger Dienstzeit, durch Schwäche genötigt, am 1. Dezember 1841 diese Aemter niederlegte und in Folge wiederholten Schlaganfalles im 77. Lebensjahre, am 26. April 1847 in seinem Geburtsorte Lobberich starb. - Er, wie auch sein Vater, hatten das Gymnasium in Köln besucht.

Sein Nachfolger im Schulamte, war der noch heute in bestem Andenken stehende Herr Eduard Istas, geboren zu Lobberich, den 9. Januar 1820; derselbe war im Seminar zu Brühl vorgebildet, übernahm die hiesige Lehrerstelle i. J. 1841 und verblieb 45 Jahre - bis zum Jahre 1886 - in derselben. Im November des Jahres 1841 gründete er den berühmten "Lobbericher Männer-Gesang-Verein", dessen Dirigent er bis zu seinem Tode, 55 Jahre und 7 Monate, blieb - gewiss ein seltenes Vorkommnis! - Er war Ritter des Kgl. Kronenordens IV. Kl. und Inhaber des Adlers des Hausordens von Hohenzollern. In seinem Geburtsorte Lobberich entschlief er im 78. Lebensjahre, am 11. Juni 1897.

Erst während der letzten Amtstätigkeit seines Herrn Vorgängers Orths und der ersten Jahre seines Amtsantrittes erhielten beide Herren Aushülfe in den Personen der Schulamts-Kandidaten, Herren Scheffels, von Lom und Istas jun., welche drei nacheinander hier jeder eine Zeit lang Aushülfe leisteten.

Eine dauernde 2. Lehrstelle im Orte wurde erst i. J. 1851 geschaffen, zu welcher der ebenfalls noch im besten Andenken stehende Herr Lehrer Wilhelm Holthausen berufen wurde. Derselbe war geboren zu Hinsbeck i. J. 1829, im Seminar zu Kempen vorgebildet, und zuerst ½ Jahr Lehrer in Leuth. Im Jahre 1851 nach Lobberich berufen, verblieb er in dieser Stellung ebenfalls 44 Jahre, - bis zum Jahre 1895, wo Krankheit ihn zwang, in den wohlverdienten Ruhestand zu treten. In Folge eines Schlagflusses entschlief er zu Lobberich, im Alter von 70 Jahren, am 26. April 1899. - Diese beiden Lehrer-Veteranen, die Herren Istas und Holthausen, deren gesegnetes Andenken hier noch lange fortleben wird, erlebten während ihrer Amtsthätigkeit einen Umschwung im Schulwesen derselben Gemeinde, welches wohl sehr vereinzelt in der Schulgeschichte des Niederrheins dastehen wird. Im Jahre 1894 hatte Lobberich 17 Elementarschulklassen mit 1230 Schülern und die Rektoratschule mit 34 Schülern; i. J. 1896 waren 17 Elementarschulklassen mit 1360 Schülern und die Rektoratschule mit 39 Schülern; i. J. 1898 waren 20 Elementarschulklassen darunter 18 im Orte und 2 im Kirchspiele, mit 1467 Schülern und die Rektoratschule mit 40 Schülern; im Jahre 1901 sind 21 Elementarschulklassen, davon 19 im Orte und 2 im Kirchspiele, mit 1414 Schülern und die Rektoratschule mit 58 Schülern.

Das einzige Schullokal des Ortes lag unmittelbar hinter den Chore der alten Pfarrkirche und war 1788 noch vergrößert worden. Bis zum Jahre 1828 verblieb die Schule in demselben; in diesem Jahre wurde das Schullokal in der Schulstraße bezogen, dem heute noch drei würdige Schulhäuser im Orte sich anreihen.

In der Dycker Hondschaft errichtete im Jahre 1750 ein Ackerer, Jakob Leuwers, eine Privatschule, die über 30 Jahre fortbestand. Wie der Schultheiß von Lobberich 1780 an die Regierung berichtete, besaß derselbe wohl einige Kenntnisse im Lesen, Schreiben und in der Religion. Im Uebrigen aber "verstand er eben so wenig als alle anderen Bauern, die nicht studiert oder keinen guten Lehrer gehabt haben." Nach seinem Tode, 1787, beschloß die Hondschaft die Anlage einer eigenen Ortsschule, zu der die Regierung die Konzession erteilte, unter der Beschränkung, dass dieselbe nur von Kindern unter 8 Jahren während des Sommers besucht werden dürfe. An derselben wurde im April 1790 Heinrich Berten als Schulmeister angestellt, nachdem er vor dem Pastor, in Gegenwart der Schöffen und Geschworenen, ein Examen im Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Rechnen und in der Religion abgelegt hatte. Auch Dyck hat heute ein hübsches Schullokal und 2 Schulklassen.

In der Bauernschaft Sittard unterhielt eine Wittwe Neesken Thusen eine andere Nebenschule, welche jedoch in der Regel nur von wenigen Kindern besucht und i. J. 1790 von der Regierung unterdrückt wurde.


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