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Siebentes Kapitel.

Die Gemeinde Lobberich.

Die ältesten Quellen führen den Ort in den Schreibarten "Ludbach" zwischen 984-999, "Loperike" i.J. 1219. "Lubbruch" i.J.1221, "Ludbrug" i-J.1245, "Lotbroik" i.J.1291, zugleich mit Bredele (Breyell) 1291, "Lotbruke" ebenfalls i.J.1291, "Lobrecht". "Lobbrecht", "Lobbrock", "Lobbrouch" und "Lobbrovick" i.J. 1328, "Lobbert" i.J. 1483, "Lobrich" i.J. 1486, "Lobbroch" i.J. 1509, "Lobbrich" in den Jahren 1528 u. 1538, "Lobbrock" i.J. 1530, "Lobbroick" in den Jahren 1531 und 1536, und "Lobbroich" in den Jahren 1523 und 1539 an. Seit dem 16. Jahrhundert wird die Form "Lobberich" angetroffen.

Woher aber kommt der Name? Vorab sei bemerkt, daß unsere alten Ortsnamen fast ausschließlich von der Beschaffenheit des Terrains, oder einer künstlichen Anlage entnommen sind, und daher nicht auf Willkür beruhen.

Der als Forscher rühmlichst bekannte, am 18. September 1882 im Alter von nahezu 87 Jahren zu Nieukerk verstorbene ehemalige Premier-Leutnant und spätere Geometer, Herr Peter Michael Buix, behauptet daß die Namen der Gemeinde Lobberich und Leuth im Kreise Geldern, zu plattdeutsch noch heute "Löth" genannt, von den naheliegenden Landseen oder Leuthen entlehnt sind. "Das Wort Leuth", sagt Herr Boix, "hat nach angestellter Vergleichung mehrere mit demselben bezeichnete Oertlichkeiten, die Bedeutung eines stehenden oder träge fließenden Gewässers, im Gegensatze zu Fleut (Fluß)". Herr Buix führt dann zur Erhärtung seiner Erklärung mehrere Orte mit dem Namen Leuth an und weist auf deren Lage hin; er sagt nämlich:

  1. "In dem niederländischen Theile der Düssel liegt das Dorf Leuth, in älteren Urkunden Luithusen (Häuser an der Luit) genannt, dabei das Leuther Meer, ein Ueberbleibsel eines ehemaligen Rheinarmes. Dieser Wasserstrang hat dem Dorfe den Namen gegeben, nicht umgekehrt.
  2. Bei Traar liegt die Bauerschaft "op de Luit" längs der morastigen Niepniederung.
  3. Nahe bei Rheinberg befindet sich ein seit einigen Jahren trockenes Wasserbassin mit dem Namen Leut oder Löth.
  4. Das jetzt verlandete ehemalige Rheinarmbett zwischen Ginderich und Menzelen hjeißt die Leut.
  5. Im Moersischen zwischen Kapellen und Rumeln liegt unmittelbar an der alten Rheinarmniederung, Sittard genannt, der Leutsfeldhof. Auch die Bauerschaft Lötsch unter Breyell und der Ort Lobberich, früher Ludbrug, das heißt Bruch an der Leuth genannt, haben ihren Namen von den naheliegenden Landseeen oder Leuthen."

Zieht man nun den jetzt ausgetrockneten Sumpf bei "Rittergut Brockerhof" und die übrigen jetzt noch sumpfigen Wiesen in der Nähe, die noch vorhandenen und schon verschwundenen Landseeen Lobberichs, dazu die anschließenden Landseeen der Gemeinde Breyell und der Gemeinde Leuth in Betracht, so hat die Benennung Ludbrugs, das heißt Bruch an der Leuth, große Wahrscheinlichkeit für sich. Auch die alte Benennung Lubbruch 1211, Ludbrug 1245, Lotbruke (Bruch an der Löt, Leut) 1791 und noch Lobbroich 1539, sprechen sehr für diese Annahme. Das "Necrologium Gladbacense" erwähnt unterm 19. Februar einen "hermanni de Ludbrug".

Der ebenfalls als Forscher rühmlichst bekannte, am 12. Januar 1883 im Alter von nahezu 78 Jahren verstorbene ehemalige Friedensrichter und Rittergutsbesitzer, Herr Anton Fahne, Verfasser der vier Bände "Die Dynasten, Freiherren und Grafen von Bocholtz", sowie vieler anderer Werke, vertritt die Ansicht: daß der Name der Gemeinde Lobberich römischen Ursprungs sei, und begründet seine Ansicht folgendermaßen:

"Der Name des Kirchdorfes Lobberich scheint aus einer römischen Niederlassung der Familie Lupercus hervorgegangen zu sein. Hierfür spricht der Name, die Thatsache, daß fast alle alten rheinischen Herrensitze sich auf römische Ansiedelungen gründen, daß frühe Vorkommen des Ortes, die Dedikation seiner Kirche an den hl. Sebastian, der Hauptmann war und im 3. Jahrhundert unter Kaiser Diokletian zu Rom den Martertod erlitt, die Ausdehnung der Lobbericher Latschaft über seine Pfarrgrenzen hinaus, in die Kirchspiele von Hinsbeck, Grefrath, Süchteln und Boisheim, und das Vorkommen von Ortsnamen innerhalb seiner Grenzen, welche an römische Verhältnisse erinnern, z.B. Bachusheide, Bachusweg."

Fahne schreibt ferner: "Die Ortschaften auf "ich" in unserer Gegend sind, wie viele Beispiele zeigen, aus der römischen Endsilbe "iacum" entstanden, so Elvenich aus "Albiniacum", Blerich aus "Bleriacum", Geminich aus "Geminiacum", Gressenich aus "Grasniacum", Jülich aus "Juliacum", Linnich aus "Liniacum", Melich aus "Mederiacum", Ulpenich aus "Ulpiacum", Ziverich aus "Tiberiacum", Zülpich aus "Tolpiacum", - und von diesen tragen

"Juliacum" von Julius und "Tiberiacum" von Tiberius ihren Namen. Nach dieser Analogie würde Lobberich römisch "Luperiacum" geheißen haben und dies führt auf Mumius Lupercus, den römischen Legaten und tapferen Verteidiger von Vetera (um 70 nach Christi Geburt), welcher dort in Gefangenschaft geriet und unterwegs getötet wurde. Dieser steht in dortiger Gegend nicht vereinzelt, denn ein früher zu Cleve aufbewahrter, in dortiger Gegend gefundener Stein mit der Inschrift:

"DIIS MANIBUS VITALINO LUPERCO

MILITI LECIONIS TRICESIMAE

ULPIAE VICTRICIS MARCUS ULPIUS

VERECUNDUS

weist eine Vitalinus Lupercus nach und auf eine hier ansässige Familie dieses Namens hin."

Die Schreibart "Loperike 1219" spricht ebenfalls für diese Ansicht. Wir werden daher nicht fehlgehen, anzunehmen, daß einer dieser beiden Ansichten, die jede große Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Name der Gemeinde Lobberich entlehnt ist

Lobberich wurde und wird noch jetzt von den Gemeinden Hinsbeck, Leuth, Breyell, Boisheim, Süchteln und Grefrath begrenzt. Die Wege der Gemeinde waren meistens seit Jahrhunderten an derselben Stelle. Ihr Zustand ließ aber bis vor etwa 30 bis 40 Jahren vieles zu wünschen übrig. An einigen zogen sich zu beiden Seiten Wälle hin, die mit Gehölz und Bäume besetzt waren, wodurch das Austrocknen durch Wind und Sonnenstrahl gehindert wurde und bei nasser Witterung machte das durchziehende Vieh sie zu Morästen.

Am 12. September 1505 verlieh Karl, Herzog von Geldern, dem Orte Lobberich, zu Ehren seiner Kirche und für die Herstellung der Steinstraße 2 Jahrmärkte.

Die Bodenfläche der Gemeinde Lobberich beträgt 6989 Morgen, 74 Ruten, 40 Fuß. Die Gemeinde ist ein wellenförmiges Terrain, bestand i.J. 1863 mit 14879 Thaler Katastral-Reinertrag und hatte i.J. 1863

Ackerland 4619 Morgen 140 Ruten, 40 Fuß
Obstgärten 148 Morgen 115 Ruten 30 Fuß
Gemüsegärten 69 Morgen 67 Ruten 40 Fuß
Wiesen 155 Morgen 147 Ruten 60 Fuß
Weiden 160 Morgen 103 Ruten 20 Fuß
Holzung 883 Morgen 125 Ruten 40 Fuß
Haide 365 Morgen 6 Ruten 70 Fuß
Fischerei 10 Morgen 102 Ruten 00 Fuß
Lachen 0000 Morgen 166 Ruten 40 Fuß
Morast 176 Morgen 27 Ruten 40 Fuß
Teiche 0000 Morgen 69 Ruten 10 Fuß
Gebäudeflächen 59 Morgen 124 Ruten 60 Fuß

und ca ca. 333 Morgen Wege und Flüsse

Die Sümpfe und Moräste sind meistens Teile größerer Wasserflächen, welche sich in die benachbarten Bürgermeistereien hinüberziehen und verschiedentlich entwässert sind. An der westlichen Grenze fließt die Nette, welche unterhalb Wachtendonk in die Niers mündet. Lobberich und die Burg Bocholtz liegen in fast gleichem Niveau, zwischen beiden zieht sich

ein ca. 60 Fuß hoher Bergrücken hindurch, auf dem die Hagelkreuzkapelle steht. Das Ackerland ist durchweg von vorzüglicher Qualität, wurde schon 1615 mit 150 Thaler, 1622 sogar mit 200 Goldgulden pro Morgen bezahlt.

Die ganze Gemeinde Lobberich war bis zum Jahre 1794 eine "Herrlichkeit", im Amte Krickenbeck gelegen, und bildet jetzt eine Bürgermeisterei.

Im Jahre 1833 zählte die Gemeinde Lobberich 559 Wohnhäuser, umgerechnet die dazu gehörigen landwirtschaftlichen Mühlen und Fabrikgebäude. Hiervon hatte:

das Dorf Lobberich
11 Seelen, 139 Wohnhäuser und 70 landwirtschaftliche Gebäude,

die Hondschaft Sittard
144 Seelen, 33 Wohnhäuser und 20 landwirtschaftl. Gebäude,

die Hondschaft Flötend (Flothend)
263 Seelen, 40 Wohnhäuser u. 23 landwirtschaftl. Gebäude,

die Hondschaften Ober- u. Nieder-Bocholtz
142 Seelen, 18 Wohnhäuser u. 32 landw. Gebäude,

die Hondschaft Dyck
197 Seelen, 33 Wohnhäuser und 20 landwirtschaftliche Gebäude

die Hondschaft Renkouen
(Rennekoven) 135 Seelen, 28 Wohnhäuser u. 24 landw. Gebäude,

die Hondschaft Sassenfeld
408 Seelen, 76 Wohnhäuser u. 54 landwirtschaftliche Gebäude

Das übrige fiel auf die Weiler auf der Haide, Rieth, Vierhöfe, Heidenfeld und Klinkhammel und die einzelnen Höfe, darunter die (damaligen) Rittersitze Ingenhoven und Bocholtz.

Das Kirchspiel Lobberich ist i.J. 1646 durch den Geometer Gerhard Heutmacher von Dülken vermessen und in eine Karte gebracht worden. Darnach war es damals in vier Hondschaften geteilt, als Dorpen, Sassenfelder, Bocholder, und Dycker >Hondschaft und hatte nur 3500 Morgen Acker; das übrige war Gemeindegrund, Wald Wiese, Weide, Wasser und Heide. Die Grenzen waren gegen Westen durch die Nette und die von ihr durchflossenen Gewässer, gegen Süden und Osten durch eine "Landwehr" gedeckt. Auffallend ist, daß sie Teile der Hondschaft Dyck ohne Schutz läßt. Die Verteidigung war an der Nette durch das an derselben (bei Nelsenmühle unter Gemeinde Breyell) gelegene "Burghaus Waldoos", an der "Stein-", "Heeres-" oder "Carlsstraße" durch die "Burg Bocholtz", im Innern durch die Burgen "Broeck" (Brockerhof) und "Ingenhoven" und endlich auf dem Wege durch das Dorf, durch zwei Schlag- oder Rennebäume, (Dohre,) vor Dyck und in Sittard, verstärkt.

Das Dorf Lobberich, (der geschlossene Ort, ohne die Handschaften), zählte im Jahre 1630 nur 44 Wohnhäuser; nehmen wir auf jedes durchschnittlich fünf Personen, so hätte der Ort damals 220 Einwohner gehabt. Bei der ersten französischen Kataster-Aufnahme von 1813 fanden sich im Orte, (Dorf,) einschließlich des Hauses Ingenhoven, 113 Wohnhäuser und ein Armenhaus (Eremitage) vor; im Jahre 1832 aber hatte der Ort schon 140 Wohnhäuser mit 821 Einwohnern. Im Jahre 1833 zählte die Gesamtgemeinde Lobberich 559 Wohnhäuser, dagegen im Jahre 1900 zählte die Gesamtgemeinde Lobberich 1038 Wohnhäuser und 1446 Haushaltungen.

Das Dorf Lobberich hatte, wie schon oben bemerkt, i.J. 1630 nur 44 Wohnhäuser, welche in folgender Gestalt nebeneinander lagen: in der von Süden nach Norden laufenden Straße, auf der Westseite, mit dem Rücken an das Feld des "Hauses Broich" (Brockerhof)

1.Dousen-Haus, das Haus des Tauben, es heißt dabei, daß es unten im Dorfe liege; 2. Wittlinx-Haus; 3. Hannes Schmitz; 4. Gerard Jannis; 5. Jan Dorkens, der Zeit Jan Dalens der Zimmermann genannt; 6. Thonis an der Stappen-Haus; 7. Jan Hegges; 8. Rüttger Kessels, der ein Drittel von dem unter 7 genannten Hegges-Erbe besaß; 7. Jan Mertens-Haus; um die Kirche mit dem Rücken an den Baumhof des Hauses Ingenhoven lagen: 10. Kirchshofs-Haus; 11. Philipsen-Haus; 12 Maes-Gut; 13. Peter Cüper, des Rentmeisters zu "Haus Flasrath" (Straelen) Haus; 14. Heinrich Daerkens-Haus, das unmittelbar an der Kirchthür resp. am Turme lag; 15. Heinrich Wolters, des Schatzhebers-Haus; 16. Hilger Rosentritts-Haus. Am Gemeindeplatze: 17. Menskens-Haus und die Peperstraße; 18. Rembolts-Haus; 19. Kirchhofs- oder Boltens-Haus; 20. Arnold Ebberts-Haus; 21. Goert Sassenfelds-Haus; 22. Paul Wolters wohnte auf der Ecke der Straße, gegenüber dem Hause 23. zum Blauensteine und neben 24. Pawel Wolters, Haus einerseits, und 25. Erken Wolters andererseits. Die längste Reihe bildeten folgende also nebeneinander liegende Häuser: 26. Otto Wolters oder Adrians-Haus; 27. Kox Gut oder des Schmied Arndt von Wankum-Haus; 28. Peter Wolters, des Kieters-Haus; 29.ken op den Stein oder Tisken Guyen-Haus; 30. Teggersgut oder Reimer Deutz, dieser Zeit genannt Reimer Wolters-Haus; 31. Haus zur Bone; 32. Backus-Haus oedr Dries Cremers-Haus; 33. Mobis-Haus, Abspließ des vorigen, auch Paul Mobis genannt, Schieflers Haus, oder Paus des Scholtheis-Haus; 34. in der Laen oder Nolkens-Gut; 35. Paul Kox-Haus; 36. des Küsters Lensen alias Waens-Haus; 37. Rangersgut, erste Hälfte bewohnt von Sander auf dem Stein; 38. Rangersgut, zweite Hälfte, bewohnt von Lenert-Lenen, daher Lenen-Haus; 39. Mewes Cremers-Haus; 40. das Haus Broustes; 41. Fyts jetzt Schmidtergut; 42. Drakenhaus; endlich 43. der Rittersitz Ingenhoven, mit 44. der Halfenwohnung. Nimmt man jedes Haus, anstatt wie oben zu 5, zu 7 Seelen an, so ergiebt dieses doch nur eine Einwohnerzahl von 308 Personen.

In Lobberich stand die Ackerwirtschaft bis zum Beginne des 17. Jahrhunderts, wie auch in der ganzen Umgegend, auf keiner besonderen Stufe. Das Bauland war, um gegen das Wild geschützt zu sein, in "Kämpe" eingeschlossen, jeder von drei oder mehreren Morgen.

Der "Kamp" war ein Grundstück, das mit einem Walle, auf dem Gehölz gepflanzt war, umgeben war; nur eine, mit einem Schlagbaume versehene Oeffnung gewährte Zutritt. Ein solcher Kamp war zu Lobberich der Kamp vor dem Hause Bocholtz, zu diesem gehörig und 1613 im ganzen 18 Morgen groß. Der Ertrag scheint auch zu Lobberich gering gewesen zu sein und bestand in Roggen, Hafer und Flachs. Im Jahre 1375 thun 28 Morgen, die der Herzog von Geldern an Hermann von Bocholtz in Erbpacht giebt, nur jährlich 2 Malter, 4 Sester Roggen an Pacht, selbst die "Kaetmühle" zu Lobberich, mit 5 Morgen Ackerland, giebt 1441 nur Roggenpacht. 1456 wird eine Stiftsdame des Hauses Bocholtz nur mit 3 Malter Roggen jährlich ausgestattet, 1519 bestehen sämtliche Abgaben der Familie von Bocholtz an den Herzog von Geldern in Roggen und Hafer; ebenfalls erwähnt das Testament Eduard's von Bocholtz bon 1536 verschiedene Roggenspenden. Im Jahre 1447 wird Malz und 1461 neben Flachs auch Rübsaat erwähnt. Der Malz stand in genanntem Jahre hoch im Preise, nach der Summe, die darauf geliehen ward. Bier kommt 1533 in Lobberich vor. Nach den geringen Abgaben der Laten an Flachs scheint der Anbau gering gewesen zu sein. Weizen kommt 1584 erst vor, Wachszins 1541 und Gemüse- und Obstgärten waren noch selten. Auch der Adel bestellte den Acker selbst, oder hatte ihn mit einem "Halbmann" in "Halbbau". (In späteren Jahrhunderten war der Halbmann oder Halfen der Pächter des zum Burghause gehörigen Ackerlandes.) Von der Familie von Bocholtz zu Lobberich werden uns in den Jahren 1432, 1523 und 1584 von solchen Halbbauten berichtet. Im Jahre 1584 war der Ackerhof des Sitzes Bocholtz (welcher später 2 große Höfe bildete), nur mit 6 Kühen, 3 Rindern, 6 Mast- und 8 Faselschweinen und etlichen Schafen besetzt. Außer dem Ackerlande gab es Pesch (Weiden) und Benden (Wiesen). Zu jedem Hofe gehörte ein Eichengehölz, 1509, und dem ganzen Kirchspiel gemeinschaftlich die "Gemeinde", d.h. Weide und Wald, welche rücksichtlich des Holzungsrechtes in Gewalten geteilt war, (z.B. hatte das St. Pantaleonsstift zu Köln zu Bocholtz bei Lobberich eine) und sonst zur Weide undMast der Schweine benutzt wurde; betreffs der Schafweiden wird uns dies 1432 von Cath. von Bocholtz über die ihr bei der Teilung zugefallenen Höfe "to broeckel" und "in ger stegen" berichtet. Merkwürdig ist, adß schon 1459 ein Weinberg an der Heeresstraße bestand; wahrscheinlich auf Gründen der Abtei St. Pantaleon. Er wird 1459 "Weingarten" an der Heeresstraße genannt und heißt die Stätte noch heute "Hus Wengert", d.h. "der Hauses (Bocholtz) Weingarten", er muß also später in Besitz der Familie von Bocholtz übergegangen sein. An Vieh werden aufgeführt: Pferde, Kühe, Rinder, Mast- und Faselschweine, Schafe, Lämmer, Hühner, Kapaunen, Gänse und Bienen. Die Fischerei lieferte Aale und Butten. Handel war so gut wie keiner; nur von Zufuhr von Ochsen, Butter, holländischen und grünen Käse und von Seife wird berichtet. 1553 stellt sich, wie anderswo, so auch in Lobberich, der hohe Wert des Geldes heraus. 1553 kostete nämlich ½ Faß Butter, 100 Pfd. grüner und 50 Pfd. holländischer Käse nur 12 Gulden, ein Ochse kostete 1530 23 Philippsgulden und 1531 kosteten 2 Ochsen sogar nur 33 Philippsgulden. Die Gewerbe waren durch Färber, Fassbinder, Schmiede, Schlosser, Schneider und Zimmerleute vertreten. Der Zinsfuß stand hier ehedem stets hoch, nie unter 6 Prozent, mit Strafklauseln, die zum Rutscherzins (laufenden Zins, "lopenden Thes") führten. 1567 ist der Zinssatz, den Dietrich von Bocholtz von 1000 Thaler von einem adeligen Verwandten zu Grevenbroich nahm, 8 Przt.; 1569 bei einem Rentenkaufe des Dietrich von Bocholtz beträgt er 6 Przt.; 1597 bei baaren Darlehen unter der Familie Bocholtz 15 ½ Przt.; 1599 und 1611 beträgt in der Familie Bocholtz zu Lobberich der Zinsfuß nur 6 Przt. - (In Westfalen dagegen betrug der Zinsfuß 1579 nur 5 Przt. und 1592 6 ½ Przt.) - .Ueber den "Rutscherzins" auch "laufenden Zins" und zu plattdeutsch "lopenden Thes" genannt, sei noch folgendes bemerkt: Die Latenrolle des Hauses Ingenhoven zu Lobberich, deren erste zu Anfang des 13. Jahrhunderts angelegt ist und später, zwischen 1375 und 1464 ergänzt wurde, bis 1519 eine neue Reinschrift angelegt wurde, hat über die 13 Laten Hinsbeck's: "zu wissen, daß alle diese Leibgewinne, Coermoede, Erbzinsen ? zu Hinsbeck "Voorzinsen" sind, auf der Hinsbecker Kirmeß vor Sonnen-Untergang bezahlt sein müssen, und sonst sich von Tag zu Tag verdoppeln. Der Leibgewinnherr muß alle Jahre durch den Hinsbecker Boten auf dortigem Rathause den Empfangstag ankündigen und sagen lassen, ob er in seinem Hofe Ingenhoven oder zu Hinsbeck empfangen will. Der Bote erhielt dafür 10 Stüber klevisch." Im Jahre 1486 mußte Catharina Hundt (von den Busch), Wittwe Johannes von Bocholtz und ihre beiden Verwandten Arnt von Wachtendonk und Johann von Krickenbeck gen. Barl, dem kölnischen Erbthürwärter, Godart Ketzgen, versprechen, ihm von dem geliehenen Kapital von 200 oberländischen Gulden von jedem Tage nach dem Zinsverfalltage 1 Gulden Rutscher oder laufenden Zins zu geben. Hiervon ist auch noch heute unter alten Leuten das Sprüchwort: "Es läuft auf wie der laufende Zins." ("Et löpt op, wie de lopende Thes".)

Vom Anfange dieses Jahrhunderts bis zum Jahre 1860 blieb die Einwohnerzahl der Gemeinde Lobberich so ziemlich dieselbe. Als aber um diese Zeit die Seiden-Industrie ihren Einzug in die Gemeinde hielt, da wurde aus dem bescheidenen Dorfe in wenigen Jahren ein schmuckes Landstädtchen und die Wohnhäuser und Fabriken schossen wie Pilze aus der Erde, - wozu auch der Bau der Eisenbahn im Jahre 1868 wesentlich beitrug, indem er eine neue Straße, die Bahnstraße, entstehen ließ. Im Jahre 1798 hatte Lobberich 1220 Einwohner.

Nach den statistischen Erhebungen war die Einwohnerzahl der Gesamt-Gemeinde Lobberich in diesem Jahrhundert folgende:

  • 1817 - 2358 Einwohner
  • 1833 - 3609 Einw.
  • 1840 - 2666 Einw.
  • 1845 - 2714 Einw.
  • 1850 - 2755 Einw.
  • 1855 - 3103 Einw.
  • 1860 - 3373 Einw.
  • 1865 - 3614 Einw.
  • 1870 - 4460 Einw.
  • 1875 - 5016 Einw.
  • 1880 - 5042 Einw.
  • 1885 - 6411 Einw.
  • 1890 - 7264 Einw.
  • 1895 - 7543 Einw.
  • November 1899 - 7752 Einw.
  • 1.Dezember 1900 - 7804 Einw.

Von diesen 1900 gezählten Einwohnern sind 3869 männlichen und 3935 weiblichen Geschlechts; mithin überwiegte das weibliche Geschlecht am 1. Dezbr. 1900 das männliche um 66 Personen. Vom 1. Dezember 1895 bis zum 1. Dezember 1900 hatte die Gemeinde um 261 Personen zugenommen.

Bis zum Jahre 1868 bekannten sich fast sämtliche Familien, mit Ausnahme einiger Fabrikteilhaber und Beamten, zur katholischen Religion. Die Zahl der Katholiken wird im Kapitel "Pfarrwesen" näher angegeben werden.

Im Jahre 1868 betrug die Zahl der Nichtkatholiken:

  • 1868 - 34 Protestanten und 7 Juden,
  • 1872 - 60 Prot. 10 Juden,
  • 1888 - 170 Prot. 15 Juden,
  • 1890 - 180 Prot. 15 Juden,
  • 1894 - 230 Prot. 20 Juden,
  • 1896 - 236 Prot. 17 Juden,
  • 1898 - 236 Prot. 16 Juden

Im Jahre 1885 wurde für die protestantische Gemeinde ein eigener Betsaal erbaut; den Gottesdienst besorgte vorläufig der Pfarrer der protestantischen Gemeinde Kaldenkirchen-Bracht. Am 1. April 1894 wurde die hiesige protestantische Gemeinde, zu welcher die in Breyell und Hinsbeck wohnenden Protestanten, ca. 50, hinzugenommen wurden, zu einer eigenen Kirchengemeinde erhoben und durch einen Pfarrvikar verwaltet. Am 1. Februar 1900 wurde sodann in der protestantischen Gemeinde die Pfarrstelle errichtet.

Im Jahre 1884 wurde das St. Marien-Hospital in der Nähe des Pfarrhauses (und auch jetzt der neuen Pfarrkirche) erbaut und der Leitung der Krankenschwestern der dritten Regel des hl. Franziskus unterstellt. Am 18. Juni 1889 erteilte der Kapitular-Vikar Giese auf den Bericht des Herrn Pfarrers Hegger vom 8. Juni 1889 die Erlaubnis, in der Kapelle des Krankenhauses das allerheiligste Sakrament aufzubewahren, jedoch mit der Auflage, wenn möglich, zweimal in jeder Woche in dieser Kapelle die hl. Messe zu lesen und dies nur in ganz seltenen Fällen, unter ungewöhnlichen Umständen, auf eine hl. Messe zu beschränken. Im Jahre 1901 wurde der Anstalt durch die Freigebigkeit Wohlwollender eine neue Kapelle an derselben gebaut, da die jetzige zu klein geworden war.

Mit dem Fortschritte der Gemeinde musste notwendig auch die Beleuchtungs- und Wasserfrage gleichen Schritt halten und an Stelle der mit Oel gefütterten Straßenlaternen ein anderes Licht beschaffen werden. Die Gemeinde traf deshalb mit der Firma Niedieck & Comp., Fabrikinhaber, ein Abkommen, worauf vom 1. Oktober 1887 an genannte Firma die Lieferung von Gas für die Straßen, sowie für die öffentlichen Gebäude und den Anschlussnehmern, den Privathäusern des Ortes, übernahm. Im Jahre 1898 wurde sodann auch der Wasserturm neben der Hagelkreuzkapelle erbaut und die Wasserleitung der Gemeinde angelegt. Im Jahre 1900 wurde sodann auch noch ein unterirdischer Kanal zum Ableiten des Straßenwassers von der "Linde" neben der neuen Pfarrkirche, Pastorat und Krankenhaus zum Windmühlenbruch seitens der Gemeinde ausgebaut.


Inhalt

Link Achtes Kapitel. Die Verwaltung der Gemeinde