Rokal bleibt ein Stück Lobberich

Nettetaler Spätlese. Zeitung für ältere Menschen Nr. 32 (2008)


Als Anni Pirenz ihren alten Chef Robert Kahrmann auf dem großen Bild am Eingang zu den Ausstellungsräumen sieht, fällt es ihr sofort wieder ein. „Guten Morgen, mein Kind", pflegte der fast 80-jährige Firmenpatriarch zu seiner Sekretärin zu sagen, wenn er das Büro betrat. Dann erhielt er eine Tasse Kaffe und begann wenig später mit dem Diktat von Briefen und Vermerken. Von 1956 bis 1970 ist Anni Pirenz, die zunächst noch Anni Pauw hieß, bei Rokal gewesen, erst in der Modellbahn-Abteilung bei Kahrmann-Schwiegersohn Hans Rameckers, dann in der obersten Etage bei Geschäftsführer Dr. Georg Hotze und eben beim Firmenchef.
Beim Anblick der alten Bilder aus dem Betrieb kommen viele Erinnerungen hoch, aber „das war das erste Leben". Das zweite sieht sie als Ehefrau und Mutter. Selbstverständlich hat der Sohn eine Rokal-Modelleisenbahn und lange mit ihr gespielt. Nur für die Puppen, die sie auf der Nürnberger Spielwarenmesse erstand, als sie dort Rokal-Eisenbahnen repräsentierte, fand sie keine Verwendung, denn Töchter bekam sie „leider" nicht.

„Ich bin schon 52 Jahre nicht mehr bei Rokal", stellt sich Heinz Hauertz seinen früheren Kollegen vor. Als 14-jähriger hatte er 1947 eine Lehre als Technischer Zeichner begonnen, eigentlich hatte seiner Mutter ein kaufmännischer Beruf vorgeschwebt, als sie beim Nachbarn Kahrmann wegen der Lehrstelle vorsprach. Doch weil eine solche im Moment nicht frei war, wurde Hauertz zwei Jahre nach Ende des Krieges eben Technischer Zeichner. Er hat später allerdings keine Modellbahnen gezeichnet: „An denen arbeitete immer mein Nebenmann." Als er 1956 das Unternehmen verließ, war er Betriebsjugendsprecher – und machte Jugendarbeit zu seinem zweiten Beruf.

An den Jugendsprecher Hauertz erinnert sich auch noch Willi Görtz, der eigentlich Bäcker werden wollte, doch aus gesundheitlichen Gründen nicht zugelassen wurde. So begann er 1954 eine kaufmännische Lehre und fand sich in der Ausstellung in kurzen Hosen wieder: auf einem Foto der Modellbahn-Mitarbeiter.
Auch Görtz verließ nach zehn Jahren Rokal. „Doch war das nicht das schlechteste", blickt er nach einem langen Berufsleben, das zuletzt nach Hamburg führte, zurück. Wie bei Hauertz hatte auch Willi Görtz' Mutter die Lehrstelle durch ein Gespräch mit Robert Kahrmann eingefädelt: Beide wohnten gleich neben dem Betrieb auf der (damaligen) Bruchstraße.

Seit 43 Jahren ist Hans-Theo Schnock bei Rokal und nach dem Konkurs 1974 bei dem Nachfolgeunternehmen Pierburg. Ihn hat damals die goldene Armbanduhr gereizt, die Robert Kahrmann allen überreichte, die 15 Jahre dem Betrieb angehörten. Sein Vater hatte sie bekommen. Die hat auch Anton („Toni") Funk erhalten, der 1946 im Werkzeugbau anfing und später in den Abteilungen Armaturen und Autozubehör tätig war (bis 1989). Solch ein Oldtimer ist auch Gerhard Lies, der von 1949 bis Ende 1986 Vergaser und einen „Frankfurter Topf genannten Schalldämpfer baute sowie anschließend in der Arbeitsvorbereitung eingesetzt war. Sie alle haben Entlassungswellen und den Konkurs überstanden. Die Erinnerung an einstige Ängste um den Arbeitsplatz ist heute bei Kaffee und Kuchen allerdings weitgehend verblasst.

Das gilt nicht für Wolfgang Tretbar der noch „voll im Geschirr" steht. Schon sein Großvater und Vater hatten bei Rokal gearbeitet, ehe er 1970 als Werkzeugmacher anfing und gerade vor dem Konkurs fertig wurde. Heute kämpft er als Betriebsratsvorsitzender von Pierburg Nettetal für den Erhalt der letzten 350 Arbeitsplätze von einst über 2000.

Mit der Resonanz auf die Ausstellung sind die Rokal-Freunde Lobberich sehr zufrieden. „Wir hatten nicht gedacht, dass die Ausstellung auf eine so große Resonanz stoßen würde", blickt Walter Brandt zurück. Aus allen Teilen Deutschlands seien Freunde der TT-Spur angereist.

Den Rokal-Freunden wurde auch eine Anlage aus den 1950er Jahren zur Verfügung gestellt; zum Bestand der Dokumente aus damaliger Zeit gehört nun auch ein Teile-Sortierkasten, den ein ehemaliger Rokal-Mitarbeiter noch in seinem Besitz hatte.

Kontakt zu den Rokal-Freunden: Tel. 02153 60773, E-Mail: brandt_walter@t-online.de.


Rokal GmbH

Metallindustrie: Mit dem Guss- und Armaturenwerk schuf Robert Kahrmann in Lobberich ab 1927 ein Gegengewicht zur beherrschenden Textilindustrie. Nach dem Konkurs 1974 übernahm Kolbenschmidt-Pierburg den Teil Autozubehör ganz, die Armaturen wurden schließlich Teil der Stuttgarter Hansa AG. Die Modellbahn war schon 1971 verkauft worden.

Arbeitsplätze: Wurden auf dem Rokal-Gelände zwischen Düsseldorfer Straße, Robert-Kahrmann-Straße und Bengerhof in der Spitze über 2.500 Personen beschäftigt, so sind es heute nur noch rund 500: Knapp 400 bei Pierburg, rund 50 bei Rokal-Armaturen und etwa 50 bei anderen Firmen, die sich auf dem Gelände angesiedelt haben.


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