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"Gekauft hat Tissavel nur die Maschinen . . ."

Seit 1977 ist Josef Oemmelen im Betriebsrat aktiv. Auch er bekam wie fast 300 seiner Girmes-Kollegen keinen neuen Vertrag.

Oedt/Lobberich. Seit 1. August ist es ruhig geworden in den Produktionshallen des einst so erfolgreichen Textil-Herstellers Girmes.

Nur noch 115 der zuletzt 410 Beschäftigten sind vom neuen Besitzer, der französischen Tissavel, übernommen worden. Wenn die Restarbeiten erledigt sind, wird auch der langjährige Betriebsrats-Vorsitzende Josef Oemmelen arbeitslos sein.

Der gebürtige Breyeller lebt mit Frau und Tochter in Lobberich. Die WZ unterhielt sich mit dem 58-Jährigen über goldene Zeiten und trübe Aussichten.


Betriebsrats-Vorsitzender Josef Oemmelen vor einem Oedter Symbol: Dem Girmes-Wasserturm. Foto: Friedhelm Reimann

Westdeutsche Zeitung: Ihr beruflicher Werdegang?

Josef Oemmelen: Nach der Hauptschule habe ich 1960 bei Niedieck eine Lehre zum Betriebsschlosser begonnen. 1977 bin ich in den Betriebsrat gewählt worden, 1999 wurde ich Vorsitzender des Betriebsrates. Seit 1985 bin ich freigestellt, das heißt, ich habe mich ausschließlich um die Belange der Arbeitnehmer gekümmert.

WZ:Was gehört dazu?

Oemmelen: Ich war lange Zeit in der Gewerkschaft für Textilbekleidung (GTB) aktiv. Nach der Fusion mit der IG Metall habe ich mich da engagiert. Außerdem bin ich im Vorstand der Berufsgenossenschaft, mit Sitz in Augsburg da war ich schon extrem eingespannt. So auch bei der Betriebskrankenkasse. Zudem bin ich ehrenamtlicher Richter am Krefelder Arbeitsgericht.

WZ: Hatten Sie da überhaupt Zeit für Hobbys und die Familie?

Oemmelen: Für meine Familie schon, für Hobbys weniger. Meine Frau Hilde hat sich intensiv mit unserer Tochter befasst und arbeitet zweimal in der Woche als Frisörin. Früher habe ich Fußball gespielt, aber nach einem Wadenbeinbruch ging das nicht mehr.

In meiner Freizeit beschäftige ich mich viel mit meinem Computer, habe Kurse besucht und Fortbildungen mitgemacht. Das kam mit natürlich auch im Berufsleben zugute. Ansonsten bin ich noch in einem Kegelklub.

WZ: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

Oemmelen: Momentan weiß ich noch nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe mein Leben lang für den Betrieb gelebt, mich mit der Firma identifiziert. Man hat das auch immer noch nicht richtig begriffen. Ich sehe die leeren Werkshallen das ist schlimm.

Ich bin in einem Alter, in dem ich auf einen Arbeitsplatz wohl nicht mehr hoffen kann. Zumal ich die letzten 20 Jahre freigestellter Betriebsrat gewesen bin. Ich hoffe, dass die anderen Chancen bekommen. Gerade die Jüngeren. Aber die meisten sind Fachkräfte und der Textil-Industrie geht es nicht so gut. Es gibt wenig Alternativen.

WZ: Wie haben Sie die Zeit der neunmonatigen Insolvenz empfunden?

Oemmelen: In den letzten Wochen war der Informationsfluss recht unbefriedigend. Die Gerüchteküche hat an aller Nerven gezehrt. Herr Piepenburg (Anm. d.Red.: Insolvenzverwalter) war so kooperativ wie möglich.

Aber während der laufenden Verhandlungen konnte auch er wenig Auskunft geben. Wir standen 1989 schon einmal vor einer ähnlichen Situation. Aber damals hatte das längst nicht so böse Auswirkungen.

Zwar mussten Mitarbeiter entlassen werden, aber das konnte im Vorfeld schon geklärt werden. Da diesmal die Firma nicht übernommen, sondern neu gegründet wurde, trat der Paragraph 613 a BGB nicht in Kraft sonst hätte der Käufer alle Rechte und Pflichten übernehmen müssen.

WZ: Wie stehen sie zu Tissavel?

Oemmelen: Der Kleine hat den Großen geschluckt Girmes hat weit mehr Umsatz gemacht. Ich hoffe, dass es im produktiven Bereich weitergeht und die 80 Mitarbeiter auch über Jahresende hinaus beschäftigt werden. Aber an sich befürchte ich, dass es bald vorbei ist mit dem Standort. Zumal Tissavel nur die Maschinen gekauft hat, Grund und Boden sind nur gemietet. Der Betrieb in Tschechien wird ausgebaut und mit unseren Maschinen ausgestattet. . .

06.08.04

Von Verena Schade


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