Vl-Explosion forderte 35 Opfer in Lobberich
Vier Lobbericher Häuser völlig zerstört
Lobbericher erinnern sich: Um 12.33 Uhr blieb 19. Februar 1945 die Tunnuhr von St. Sebastian stehen - der Zeitpunkt der Explosion
Lobberich. An diesem Samstag jährt sich zum 60. Mal (19. Februar) der wohl dunkelste Tag in der jüngeren Geschichte Lobberichs. Am 19. Februar 1945 explodierte auf der unteren Hochstraße eine defekte V-1 Bombe und zerstörte vier Häuser völlig. Mindestens 35 Menschen kamen dabei um.
Viele ältere Lobbericher haben jenes Datum im letzten Kriegsjahr noch als einen sonnigen Vorfrühlingstag in Erinnerung. Das heitere Wetter konnte allerdings nicht die vielen Sorgen der Menschen vertreiben: Die Front stand nicht weit weg im Westen. (Elf Tage später wurde Lobberich von den Alliierten nach kurzem Beschuss eingenommen.)
"Wenige Minuten nach halb eins", so schilderte Arnold Frank den Hergang der Katastrophe, "sahen wir ein von Nordosten kommendes flugzeugähnliches Ungetüm mit flammendem Schweif herannahen, dessen Flug im Bogen auf den Kirchhof zu ging. Hier erlosch der Feuerstrahl, der heulende Koloss änderte seinen Kurs mit einer scharfen Kurve wieder auf den Ingenhovenpark zu, ging bodenwärts, und Sekunden später erschütterte ein ungeheurer Stoß die Erde. Fast alle Fensterscheiben zersprangen, Ziegel prasselten von den Dächern, erschreckte Menschen rannten auf die Straße und sahen eine finstere Wolke aus Feuer und Rauch auf der unteren Hochstraße hochgehen."
Ein Bild des Grauens und der Verwüstung bot sich den Herbeieilenden, als sich die Explosionswolke verzogen hatte. Vier Häuser waren fast völlig in Trümmern zusammengesunken: Thissen, Walter-Hahnen, das Hotel Köster und Hormes.
Auf der Straße und zwischen den Trümmem lagen nackte Leichen, denen der unvorstellbare Luftdruck die Kleider vom Körper gerissen hatte. In den Bäumen des Ingenhovenparks hingen Kleiderfetzen und Eingeweide von einem Pferdegespar das vor dem Hotel Köster gestanden hatte, fand man später nur noch die Köpfe der Pferde. Ein Teil des Geschirres flog bis Landmaschinen Friedrichs auf der Süchtelner Straße.
Von den beiden Soldaten, die vor dem Eingang des Hotels Decken aufluden, blieb keine Spur - auch nicht von ihrem Gefährt. Zwei siebenjährige Kinder, die am Ingenhovenweiher spielten und ein 14-jähriger Schüler in ihrer Nähe waren sofort tot.
"Die Welt geht unter!" - an diesen ihren Gedanken erinnerte sich Hubertine Thissen noch genau, als die V-1 explodierte und ringsum alles finster wurde. Sie hatte in der Küche gerade ihrer Tochter das Essen fertig gemacht und wollte wieder in den Laden gehen. Ein herumstehendes Essgeschirr, dass sie noch schnell wegsetzte, hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet, denn wäre sie im Laden gewesen, der Tod hätte zugegriffen - wie bei der Verkäuferin und einem Soldaten, der sich vor dem herannahenden Ungetüm im Laden retten wollte. Ein Schrank hielt einen wie ein Streichholz umknickenden Baum zurück, der ihr ins Gesicht schlug. Ihre Tochter Gertrud wurde unter einen Tisch geschleudert und vor dem heranbrechenden Gestein geschützt. Eine erst kurz zuvor verstärkte Mauer rettete dem fünfjährigen Josef Thissen im ersten Stock das Leben. Von einem kleinen Stück Decke - die Seitenmauein des Hauses standen zum großen Teil nicht mehr - wurde er später heruntergeholt.
Aus den Trümmern befreite man Lucie Walter und auch im Hotel Köster waren dem Tode Wilma Köster und Christel Köster (heute Christel Dung, Kempener Straße) entronnen. Die Bergung der Toten und Verletzten gestaltete sich äußerst schwierig, da immer wieder Gestein nachstürzte. Eine Frau, die noch einmal das Tageslicht erblickte, wurde bei dem Versuch, ihr einen Ausgang aus dem Keller zu verschaffen, verschüttet. Die Unglücksstätte war glühend heiß, und die Feuerwehrleute mussten immer wieder Wasser spritzen, um die Hitze erträglicher zu gestalten. Die ganze Nacht wurde bei Scheinwerferlicht an der Unglückstelle nach Vermissten gesucht. Doch wurden die Leichen einer Mutter und ihres Kindes erst zwei Monate später im Keller des Hotels Köster gefunden.
Arnold Frank schilderte, dass sich durch die V-1-Explosion sogar am Turm der Pfarrkirche Sankt Sebastian schwere Steinteile lösten, die das Gewölbe des rechten Seitenschiffes durchschlugen. Auf der Südseite war die Fensterverglasung zerstört. Im linken Seitenschiff kam später noch während des Gottesdienstes eine Frau durch her abstürzendes Gestein zu Tode. Die Turmuhr blieb auf 12.33 Uhr stehen. Man nimmt an, dass zu diesem Zeitpunkt die V-1 explodierte.
Mia Schroers, die heute als Frau Heidel in Breyell lebt, meint allerdings, dass sich die Katastrophe erst kurz vor ein Uhr ereignet habe. Sie hatte an jenem Tag um ein Uhr Dienst beim Lobbericher Fernmeldeamt. Sie wollte schon die Hochstraße betreten, als sie bemerkte, dass sie ein paar Äpfel vergessen hat te. Sie lief zurück in den Keller. In diesem Augenblick explodierte die V-1 und zerstörte dabei auch völlig den Laden ihres Elternhauses.
Die Namen der Toten
Die Toten wurden in der Alten Kirche aufgebahrt. Ihre Namen seien noch einmal angeführt: Josef Caelers (66), Mechtilde Caelers (57), Gertrud Heghmanns (21), A. Gertrud Thissen (77), Christa Geppert (7), A. Gisela Zillessen (7), Herbert Peschkes (14), Emilie Heks (18), Josef Köster (63), Mathilde Köster (63), Irma Mülleneisen (57), Karl Peuten (56), Anneliese Steinwegs (17), Gerhard Thomas (63), Georg Walter (79), Elisabeth Weber (44), Magdalene Rütten (37) und Anneliese Rütten (7) (später aufgefunden) und Christine Jansen (66) in der Kirche verunglükkt, alle aus Lobberich; ferner Walter Wenke (45), Oedt-Mülhausen, M. Katharina Schuren (14), Schaag, Karl August Lingenberg (67) Krefeld, Gertrud Wilhelmine Leuchtenberg (42), Düsseldorf, Kurt Fürwentsches (44); Dülken.
Die Zahl der ums Leben gekommenen Soldaten blieb Militärgeheimnis. Sie wird auf zehn geschätzt. Da zu dieser Zeit ein Lehrgang im Hotel Köster stattfand, waren es vermutlich mehr. Die Gesamtzahl der Getöteten wird so mit 35 eher zu niedrig als zu hoch angenommen sein.
Die neben den völlig zerstörten Häusern liegenden Gebäude wurden so arg in Mitleidenschaft gezogen, dass sie teilweise unbewohnbar waren. Schnell setzte jedoch der Wiederaufbau ein. Thissen zogen im Juli 1947 wieder in ihr jetzt zweistöckig aufgebautes Haus ein, die teilweise zerstörten Häuser wurden, sobald es die unwirtlichen Zeiten zuließen, repariert. Das völlig zerstörte Haus Hormes entstand wieder Mitte der fünfziger Jahre.
Dem Erdboden gleich gemacht. Den Schaden richtete im Februar
1945 eine deutsche"Vl-Rakete" in Lobberich an.
Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1947 - die Schäden waren noch immer
zu sehen. Foto: GN-Archiv
Weitere Zeitungsartikel: Archiv
Der erwähnte Bericht "Kriegsende in Lobberich" von Arnold
Frank
erschien im Heimatbuch des Kreises 1963. Sie finden ihn
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