Die Geschichte
der ROKAL-TT Modelleisenbahn

von Manfred Albersmann
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RÖWA und das Ende von ROKAL-TT

Titel des Buches

RÖWA übernimmt

Willi Ade unterzeichnete diese Kundeninformation der Firma RÖWA Modellbahnen GmbH

Im Gegensatz zu den schriftlichen Versprechungen in der vorstehenden Übernahmeinformation an den Handel und im Katalog von 1972/73 ("Die Freunde der TT-Bahn können darüber hinaus sicher sein, dass "Ihre" Bahn nicht nur laufend aufgebaut und erweitert wird, sondern dass RÖWA auch besonderes Augenmerk auf die Verbesserung der bisherigen Modelle in Bezug auf Detaillierung, technischer Feinheiten und Vorbildtreue richten wird") begann bei RÖWA das große "Aussortieren", wie der RÖWA Katalog von 1972/73 beweist.

Darin beginnt das TT-Bahnangebot ab Seite 55, mit den Triebfahrzeugen V 60, SNCB BR 260 und den Neuentwicklungen DB V212 und DB V216, allerdings nur als Ankündigungen. Die schon seit langem in der Fertigung stehende V 60 war interessanterweise auch nicht lieferbar.

Mit "sofort lieferbar" deklariert waren die Katalogabbildungen der Dampflokmodelle BR 89.7-T3, BR 85 und BR 24. Die Schnellzugdampflok BR 03 trug den Vermerk: "vorläufig nicht lieferbar". Sofort lieferbar waren laut Katalog damals TEE E-Lok E 03 und die SBB E-Lok Ae 6/6. Alle anderen elektrischen Lokmodelle waren nicht mehr im Katalog enthalten.

Auf Seite 59 wurden groß herausgestellt: die Container-Tragwagen DB, Mehrzwecktragwagen, gedeckte Güterwagen, SBBK4, Gms54, Gmmehs56 und Pwghs54. Erfreulicherweise sind eine Anzahl der Containerwagen Lbs598 ausgeliefert worden, die mittlerweile zu begehrten Sammlerobjekten herangereift sind.

Auf Seite 60 sind die 1968er Güterwagenneuheiten (von ZEUKE) verzeichnet mit dem Zusatz: "Lieferung solange der Vorrat reicht". Das gleiche traf auch auf alle Nebenbahnpersonenwagen zu, außer den beiden Oldtimer-Personenzugwagen CiPr05a und PwiPr99, die auf der Seite 61 abgebildet waren. Alles andere aus dem ehemaligen ROKAL-Programm gab es laut RÖWA Katalog 1972/73 nicht mehr.

RÖWA Neuheiten
RÖWA Neuheiten Blatt von 1972

Die alten ROKAL-Weichen gab es auch nicht mehr, dafür wurden neue Ausführungen mit echten Herzstücken und Zungenschienen angekündigt, dies betraf auch Kreuzungen, Kontaktgleis und Entkupplungsgleis. Zur Auslieferung in neuer RÖWA Verpackung kamen jedoch nur gerade und gebogene Gleise.

Die Vollprofilschienen hatten eine andere Metall-Legierung (vermutlich ohne Messing) und die Schwellenroste hatten eine schwarze Färbung im Kunststoffmaterial.

Weichen

Schwellenroste der RÖWA-TT Weichen sind dem TT-Arbeitskreis im Jahre 1980 von BEMO zur Lieferung angeboten worden, als Überlegungen angestellt wurden, TT-Weichen fertigen zu lassen. Dieses Vorhaben scheiterte leider an den zu hohen Kosten. Denn sicherlich konnten für eine Übergangszeit zahlreiche Modelle und Artikel weiter produziert werden. Die Maschinen und Formen dazu waren in RÖWA Besitz. Dieses Programm nach und nach auf den aktuellen Stand zu bringen und auf präzisen RÖWA Maßstab zu entwickeln wäre der vernünftigste Weg gewesen.

Von den angekündigten Modellen wurden bekanntlich nur die zweiachsigen Container-Tragwagen verwirklicht. Man könnte vermuten, dass RÖWA die Entwicklung und Produktion in der Spurweite TT von Beginn an bewusst eingeschränkt hat. Dafür spricht, dass die für 1973 angekündigten Neuerscheinungen nicht lieferbar waren und mit dem Katalog 1974/75 überhaupt kein TT mehr im Angebot war.

Umso erstaunlicher ist, dass für die Baureihe 03.10, die von RÖWA nicht mehr ausgeliefert wurde, ein neuer Nietentender angeboten wurde. Wie bereits beim Tender des Modells der Baureihe 24 waren die Seitenwände mit Nietenreihen verziert. Auf das ROKAL-Signet wurde zugunsten einer detaillierten Beschriftung mit Gewicht, Bremsgewicht, Fassungsvermögen und Untersuchungsdatum verzichtet. Die Daten stimmen mit denen der großen Vorbilder überein.

Vielen Dank an dieser Stelle an Frank Austen für die Bereitstellung der nachfolgenden Bilder.

Niettender RÖWA

Niettender - Detail
Nietentender der 03 1014 von RÖWA

Gew Lok-Tender
164t
Br Gew P
175t
G
151t
Wasser
34m³
Kohle
10t
L Br Unt 5 2 61
 

Mit der Auslieferung der Container-Tragwagen verbreitete sich ein allgemeiner Optimismus unter den TT-Freunden und hoffnungsfroh haben alle an ein Weiterleben der TT-Bahn geglaubt.

Dieser Glaube erführ dann in 1974 ein jähes Ende: Die Firma ROKAL GmbH meldete am Altweiber-Donnerstag 1974 Konkurs an. Was waren die Ursachen? Im Bericht des Konkursverwalters an die Gläubigerversammlung ist zu lesen:

Die Gesellschaft war unterkapitalisiert, wenngleich auf verschiedenartigen Wegen versucht wurde, zu einer Sanierung zu kommen. Als Oberbegriff der Sanierungsverhandlungen war der Versuch zu werten, Beteiligungsverhandlungen mit Interessentengruppen zu einem positiven Ergebnis zu führen. In zwei Fällen sind derartige Gespräche bis fast zum fertigen Vertragsentwurf geführt worden. Eine dieser Verhandlungen scheiterte an der Abwertung des Dollars gegen- über der DM; im zweiten Fall zerschlugen sich die Verhandlungen durch das Eintreten der Energiekrise im November 1973. In den letzten zwei wurde mit über 20 Interessenten diesbezüglich verhandelt.

Die Gesellschaft hat sich des weiteren um die Gewährung einer Landesbürgschaft in Höhe von 6 Mio DM bemüht unter Federführung der Bfg (Bank für Gemeinwirtschaft). Durch Schreiben des Finanzministers NRW vom 13.9.1973 wurde der Antrag zunächst abschlägig beschieden mit dem Hinweis, dass vorab die Beteiligungsbemühungen zu Ende geführt werden sollten. Als dies im November 1973 endgültig scheiterte, stimmte der Finanzminister Anfang Dezember 1973 einer neuen Aufnahme des Antrages im Bürgschaftsausschuss zu. Mitte Dezember 1973 erschien in deutschen Zeitungen Vermerke des Inhaltes, dass die Bürgschaftsverhandlungen der ROKAL GmbH angeblich gescheitert seien. Tatsächlich zogen sich jedoch die Verhandlungen mit dem Land weiter bis zum 13. Februar 1974 hin. An diesem Tag erklärte der zuständige Ausschuss des Landes gegenüber der Geschäftsleitung, dass nunmehr endgültig ablehnend entschieden sei. Einer der wesentlichen Gründe dürfte gewesen sein, dass die Kapitaldienstgarantie einen potenten Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe gem. Auflage der Treuarbeit nicht beigebracht werden konnte.

Es folgten automatisch am selben Tag Kredikündigungen von Banken. Damit waren der ROKAL GmbH die Konten blockiert. In den letzten Tagen hatte die ROKAL GmbH noch mit der Fa. Draftex GmbH Verhandlungen zwecks Gesamtübernahme geführt. Am 13. Februar 1974 erklärte aber auch diese Firma, dass sie nicht bereit sei, ohne ein sicherndes Insolvenzverfahren an der Übernahme in der Form der Fortführung zu denken. Am Tage darauf, nämlich am 13. Februar 1974 stellte die ROKAL GmbH dann Antrag Eröffnung des Konkursverfahrens.

Hemanlage 1970
Ausschnitt aus einer Heimanlage in Lobberich (1970)

Auf der Nürnberger Messe im Frühjahr 1975 ahnte man es noch nicht, aber bereits am 1. April 1975 eröffnete der Konkursverwalter das Vergleichsverfahren über RÖWA. Warum? Nun, Hauptanteilseigner der RÖWA war die Firma ROKAL. Der Konkursverwalter forderte 1,8 Mio DM Beteiligungsforderung von RÖWA zurück. Da RÖWA diese Summe nicht aufbringen konnte, ging RÖWA selbst in Konkurs.

Dass diese Nachricht viele Modellbahner erschreckte, war verständlich, hatte sich RÖWA doch im Laufe des letzten Jahrzehnts einen festen Platz im deutschen wie internationalen Modellbahnwesens gesichert, nicht zuletzt aufgrund zahlreicher richtungsweisender Neuentwicklungen (Schnellzugwagen im Längenmaßstab 1:100, die alten preußischen Waren nebst T 3 oder die Kurzkupplungen). Willi Ade, Hauptgesellschafter und eigentlicher Konstrukteur der Firma RÖWA sollte sich jedoch ein "Silberstreif am Horizont" abzeigen. Nachdem sich die äußerst wichtigen Schutz- und Patentrechte für die RÖWA Erzeugnisse im Besitz eines Familienmitgliedes befänden, versuchte Willy Ade bereits im September 1975 mit einer neuen Firma an den Markt zu gehen.

Für die meisten TT-Bahner war das dennoch unfassbar. Hochverärgert stieg nun eine große Anzahl auf andere Nenngrößen um. Vorwiegend auf die Spur N, wo das Angebot inzwischen gut ausgebaut zur Verfügung stand, weil auch alle HO-Hersteller diese Baugröße zwischenzeitlich zusätzlich in die Fertigung aufgenommen hatten.

Hiervon bekam der Fabrikant der ersten TT-Modelleisenbahn in Deutschland, Robert Kahrmann, nichts mehr mit. Er verstarb am 27. April 1972.

Anlage Kaupsch 1976
Ausschnitt aus einer ROKAL-Anlage von Franz Kaupsch aus dem Jahre 1976

Im Oktober 1975 machte ein Privatmann aus Kaiserslautern von sich reden. Hans Heinrich Christmann hatte sich die Mühe gemacht, und aus Branchenverzeichnissen systematisch alle in Frage kommenden ROKAL-Händler herausgesucht, die eventuell noch ROKAL-Material auf Lager haben könnten.

Diese schrieb er an und versuchte, die Restbestände zu erwerben, um diese dann zu lagern und den ROKAL-Interessierten zukünftig anbieten zu können. Alle ROKAL-Interessierten wurden dann von ihm in einer Kartei erfasst. Vierteljährlich erschien nun - leider jedoch auch nur bis Mitte 1976, dann musste Christmann seine Bemühungen aus gesundheitlichen Gründen einstellen - eine Bestandsliste, die den "Eingetragenen" mit der Möglichkeit der Bestellung zugesandt wurde. Die Verkaufspreise lagen um etwa 10 % höher als sie im letzten ROKAL-Katalog ausgewiesen waren.

Die inzwischen fünf Jahre andauernde Ungewissheit über die BRD-TT-Bahnsituation war mit diesem RÖWA Konkurs nun endgültig beantwortet - oder? - Vielleicht wäre es richtiger gewesen zu sagen: "Das Ziel, die TT-Produktion in der BRD zu vernichten, ist erreicht!!"

Es bedarf nicht viel Phantasie, sich die Spekulationen hinter den Kulissen des Modellbahnmarktes auszumalen. So völlig unbeteiligt, wie man sich nach außen hin gab, war die Branche sicherlich nicht. Denn eine Rèsistance gegen die TT-Spur ist in der Branche bis zum heutigen Tag erkennbar geblieben. Darauf deuten unzählige, oft nebensächlich erscheinende, Verhaltensweisen. Sehr zurückhaltend zeigt sich auch der Fachjournalismus. Kein Artikel, der sich tief greifend mit dem Schicksal der Nenngröße TT auseinander zu setzen versuchte, gelangte in die Öffentlichkeit, während man in alle anderen Dinge voll hineinstieß und darüber engagiert berichtete.

Auch wird es interessant, wenn man die RÖWA Konkursabwicklung verfolgt:

Einige ehemalige ROKAL-Kundendienstfirmen bemühten sich um die TT-Konkursmasse. Hauptsächlich waren sie an den Formen und Werkzeugen für die Triebfahrzeugproduktion interessiert; denn diese Teile waren für die Existenzfähigkeit einer Modelleisenbahnfertigung von existenzieller Bedeutung. Franz Kaupsch (Bad Marienberg), Autor des in einigen Passagen zitierten Buches "Kleine Modelleisenbahn TT" Geschichte und Gegenwart der 12 mm -Spurweite erschienen im Handbuch für Modellbahn-Sammler der MIKADO Redaktion "Modellbahnen" von 1984, hat - so seine Feststellungen - von der Konkursverwaltung über den Verbleib dieser TT-Fertigungsteile nichts in Erfahrung bringen können. Alles andere, so Kaupsch, wie Halbfertigwaren, Gleise und auch Fertigmodelle waren verfügbar, sind auch, soweit es die Finanzen der Interessenten zuließ, gekauft worden und entgingen damit einer Vernichtung. So soll einer der Interessenten das Verhalten der Konkursverwaltung als "Ausweichmanöver" bezeichnet haben. Um noch einiges zu retten, verfolgte dieser die mit Teilen aus der Konkursmasse beladenen LKW. Diese transportierten ihre Fracht bis nach Österreich hinein, wo sie dann als Schrott bei Metallgießereien abgeladen wurden. Alle TT-Produktionsmittel waren vorher unbrauchbar gemacht worden. Nicht nur Franz Kaupsch wunderte sich über diese Art und Handlungsweise der Konkursabwicklung. Üblicherweise dürfte dem Konkursverwalter die Pflicht obliegen, möglichst gewinnbringend die vorhandene Masse "an den Mann zu bringen", um eventuell bestehende Verbindlichkeiten regulieren zu können.

Nun könnte man einwenden, der Verkauf der H0-Bahnteile könnte so viel eingebracht haben, dass alles andere als Schrott verkauft werden konnte. Aber warum gehörten zu diesem Schrott die TT-Bahn-Fertigungsteile? Verschiedene Quellen behaupten, Formen, Zeichnungen und Werkzeuge der schönsten ROKAL-Lokomotiven seien im Besitz der Firma ROCO in Salzburg. Das Gleissystem ist an die Firma Conrad und das Oldtimer-Sortiment (preußische Wagen und die preußische T 3) an die Firma Merker und Fischer in Fürstenfeldbruck gegangen (M & F. konnten bereits im Juli das preußische Sortiment in div. Anzeigen anbieten). Dies könnte stimmen, weiß man doch heute, dass ROCO einen Großteil der ehemaligen RÖWA-H0-Modelle in das Liefersortiment eingegliedert hatte.

roco-Telegramm

Telegramm von ROCO zur Übernahme des RÖWA H0 Sortiments. Von TT ist keine Rede mehr.

RÖWA- Programm

Anzeige in Miniaturbahnen August 1975 - M + F übernimmt die ehemalige ROKAL T 3 aus dem RÖWA Sortiment

T3 Gussform

Die Formen der T 3 - die einzige erhaltene Original ROKAL-Gussform auf der ROKAL-Ausstellung 2008

Was nach wie vor ungeklärt ist, ist die Frage: Hat ROCO das alles aus der RÖWA Konkursmasse aufgekauft oder mit der Übernahme dieser Produktionsmittel an RÖWA gewährte Finanzhilfen ausgeglichen? Hatte ROCO vielleicht damals die Absicht, eine TT-Bahn ins Sortiment aufzunehmen? Es könnte auch sein, dass statt der Kooperation ROKAL- ROCO, die Zusammenarbeit ROKAL - ZEUKE & WEGWERTH günstiger schien? Ebenso könnte man vermuten, dass ROKAL 1970 die TT-Bahn-Fertigung ROCO angeboten hatte, die das Angebot aber ablehnte und dafür dann später bei RÖWA einsprang? Auch hiervon war bei den "alten ROKALern" nichts in Erfahrung zu bringen.

Der eigentliche Hintergrund wird wohl immer verborgen bleiben. Es bleiben eine Menge Fragen offen und viele aufgeworfene Meinungen sind wohl eher subjektiv zu betrachten, bestenfalls logische Schlussfolgerungen, die niemand zu teilen braucht.

Fakt ist, damit stimmt der Rezensent mit Franz Kaupsch und vielen ROKAL-Freunden überein, dass es seit 1974 keinen TT-Hersteller in Deutschland in der Größenordnung gibt, wie ROKAL es gewesen ist.

Auf jeden Fall ist die ROKAL-Modellbahn nicht vergessen. Viele Freunde der TT-Spur haben heute noch - oder wieder - eine Anlage aufgebaut, oder zumindest viele der selten gewordenen Stücke in einer Vitrine stehen.


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