Kinderstreiche und Erinnerungen aus den 30-er Jahren

von Hilde Schomburg

aus: Nettetaler Spätlese. Zeitung für ältere Menschen 19/ 2005


Mein Elternhaus stand und steht noch in Lobberich, Niedieckstr. Früher war es die Bahnstr. 100. Im Garten standen zwei schöne Sternrenetten. Das Fallobst durften wir auflesen und essen, doch die gepflückten Äpfel kamen auf den Speicher als Vorrat für den Winter. Ab und zu mussten wir die faulen Äpfel auslesen. Mein Bruder Emil, voll Lausbubenstreichen, ging mit den faulen Äpfeln zum Speicherfenster, um von dort dieselben den Passanten vor die Füsse zu werfen und sie zu erschrecken. Aber oh weh, ein fauler Apfel traf unseren kleinen Freund Günther Z. mitten auf den Kopf. Der arme Kerl schrie vor Schreck und lief bekleckert nach Hause. Mein Bruder und ich aber rannten die Treppe hinunter, um ja nicht in Verdacht zu geraten.

Einmal wollt Emil Weitwurf erproben. Er versuchte die Äpfel vom Garten aus übers Haus zu werfen. Das gelang nicht immer. Doch einmal traf er mitten in die Speichen eines vorbeifahrenden Tandems. Es war die Zeit, wo die Nachbarn sich vor der Fensterbank von Albert van Kaldekerken zu einem Plausch trafen. Mein Vater war auch dabei. Er sah sogar den Apfel ankommen. Außer einem gewaltigen Schrecken und zornigen Blicken auf die verdutzte Versammlung, war dem Radfahrer nichts passiert. Aber mein Vater, wohlwissend, dass die Ursache nur von seinem Sohn kommen konnte, eilte zu Hof, wo Emil eine gehörige Ohrfeige bekam und sofort ins Bett musste.

Das waren zwei Streiche, doch der dritte kommt sogleich.

In unserer Nachbarschaft wohnten fast nur Jungs. Sie waren eine "Rotte". Als einziges Mädchen war ich dabei. Nun hatten sie sich ausgedacht, bei Martin jüsgen (Schmied von Beruf) die reifen Pfirsiche zu klauen. Zum Haus von Lehrut Hännschen (der Junge ist leider auch im Krieg gefallen) gehörte ein Obstgarten (Bongert), der grenzte an den Garten von Jüsgen. Emil, als Kleinster, wurde von den größeren Jungs hoch gehoben um die Früchte zu pflücken. -- Doch was war das? Durch eine kleines Fenster der Schmiede schaute Jüsgens Martin und drohte mit dem Hammer. Emil wurde fallen gelassen, ich stand wie versteinert und die "Rotte" hatte sich verduftet. Weinend ging ich mit meinem Bruder nach Hause und beichtete alles meiner Mutter.

Nun half weder Weinen noch Flehen, wir mussten den Kanossagang antreten und uns bei Jüsgens entschuldigen. Mit Erstaunen stellte ich aber fest, dass kein einziger der "Rotte" sich entschuldigt hatte. Waren die Jungs so feige?

In unserer Strasse wohnte auch ein alter Junggeselle, I. Alfons. er kaufte täglich bei meiner Mutter eine Flasche Bier. Das Leergut holten Emil und ich wöchentlich ab. Wir staunten, dass er die Flaschen in den Ausguss entleerte und der Geruch von Urin in unsere Nase drang. Hinter seinem Bett an der Wand hing sein Fahrrad. Für uns Kinder war es recht abenteuerlich. Einmal spielte er uns auf seinem Bandoneon, was sein Vater erfunden hatte vor. Sein Sofa durften wir nicht benutzen. Doch ein Verbot war doch besonders reizvoll, zumal er kein Ende mit seinem Spiel fand. Also ließen wir uns auf sein Sofa fallen. Sogleich waren wir von einer Staubwolke umhüllt. Deshalb also das Verbot!


veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin vom 24. April 2005


mehr aus der Spätlese